Mit seiner eingängigen Abgrenzung gegen Antisemitismus setzt sich Habeck von Scholz, Steinmeier und Baerbock ab und trifft einen Nerv.
KommentarRobert Habeck bringt wertvollen Beitrag zu Nahostkonflikt
Der Nahe Osten brennt, die Auseinandersetzung zieht weltweit Kreise, Jüdinnen und Juden werden attackiert und angefeindet und fürchten um ihre Sicherheit und ihr Leben.
Und da mischt sich der Vizekanzler ein. Er erklärt, ordnet ein, zieht klare Linien. Es ist gut, dass er das getan hat. Robert Habeck hat gesagt, was gesagt werden muss.
Alles war drin in dieser Rede: die Erklärung des sperrigen Begriffs vom Existenzrecht Israels als deutsche Staatsraison aus der Erfahrung mit dem Holocaust. Die Einordnung der Hamas als Terrorgruppe, der Zivilisten und Völkerrecht herzlich egal sind. Der Hinweis auf die Rechtsextremen, die die Debatte nutzen, um Hass auf Muslime zu schüren. Vor allem aber die Absage an Antisemitismus – und zwar den von allen Seiten.
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Habeck hebt sich mit seinem Auftritt von Scholz, Steinmeier und Baerbock ab
Habeck ist nicht der einzige Regierungsvertreter, der das gesagt hat. Aber sein Auftritt war besonders klar.
Bundeskanzler Olaf Scholz wählte in einer Regierungserklärung nach den Angriffen für seine Verhältnisse ungewöhnlich drastische Worte: Er warnte vor einem apokalyptischen Szenario, er nannte das Schweigen von Palästinenserchef Mahmud Abbas beschämend.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist auf der großen Solidaritäts-Demonstration für Israel aufgetreten. Außenministerin Annalena Baerbock hält eine Rede nach der anderen und dass daran alles Wischi-Waschi wäre, lässt sich nicht behaupten. In der Sprachgewalt, der Fähigkeit, sich von Phrasen zu lösen und Spannung durch Modulation zu halten, ist Habeck ihnen allen überlegen.
Robert Habeck richtet sich an alternativ-linke Szene
Aber es wäre zu kurz gegriffen, die Einmischung Habecks nur oder vor allem als Beitrag zu einem Redewettbewerb zu betrachten. Sein Auftritt mag ihm persönlich nutzen. Es kann sein, dass der Wirtschaftsminister daran gedacht hat, dass die Grünen bald wieder einen Kanzlerkandidaten brauchen und dass es da nicht schaden kann, wenn ein kluger Auftritt den zerstreut-beleidigten Heizungs-Habeck vergessen lässt.
Die Lage aber ist zu ernst für eine reine Profilierungs-Show, für die Reduzierung von Wortmeldungen auf ihren möglichen parteipolitischen und machtstrategischen Charakter. Habeck hat als Vizekanzler gesprochen, vor allem aber auch als Spitzenpolitiker der Grünen. Als solcher hat er eine ganz eigene Verantwortung.
Die Grünen sind die Regierungspartei, die den Demonstranten aus der alternativ-linken Szene am ehesten nahesteht, die die Solidarität mit den Palästinensern so weit vornean stellen, dass der Hamas-Terror darin seine Rechtfertigung findet. Wenn Habeck sagt: „Anti-Kolonialismus darf nicht zu Antisemitismus führen“, richtet er sich genau an dieses Milieu.
Jeder kluge Debattenbeitrag zählt
Der Nahe Osten brennt, die Debatte um Israel gefährdet den ohnehin labil gewordenen gesellschaftlichen Frieden in Deutschland. Jeder kluge Debattenbeitrag ist da wichtig. Und wenn der eine etwas besser kann oder vielleicht auch nur einen guten Zeitpunkt erwischt, kann das nur gut sein. Eine Regierung, die sich in solchen Zeiten nicht als Team begreift, hätte ohnehin verloren.