Forderung von KritikernKardinal Woelki soll auf Hälfte seines Gehalts verzichten

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Woelki in Düsseldorf

Rote Karten für Kardinal Woelki bei einem Gemeindebesuch in Düsseldorf 

Köln – Der Sommer war sehr groß, dichtete einst Rainer Maria Rilke. Für seinen Namensvetter, den Kölner Kardinal Woelki, war der Sommer sehr ruhig. Die päpstlichen Visitatoren werkelten an ihrem Bericht über die Zu- oder Missstände im Erzbistum Köln. Inzwischen haben sie ihn mitsamt Empfehlungen, die offiziell keiner kennt, dem Papst übergeben.

Der wiederum hat nach Krankenhausaufenthalt und „Ferragosto“, der traditionellen römischen Sommerpause, noch keine Entscheidung bekanntgegeben. Manche denken, Franziskus könnte Woelki bis zu seiner Reise nach Ungarn und in die Slowakei vom 12. bis 15. September wissen lassen, ob er ihn im Amt lassen, ihn abberufen oder ihm womöglich einen Bistumsverwalter an die Seite stellen wird. Woelki und sein Verwaltungschef, Generalvikar Markus Hofmann beteuern, es gebe kein Signal. Römische Ruhe mithin.

Eis zum Geburtstag

Am 18. August beging Woelki seinen 65. Geburtstag. Keine große Feier, aber für alle Mitarbeitenden im Generalvikariat gab es Eis. Manche erzählen, sie seien aus innerem Protest nicht hingegangen.

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Auf Eis gelegt wirken derzeit die Konflikte um die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals und den Umgang mit Betroffenen, um Rechtsgutachten und Woelkis Verantwortung für Vertuschung, Verdrängung und Bagatellisierung sexuellen Missbrauchs, aber auch um Strukturreformen im Erzbistum mit der Zusammenlegung von Pfarreien.

Bilder als Katastrophenhelfer

Nach der Flutkatastrophe hatte Woelki seinen Urlaub abgebrochen, war in die Eifel gefahren. Es gab schöne Fotos, die ihn als Katastrophenhelfer zeigen – mit hellem Hemd und Priesterkragen. Auch sonst hat der Erzbischof einiges aufgeboten, was nach Charme-Offensive aussieht.

Ein Geburtstags-Interview für den WDR mit Kinderfotos und Schwänken aus der Jugend. An diesem Donnerstagabend ein Besuch beim Open-Air-Musikfestival in der Abtei Brauweiler. Im Preisträgerkonzert des Wettbewerbs „Musica Sacra Nova“ werde Woelki die vom Erzbistum gestifteten Preise verleihen.

Segen vom Erzbischof

Am vorigen Sonntag schon zeigte Woelki sich in Neviges, wo die Wallfahrtskirche „Maria, Königin des Friedens“, ein Meisterwerk des im Juni verstorbenen Architekten Gottfried Böhm, ein neues Dach bekommen hat. Zu dessen Segnung eingeladen hatte ihn die für die Pfarrei zuständige Ordensgemeinschaft.

Und Woelki brachte die frohe Kunde mit, dass der Löwenanteil der Sanierungskosten vom Erzbistum bezahlt worden sei: Fünf Millionen Euro für eine Architektur-Ikone des 20. Jahrhunderts. Böhm selbst sei bis in die letzten Wochen seines Lebens „nicht müde geworden, über sein Werk zu wachen“, betonte Woelki. „Gott möge über das Bauwerk seinen Segen lenken, den der Erzbischof spendet.“

„Das Dach ist dicht, der Klerus nicht“

Doch nicht alle in der Gemeinde empfanden Woelkis Kommen als reinen Segen: Katholische Verbände wie Kolping, KAB, die Pfadfinderschaft und der Kirchenchor verweigerten ihm die traditionellen Fahnenabordnungen für den feierlichen Einzug zum Pontifikalamt.

Eine kleine Gruppe von Gläubigen wiederholte den Protest einer Düsseldorfer Gemeinde im Frühjahr und zeigte ihrem Erzbischof die symbolische Rote Karte. „Das Dach ist dicht, der Klerus nicht“, lautete der Begleitslogan. Nicht ganz Rilke-Niveau, aber dafür unmissverständlich. „Wir haben das Vertrauen verloren.“

Rumoren an der Basis

Woelki durfte also vorgewarnt sein, dass es an der Bistumsbasis weiter rumort. Aus Solingen erhielt sein Generalvikar jetzt einen offenen Brief. Weil Hofmann auf kritische Fragen anlässlich eines Gemeindebesuchs Ende Mai nicht reagiert und es von der Bistumsspitze auch keine Signale zu Veränderungen gegeben habe, hat der Kirchenvorstand der Pfarrei Sankt Sebastian sieben Forderungen samt einem konkreten Zeitplan für die erwartete Umsetzung aufgestellt, wie Kirchenvorstandsmitglied Thomas Müller-Kirschbaum erläutert. „Unsere Geduld ist aufgebraucht.“

Der fünfseitige Brief hat es in sich. „Wir können uns nicht des Eindrucks erwehren, Sie spekulierten darauf, in einer Sommerpause wüchse vielleicht Gras über die Sache und Sie können danach wieder so weitermachen wie bisher. Das allerdings wird nicht gelingen“, schreiben die Verfasser. Dass ihr Pfarrer Meinrad Funke, ein erklärter Woelki-Kritiker, nicht zu den Unterzeichnenden gehört, habe lediglich den Grund, dass er nicht als treibende Kraft erscheinen wolle. Inhaltlich unterstütze er den Brief seines Leitungsgremiums in vollem Umfang.

50-prozentiger Gehaltsverzicht

Die spektakulärsten Forderungen: Woelki und die gesamte Bistumsleitung sollten für drei Jahre auf die Hälfte ihres Gehalts verzichten „zum Ausgleich des finanziellen Schadens, den Sie der Kirche zugefügt haben“. Starttermin: 1. Januar 2022.

Und: Der „pseudo-demokratische“ Pastorale Zukunftsweg zur Neuordnung des Bistums, in dem der Diözesanrat unter Leitung des Solinger OB Tim-O. Kurzbach seine Mitarbeit bis auf Weiteres ausgesetzt hat, solle noch in diesem Jahr komplett beendet werden. Als Gemeindeleiter sollten außer Priestern auch Laien – Männer wie Frauen – eingesetzt werden, die ersten sechs bis Ende des kommenden Jahres.

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Zur besseren Machtkontrolle im Erzbistum solle ebenfalls mit Jahresbeginn ein Kontrollorgan eingesetzt werden, besetzt mit Vertretern aus Gemeinden und Verbänden. Die laufenden Pläne zu einer weiteren Zentralisierung der Bistumsverwaltung – etwa im Kita-Bereich – solle das Bistum sofort stoppen. Überdies verlangt der Brief eine umfassende Reform für die Verteilung der Kirchensteuer mit Rückkehr zu der bis in die 1950er Jahre geltenden Praxis. Sie sah vor, dass die Einnahmen aus der Kirchensteuer zunächst den Gemeinden zufließen und erst dann ein Teil davon ans Bistum geht.

Unruhiger Herbst steht bevor

Sehr gezielt setzen die Solinger das Messer also dort an, wo der Schnitt besonders wehtut: bei der Macht und beim Geld. Dass ihr Brief – entgegen Woelkis wiederholter Festlegung – auch noch den Einsatz des Kardinals beim Papst für die Segnung homosexueller Paare sowie die sofortige Duldung der Segenspraxis im Erzbistum fordert, gibt der Klinge nur mehr den letzten Schliff.

Der Sommer war sehr groß. Rilkes Gedicht trägt den Namen Herbsttag. „Herr, es ist Zeit“, so lautet die erste Zeile. Kardinal Woelki steht ein unruhiger Herbst bevor.

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