Kommentar zur Ukraine-ReiseBaerbock sendet das Signal, das Scholz nicht senden will

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Baerbock Fotos dpa 100522

Annalena Baerbock betrachtet in Butscha Fotos, auf denen bei russischen Kriegsverbrechen getötete Zivilisten zu sehen sind

Nach wochenlangen diplomatischen Irrungen und Wirrungen hat mit Außenministerin Annalena Baerbock das erste Mitglied des Bundeskabinetts die Ukraine besucht. Es war ein überfälliger Schritt – und erneut ist es eine Grüne, die für Deutschland eine gute Figur macht. 

Schon vor der Ausladung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wurde das Thema schließlich zum Politikum. Der Grund: Bundeskanzler Olaf Scholz zeigte sich unwillig, die Ukraine zu besuchen – im Gegensatz zu EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen oder seinem englischen Amtskollegen.

Erstes Regierungsmitglied in der Ukraine

Wir erinnern uns: Boris Johnson heimste mit einem Spontanbesuch in Kiew samt Spaziergang durch die damals noch belagerte Stadt international viele Pluspunkte ein. Scholz blieb in Berlin – und zeigte sich dann nach der Ausladung Steinmeiers noch schmallippiger als zuvor.

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Mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Michael Roth (SPD) und Anton Hofreiter (Grüne) hielten drei Ampel-Politiker die peinvolle Besuchsblockade Berlins zwischenzeitlich schon nicht mehr aus – und reisten quasi in Eigenregie in die Ukraine. Regierungsvertreter waren sie aber ebenso wenig wie Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, die am Wochenende das kriegserschütterte Land besuchte, oder CDU-Chef Friedrich Merz, der letzte Woche in die Ukraine gereist war.

Kanzler bleibt seiner Linie treu

Der Kanzler ließ sich davon nicht beeindrucken – und blieb seiner Verweigerungshaltung treu. Mittlerweile immerhin mit Begründung: Die Ausladung Steinmeiers stehe einem Besuch im Wege, erklärte Scholz und in Kiew spitzte man die Ohren. Also griff Präsident Wolodymyr Selenskyj zum Telefon und suchte das Gespräch mit Steinmeier. „Irritationen ausgeräumt“, lautete danach die frohe Kunde. Ein Kanzlerbesuch in Kiew rückte aber dennoch nicht auf die Agenda.

Auch die Einladung von ukrainischer Seite für Kanzler und Bundespräsident am symbolischen 9. Mai nach Kiew zu kommen, wurde von den SPD-Politikern freundlich ignoriert. Stattdessen hielt Scholz am Sonntag lieber eine Ansprache an die Nation und erklärte dabei im Wesentlichen, was alle ohnehin schon über seine Standpunkte wussten.

Besuch in Butscha ist ein wichtiges Symbol

Nun ist es also Annalena Baerbock, die das deutsche Regierungsbesuchsembargo, so kann man es fast nennen, bricht. Dass die Außenministerin zunächst den Vorort Butscha, Schauplatz furchtbarer russischer Massenmorde und Kriegsverbrechen, besuchte, ehe sie das Gespräch mit ihrem Amtskollegen Dymtro Kuleba suchte, mag für den weiteren Kriegsverlauf völlig irrelevant sein. Dennoch war es ein wichtiges Symbol.

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Grüne Minister geben gutes Bild ab

Dass es mal wieder Baerbock ist, die mit ihrer Reise den zumindest gefühlten Empathie-Defizit der Bundesregierung bekämpft und damit das Richtige tut, passt aber sowieso ins Bild. Man will sich die Regierungskommunikation ohne die grünen Minister Robert Habeck und Annalena Baerbock lieber nicht vorstellen. Der Wirtschaftsminister und die Außenministerin geben seit Beginn des russischen Angriffskriegs das beste Bild im Bundeskabinett ab – so auch heute.

Der Kanzler blieb unterdessen zu Wochenbeginn erneut in Deutschland – und setzte beim Besuch Emmanuel Macrons lieber auf Europa-Romantik als darauf, seinen französischen Amtskollegen direkt einzupacken und in Kiew ein Zeichen zu setzen – für Europa. Scholz hat auch diese Chance verpasst.  

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