NRW-Justizminister fordert„Länder sollen Geldwäsche selbst bekämpfen können“

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Cyberkriminalität

Cyber-Crime ist zu einem Riesenmarkt avanciert - Milliarden Euro werden dort umgesetzt.

Düsseldorf/Köln – Die Überweisungen aus Kuwait weckten das Interesse der Ermittler. Auf den Konten eines familiären Zweigs des kurdisch-libanesischen Al Zein-Clans in Solingen, Wuppertal und Leichlingen landeten teils sechsstellige Summen aus dem Ölstaat im Mittleren Osten. Absender unbekannt.

Die Sonderkommission „Klinge“, die gegen fünf Familienmitglieder und einen deutschen Anwalt ermittelt, hegte den Verdacht, dass diese Beträge womöglich über einen komplizierten Finanzkreislauf fein gesäubert in NRW-Clan-Kanälen landen sollten. Seit 2019 ermittelte die Soko gegen die Bande rund um Hassan und Naila Al Zein (Vornamen geändert) in Solingen.

Razzia hatte Geldwäsche im Fokus

Unter ihrer Ägide soll das Familiensyndikat unversteuerten Wasserpfeifentabak in Shisha-Bars veräußert haben. Der Schaden für den Fiskus geht laut Polizei und Staatsanwaltschaft in die Millionen. Undurchsichtige Immobiliengeschäfte, dubiose Kontenbewegungen, zweifach illegaler Bezug von Corona-Soforthilfe in Höhe von insgesamt 18.000 Euro. Unbeglichene Schulden an die Staatskasse in Höhe von einer Million Euro, Steuerhinterziehung durch nicht deklarierte Mieteinnahmen – Hassan, 43, und Naila, 40 und ihre Familie hatten große Beträge im Visier. Vergangenen Mittwoch durchsuchten die Strafverfolger 14 Objekte im Bergischen Land. Insbesondere geht es bei den Ermittlungen um Geldwäsche im großen Stil.

„Deutschland ist ein Paradies für Geldwäsche“, sagt NRW-Justizminister Peter Biesenbach. Beim Kampf gegen das stetig wachsende Kriminalitätsphänomen sieht der CDU-Politiker noch „viel Luft nach oben“. Seit Jahren kritisieren Experten die im Auftrag des Bundesfinanzministers agierende Zoll-Behörde Financial Intelligence Unit (FIU).

Zentraler Punkt der Kritik: Geldwäscheanzeigen der Banken gingen verloren oder würden viel zu spät bearbeitet. Biesenbachs Forderung: Dieses spezifische Kriminalitätsfeld soll wieder zur Ländersache werden. „Die Arbeit der FIU hat bisher nicht überzeugt, da bleiben viel zu viele Verfahren liegen. Es wäre besser, das den Spezialisten in den Ländern zu überlassen.“

Immobilienregister könnte Organisierte Kriminalität schwächen

Praktiker plädieren zudem für die Einrichtung eines Immobilienregisters. Im Bereich der Organisierten Kriminalität (OK) werden die Objekte oft durch illegale Gewinne in bar bezahlt. Zwar müssen Notare den Ankauf per Geldkoffer melden, in der Regel aber geschieht wohl genau das nicht. Folglich können etwa kriminelle Clans wie jener in Leverkusen ihre Villa im Stadtteil Rheindorf teils in bar bezahlen, ohne aufzufallen. Gegen viel Widerstand im Bund will die Landesregierung im Fall einer Wiederwahl nach italienischem Vorbild die Beweislastumkehr einführen. „Dann müssen Gangster die legale Herkunft ihrer Einnahmen nachweisen, andernfalls wird das Vermögen eingezogen“, sagt Biesenbach.

Cyber-Crime als Riesenmarkt

Für alle Akteure der Strafverfolgung aber auch für Straftäter ist die Digitalisierung zum entscheidenden Faktor geworden. Cyber-Crime ist zu einem Riesenmarkt avanciert. Der Branchenverband Bitkom geht von einem Volumen in Höhe von mehreren hundert Milliarden Euro aus.

Online-Kriminelle nutzen Künstliche Intelligenz; das Darknet fungiert als Handelszentrum für Drogen, Waffen, Menschen, Kinderpornographie und Datendeals. Laut Bundeskriminalamt zählte etwa das Hasso-Plattner-Institut, ein Exzellenz-Center an der Uni Potsdam, im Jahr 2021 rund zwölf Milliarden geleakte Accounts. Erpressungen von Firmen und der öffentlichen Hand durch Schadsoftware gehören laut dem Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik künftig zur größten Herausforderung. Ein Beispiel für Ziele in NRW gab der Angriff auf die Universitätsklinik Düsseldorf, bei der Hacker vor anderthalb Jahren das IT-System lahm legten.

Das Internet erleichtert zudem den kriminellen Dienstleistungssektor „crime as a service“. Spezielle Anbieter kümmern sich um falsche Pässe, besorgen eine neue Identität oder Waffen, verstecken inkriminierte Einnahmen, programmieren und verkaufen Schadsoftware, engagieren Auftrags-Killer.

Strafverfolgung muss digitaler vorgehen

Vor diesem Hintergrund hat Justizminister Biesenbach ein ganzes Maßnahmen-Paket vorgelegt, um die NRW-Staatsanwaltschaften für das digitale Verbrechen fit zu machen. Als Blaupause firmiert die Zentrale Ansprechstelle Cybercrime (ZAC) bei der Kölner Staatsanwaltschaft. Mit mehr als 40 Staatsanwälten gilt die Behörde inzwischen als bundesweiter Vorreiter im Kampf gegen Internet-Kriminalität. Nach Kölner Vorbild sollen die Anklagebehörden auch über die Landesgrenzen hinaus mittels zentraler Schnittstelle besser vernetzt werden.

Im Zuge etwa der Fahndung nach Pädokriminellen im Netz sollen die Zugriffsmöglichkeiten auf IP-Adressen bei den Providern länger als bisher sieben Tage möglich sein. Zur Agenda zählt ein besserer rechtlicher Rahmen für verdeckte Ermittler sowie das Abschöpfen von Kommunikationstechnik in Kraftfahrzeugen von Verdächtigen.

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Zudem will Biesenbach „den Blick auf die Rauschgiftkriminalität intensivieren.“ Die entschlüsselte Krypto-Software EncroChat und NCMEC bescherte den deutschen Behörden eine große Flut von Drogenverfahren. Dabei handelte es sich um eine Art Kriminellen-WhatsApp, über die tonnenweise Kokain, Marihuana und synthetische Drogen ins Land geschmuggelt und verkauft wurden. Allein in Köln kümmern sich drei Abteilungen der Staatsanwaltschaft um diese Verfahren. Der Justiz-Nachwuchs soll speziell für diese Fälle geschult werden. „Das Ziel ist noch längst nicht erreicht“, sagt Biesenbach, „wir haben gerade erst die Hälfte geschafft“.

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