Stimmen aus NRW zur Kindergrundsicherung„Das Geld versickert in immer mehr Bürokratie“

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Kind Emilya steht während der Ausgabezeit in einer «Laib und Seele»-Ausgabestelle der Berliner Tafel in der evangelischen Paulus-Kirchengemeindean einem Tisch mit Spielzeug.

Die Bundesregierung hat sich bei der Kindergrundsicherung geeignigt - NRW-Familienministerin Paul begrüßt den Schritt.

Die Bundesregierung hat sich bei der Kindergrundsicherung geeignet. Am Mittwoch beschließt das Kabinett voraussichtlich den Gesetzentwurf. Die CDU im Düsseldorfer Landtag übt Kritik. In NRW beziehen Familien für 275.865 Kinder einen Zuschlag.

Das Familienministerium in Nordrhein-Westfalen begrüßt die Einigung zur Kindergrundsicherung. Sie sei „eine gute Nachricht für Kinder und Familien, die armutsgefährdet sind oder in Armut leben“, so NRW-Familienministerin Josefine Paul (Grüne). „Es ist der richtige Weg, Leistungen für Kinder zu einer einzigen Leistung zu bündeln und den Zugang zu vereinfachen.“

Die Kindergrundsicherung soll bisherige Leistungen wie Kindergeld, Leistungen aus dem Bürgergeld für Kinder und den Kinderzuschlag bündeln. Durch mehr Übersichtlichkeit und eine zentrale Plattform sollen auch Familien erreicht werden, die bisher aus Unkenntnis oder wegen bürokratischer Hürden ihnen zustehendes Geld nicht abrufen.

Zuletzt hatten vor allem Grüne und FDP über die Finanzierung der Kindergrundsicherung gestritten. Ein vom Familienministerium geforderter Zuschlag von 20 Euro pro Kind bei Asylbewerbern im Monat wurde nun beispielsweise auf Druck der FDP gestrichen.

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Knapp 26 Prozent der Kinder und Jugendlichen in NRW sind armutsgefährdet

In Nordrhein-Westfalen beziehen Familien für 275.865 Kinder einen Zuschlag (Stand: Juli 2023). Das Armutsrisiko für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahre stieg seit 2020 in Nordrhein-Westfalen leicht an; im Jahr 2022 waren knapp 26 Prozent armutsgefährdet. 

Für Frank Johannes Hensel, Diözesan-Caritasdirektor für das Erzbistum Köln, war das Ringen um eine Kindergrundsicherung schwer nachvollziehbar. „Kinder aus armen Verhältnissen leben meist auch als Erwachsene in Armut. Kinderarmut kommt Gesellschaft und Staat teuer zu stehen, langfristig zahlen sie mehr als eine reine Existenzsicherung für die Kinder“, so Hensel. Die für 2025 geplante Kindergrundsicherung sei nun ein richtiger Schritt. „Wenn es gelingt, dass Familien die staatliche Unterstützung auch wirklich in Anspruch nehmen können, wäre schon einiges gewonnen.“

Ziel müsse nun sein, dass die Mittel, auf die Kinder und Familien einen Anspruch haben, endlich bei ihnen ankommen, so Ministerin Paul. Jetzt komme es auf schnelle weitere Schritte an: „Das Projekt geht in die Länder- und Verbändeanhörung, weil die Frage der Umsetzung natürlich auch eine ist, die mit Ländern und Kommunen gemeinsam auf den Weg gebracht werden muss – und das auf eine Art und Weise, die es Ländern und Kommunen ermöglicht, die Kindergrundsicherung einfach und schnell umzusetzen.“

CDU: „Das Geld versickert in immer mehr Bürokratie“

„Wir unterstützen grundsätzlich die Idee einer Kindergrundsicherung“, heißt es aus der CDU-Fraktion des Düsseldorfer Landtages. Der Vorschlag, Leistungen zu bündeln und zuverlässig zu einkommensschwachen Kindern und ihren Familien zu bringen, sei gut. „Der Gesetzesentwurf löst dieses Versprechen allerdings nicht ein“, so die Fraktion der Christdemokraten. Die Bundesregierung mache nämlich immer mehr Personal- und Sachkosten geltend. „Da liegt das Ergebnis leider schon auf der Hand: Das Geld versickert in immer mehr Bürokratie und kommt erst gar nicht dort an, wo es dringend gebraucht wird.“

Lisa-Kristin Kapteinat von der SPD-Fraktion bezeichnet die Kindergrundsicherung als einen „sozialpolitischen Meilenstein“. „Viele ihrer Eltern sind arm, obwohl sie arbeiten. Es ist deshalb richtig, dass das Existenzminimum von Kindern neu berechnet wird und sich dadurch höhere Leistungen für Kinder ergeben sollen“, so Kapteinat.

Dennis Maelzer, familienpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, ergänzt: „Mit der Kindergrundsicherung ist ein wichtiger Schritt zu mehr Chancengleichheit getan. Aber NRW könnte aus eigener Kraft noch so viel mehr tun: Die Einführung eines kostenfreien Mittagessens, stabile Kitas mit ausreichenden Plätzen und der Ausbau von Grundschulen zu Familienzentren sind dafür nur einige Beispiele.“

FDP: „Haben erfolgreich gegen Fehlanreize im Asylsystem gekämpft“

Jule Wenzel, Sprecherin für Sozialpolitik der Grünen im Landtag, bezeichnet die Kindergrundsicherung als „richtig und wichtig, denn sie vereinfacht die Antragsstellung dramatisch“. Dennoch übt Wenzel, wie auch die SPD-Fraktion, Kritik an dem fehlenden Zuschlag für Kinder von Asylbewerbern: „Geflüchtete Kinder gegen deutsche Kinder auszuspielen, halte ich für ein falsches Signal, auch, weil es einer schnellen Integration entgegensteht.“ 

Gerade diesen fehlenden Zuschlag lobt dagegen Marcel Hafke von der FDP-Landtagsfraktion: „Wir haben erfolgreich gegen Fehlanreize im Asylsystem gekämpft“, so der familienpolitische Sprecher. Die FDP setze auf gezielte Unterstützung für Qualifizierung und Jobchancen, um Kinderarmut zu bekämpfen. „Die Kindergrundsicherung motiviert zu Ausbildung und Arbeit. Das ist der richtige Weg.“

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