KommentarWarum nicht alle Corona-Kritiker in einen Topf geworfen werden sollten

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Symbolbild

  • Demokratischer Corona-Protest muss sein, doch die rechtsradikale Ausbeutung fordert Widerspruch.
  • „Die Naiven“ nennt der Politologe Hans J. Lietzmann diejenigen Protestierenden, die sich vor den Karren der Rechten spannen lassen.
  • Es gibt hier keinen Anspruch auf Naivität, aber man muss auch ganz klar darauf achten, nicht alle in einen Topf zu werfen. Unsere Gesellschaft steuert auf eine Verhärtung der Fronten zu, und dies nutzt im Endeffekt vor allem den Populisten.

Köln – Morgen wird in Berlin demonstriert – #Alarmstufe Rot. Klingt dramatisch, weil die Lage dramatisch ist: Zu Fuß und mit einem LKW-Konvoi will die Veranstaltungsindustrie und damit auch ein großer Teil der Kultur von der Politik fordern, dass auf ihre Nöte in der Corona-Krise mehr geachtet wird. Hier demonstrieren keine Covidioten und Verschwörungstheoretiker, sondern Betroffene, die um ihre Existenzgrundlage bangen.

Es gibt weitere gute Gründe, warum man nicht alles fraglos hinnehmen sollte, was die Politik an Maßnahmen zur Eindämmung der Seuche beschließt oder was Virologen aus ihrer Sicht raten. Ein gewichtiger Einspruch ist demokratietheoretischer Natur: Freiheitsrechte, einmal beschränkt oder gar ganz verloren, unterliegen einer problematischen Relativierung: Braucht man sie überhaupt?

Aber auch die Sorge um die Wirtschaft treibt viele um, und es gibt ganz menschliche, empathische Motive: Keine Familienfeiern mehr, keine Krankenbesuche, keim Kümmern um die altersschwache Oma oder den Opa? Hier sind schwerwiegende Abwägungen zu treffen.

Hass, krudes Gefasel und Aufrufe zu gemeinsamen Aktionen

Rechte Extremisten, Verblendete, die Reichsflaggen schwenken, gewaltbereite Verführer und propagandistisch geschulte Einflüsterer haben diesen Protest gekapert, spektakulär und symbolträchtig auf den Stufen zum Berliner Reichstag vor einigen Tagen.

Flankierend kommen zu solch physischen Protesten die sozialen Medien hinzu, in denen sich Hass, krudes Gefasel und Aufrufe zu gemeinsamen Aktionen zu einem gefährlichen Gemisch ballen. Diese Aneignung berechtigter Bedenken gegen die Beschränkung der Freiheitsrechte hat den Protest gegen die Corona-Maßnahmen vielfach entwertet.

Was umso bedenklicher und trauriger ist, als gerade wir als Demokraten uns davor hüten müssen, nur noch monolithische Mehrheitsblöcke zu dulden. Demokratischer Protest muss sein. Rechtsradikale Ausbeutung desselben braucht Widerspruch.

„Die Naiven“ nennt der Politologe Hans J. Lietzmann diejenigen Protestierenden, die sich vor den Karren der Rechten spannen lassen. Sie sind selbst nicht rechts, marschieren aber mit den falschen Leuten – sie machen sich die Hände schmutzig für Ziele, die gar nicht ihre sind. Es klingt hart, aber mit Lietzmann muss man sagen: Es gibt hier keinen Anspruch auf Naivität. Wer als Demokrat überzeugt ist, seine Rechte auf Einspruch und Kritik wahrzunehmen, muss alles dafür tun, sich von den Ideologen abzugrenzen.

Umgekehrt muss die Politik, müssen auch wir in den Medien darauf achten, nicht alle in einen Topf zu werfen. Es gibt eine reflexhafte Abwehr all dessen, was der eigenen Überzeugung widerspricht – auch was Corona und die Auffassung davon betrifft, was nun richtig und falsch, gesund oder gefährlich für die Bekämpfung der Pandemie ist. Unsere Gesellschaft steuert auf eine Verhärtung der Fronten zu, und dies nutzt im Endeffekt vor allem den Populisten.

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