Am Montag wurde Madschid-Resa Rahnavard öffentlich im Iran erhängt. Nun sind seine letzten Worte bekannt geworden – sie beweisen den enormen Mut der Demonstranten.
Letzte Worte eines hingerichteten Iraners„Sie sollen nicht den Koran lesen und beten – sie sollen glücklich sein“
In sozialen Netzwerken ist am späten Donnerstagabend ein Video aufgetaucht, das die letzten Worte des am Montag, 12. Dezember, hingerichteten Madschid-Resa Rahnavard dokumentieren soll. Mehrere internationale Journalisten teilten die Aufnahme ebenso wie Iran International, eine in London ansässige persischsprachige Redaktion, die aus dem Exil über den Iran berichtet.
In dem Video ist Rahnavard mit verbundenen Augen zu sehen. Der 23-Jährige wird von seinen Wächtern schließlich vor laufender Kamera gefragt, was er in seinem letzten Willen geschrieben habe. „Wo sie mich begraben sollen, dass ich nicht will, dass sie weinen“, antwortete Rahnavard. „Sie sollen nicht den Koran lesen und beten. Sie sollen glücklich sein. Frohe Lieder spielen.“
Rahnavard war am frühen Montagmorgen öffentlich erhängt worden. Fotos zeigten ihn am Strick hängend, meterhoch in der Luft, unter den Augen unbekannter Zuschauer. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ verzichtet aus Respekt vor dem Getöteten darauf, die Bilder zu zeigen. Auch seine Familie wurde übereinstimmenden Berichten zufolge über die Hinrichtung nicht vorab informiert.
Das Regime in Teheran legt Rahnavard, wie den meisten verurteilten Demonstranten, Gewaltverbrechen zur Last. Der Mann soll während der Proteste im November zwei Mitglieder der berüchtigten paramilitärischen Basidsch-Miliz mit einem Messer ermordet haben. Das Gericht hatte ihm „Kriegsführung gegen Gott“ vorgeworfen und gemäß iranischer Rechtsauffassung zum Tode verurteilt.
Rahnavard war nach Angaben des Nachrichtenportals Mizan am 17. November verhaftet worden. Innerhalb von 26 Tagen wurde er angeklagt, zum Tode verurteilt und hingerichtet. Einen rechtlichen Beistand hatte er Online-Berichten zufolge nicht. Die Menschenrechtsorganisation „Amnesty International“ nannte das vorherige juristische Verfahren einen „unfairen Scheinprozess“. Die Organisation ruft die internationale Gemeinschaft dazu auf, „alle nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um Druck auf die iranischen Behörden aufzubauen, damit diese die Hinrichtungen stoppen und die Todesurteile für nichtig erklären.“
Die EU hatte am Montag in einer ersten Reaktion weitere Sanktionen gegen den Iran verhängt. Vielen Beobachtern gehen diese jedoch nicht weit genug. „Das Mullah-Regime ermordet kaltblütig die eigene Bevölkerung. Das ist Staatsterrorismus“, erklärte CDU-Politiker Norbert Röttgen. „Darauf kann es nur eine richtige Antwort aus Deutschland und Europa geben: Die Revolutionsgarde als Zentrum des Terrors muss auf die EU-Terrorliste gesetzt werden!“
Röttgen gehört zu einigen deutschen Bundestagsabgeordneten, die sich in den letzten Tagen für einzelne Verurteilte starkgemacht haben, in dem sie sogenannte Patenschaften für die Inhaftierten übernahmen – und so für mehr Aufmerksamkeit sorgten. Am Donnerstag hatte die CDU-Politikerin Katja Leikert sich für eine 16-Jährige eingesetzt, der ebenfalls das Todesurteil droht.
Zuletzt hatte auch Bundeskanzler Olaf Scholz scharfe Kritik an der Regierung in Teheran geäußert. „Wer schießt schon auf sein eigenes Volk? Die iranische Regierung tut das, und deshalb werden wir dort auch weiter sehr klar uns zu positionieren“, sagte der Kanzler am Donnerstag, 15. Dezember, am Rande des EU-Gipfels in Brüssel. „Das, was die iranische Regierung macht, ist unakzeptabel, ist nicht vertretbar.“
Nach Angaben von Menschenrechtlern wurden bisher mindestens 18.000 Teilnehmer der seit bald drei Monaten anhaltenden systemkritischen Demonstrationen festgenommen, mehr als 475 Demonstranten sollen bei den Protesten getötet worden sein. Im November wurden Demonstranten erstmals auch zum Tode verurteilt. Mindestens 23 weiteren Demonstranten droht Medienberichten zufolge die Vollstreckung der Todesstrafe.
Auslöser der derzeitigen Proteste im Land war der Tod der iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini. Sie starb am 16. September im Polizeigewahrsam, nachdem sie von der Sittenpolizei wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die islamischen Kleidungsvorschriften festgenommen worden war. Seit ihrem Tod demonstrieren landesweit Zehntausende gegen den repressiven Kurs der Regierung sowie das islamische Herrschaftssystem.