Die dritte Auslandsreise für den neuen Bundeskanzler führt ihn ins Kriegsgebiet: Dass Merz so kurz nach seinem Amtsantritt die Ukraine besucht, wird als starkes Signal gewertet.
Mit Macron, Starmer und TuskMerz in Kiew eingetroffen – Erster Ukraine-Besuch als Kanzler

Bundeskanzler Friedrich Merz (Mitte, CDU), Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (rechts), und Keir Starmer, Premierminister von Großbritannien, kommen mit einem Sonderzug auf dem Hauptbahnhof in Kiew an.
Copyright: AFP
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) ist mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem britischen Premierminister Keir Starmer mit dem Zug in Kiew eingetroffen. Dort wollen die drei zusammen mit dem polnischen Regierungschef Donald Tusk den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj treffen, um für eine vollständige und bedingungslose Waffenruhe von 30 Tagen zu werben. Dieses Zeitfenster soll nach ihren Vorstellungen für Friedensverhandlungen mit Russland genutzt werden.
In einer veröffentlichten Erklärung stellten sie sich schon während ihrer Anreise hinter die Forderung von US-Präsident Donald Trump nach einer vollständigen und bedingungslosen 30-tägigen Waffenruhe. Sie solle „Raum schaffen für Gespräche über einen gerechten und dauerhaften Frieden“. In der Erklärung machen die Europäer deutlich, dass eine Gebietsabtretung der Ukraine an Russland für sie nicht infrage komme. „Russland muss seinen illegalen Angriffskrieg beenden und die Ukraine muss in die Lage versetzt werden, sich als souveräne Nation in ihren international anerkannten Grenzen zu entwickeln, auch für kommende Generationen.“
Sie sichern der Ukraine auch weitere militärische Hilfe zu, um der „andauernden barbarischen und völkerrechtswidrigen Invasion“ Russlands Stand zu halten. „Wir werden unsere Unterstützung für die Ukraine weiter ausbauen. Solange Russland einem dauerhaften Waffenstillstand nicht zustimmt, werden wir den Druck auf Russlands Kriegsmaschine weiter erhöhen.“
Kiew hofft auf Marschflugkörper Taurus
Für Merz ist es die dritte Auslandsreise seit seinem Amtsantritt am Dienstag. Seine erste Reise hatte ihn am Mittwoch zu den Verbündeten nach Paris und Warschau geführt. Am Freitag war er zum Antrittsbesuch in Brüssel. Merz‘ Besuch in Kiew so kurz nach der Übernahme der Regierungsgeschäfte wurde als starkes Signal der Unterstützung für die Ukraine gewertet, die sich seit mehr als drei Jahren gegen den Angriff Russlands verteidigt.
Die Regierung in Kiew bittet Deutschland seit langem um Marschflugkörper vom Typ Taurus mit einer Reichweite von rund 500 Kilometern. Merz-Vorgänger Olaf Scholz (SPD) hatte eine Taurus-Lieferung mit der Begründung verweigert, eine Eskalation mit Russland vermeiden zu wollen. In der Ukraine, aber auch in Teilen der später gescheiterten Ampel-Koalition war das auf Unverständnis gestoßen.
Merz hat sich in der Vergangenheit offen gezeigt, die Ukraine in Abstimmung mit europäischen Partnern mit Taurus-Marschflugkörper auszurüsten. Die Regierung des russischen Präsidenten Wladimir Putin hat mehrfach gewarnt, Deutschland könne damit zur Kriegspartei werden.
Treffen der „Koalition der Willigen“
Deutschland gehört ebenso wie Frankreich, Großbritannien, Polen und andere Staaten zur „Koalition der Willigen“, die sich zu verstärkter Hilfe für die Ukraine verpflichtet haben. Ziel des Zusammenschlusses unter Führung Frankreichs und Großbritanniens ist es, der Ukraine umfassende Sicherheitsgarantien zu bieten, insbesondere für die Zeit nach einem möglichen Waffenstillstand oder Friedensabkommen. Die USA gehören nicht zum Bündnis. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte für Samstag ein Treffen von führenden Vertretern der Koalition in Kiew angekündigt, aber keine Namen genannt.
Das verstärkte Engagement der Europäer ist für die bedrängte Ukraine von besonderer Bedeutung, weil die USA unter Präsident Donald Trump mit dem Ende der Militärhilfe gedroht haben. Die Vereinigten Staaten sind bislang der wichtigste Unterstützer der Ukraine, Deutschland folgt an zweiter Stelle. Anfang März setzte Trump die Militärhilfe nach einem Eklat bei einem Treffen mit Selenskyj im Weißen Haus vorübergehend aus.
Selenskyj hat sich – wie von den USA gefordert – zu einem sofortigen 30-tägigen Waffenstillstand bereit erklärt. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte zuletzt lediglich eine dreitägige Feuerpause angekündigt, die offiziell in der Nacht zu Samstag endete. Die Ukraine hatte ihr nicht zugestimmt. Auch während der angeblichen Feuerpause hatten die Gefechte angedauert. Die US-Botschaft in Kiew warnte am Freitag, sie habe „Informationen über einen möglicherweise bedeutenden Luftangriff erhalten, der in den nächsten Tagen jederzeit stattfinden kann“.
Hoffnung auf 30-tägigen Waffenstillstand
Merz hatte am Donnerstag mit Trump telefoniert. Am Freitag sagte er bei einer Pressekonferenz mit Nato-Generalsekretär Mark Rutte in Brüssel, der US-Präsident habe ihn über seinen Plan eines 30-tägigen bedingungslosen Waffenstillstandes in der Ukraine informiert. „Ich schließe mich dem ausdrücklich an. Ich weiß auch, dass die französische Regierung, die britische Regierung und die polnische Regierung das genauso sehen.“ Der Angriffskrieg Russlands sei ein Frontalangriff auch „gegen die gesamte politische Ordnung Europas nach 1990“.
Merz betonte bei einem Treffen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Brüssel: „Ich habe die große Hoffnung, dass es über dieses Wochenende eine Verabredung gibt für einen Waffenstillstand in der Ukraine.“ Er fügte hinzu: „Der Ball liegt jetzt in Moskau, nirgendwo anders.“
Hoffnungen auf den von der Ukraine angestrebten Nato-Beitritt machte Merz dem Land bei seinem Besuch in Brüssel nicht. Er unterstrich aber die Beitrittsperspektive der Ukraine zur Europäischen Union. Auch die Trump-Regierung hat einem Nato-Beitritt der Ukraine eine Absage erteilt. Die Ukraine argumentiert, ihre Mitgliedschaft in dem Verteidigungsbündnis wäre die wirksamste Sicherheitsgarantie gegen künftige russische Angriffe. Zudem könnten andere Nato-Staaten von der Kriegserfahrung der Ukraine profitieren. (mit dpa)