Ende der Maskenpflicht„Corona hat alles in den Schatten gestellt, was wir kannten“

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Intensivstation Klinikum Leverkusen
Schwester Klara Poetsch Foto: Ralf Krieger

Eine Intensivpflegerin auf der Corona-Intensivstation des Leverkusener Klinikums im Dezember 2021. (Symbolbild)

Diese Woche fallen die letzten Corona-Maßnahmen. Ärzte und Pflegekräfte blicken zum Ende der Maskenpflicht zurück.

Über drei Jahre ist es her, seit die Landes- und Bundesregierungen die ersten Corona-Schutzmaßnahmen beschlossen. Lockdown, Rückholaktionen, Schulschließungen, Ausgangssperre, 3G und 2G – das alles scheint lange her. Nun fallen am Freitag auch die letzten Corona-Maßnahmen: Besucher und Patienten in Arztpraxen, Kliniken und Pflegeheimen müssen ab Samstag, 8. April, keine Maske mehr tragen. Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fiel die Maskenpflicht bereits am 1. März, seit dem 1. April sind keine telefonischen Krankschreibungen mehr möglich. 

Die Reaktionen fallen bisher gespalten aus. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung forderte bereits im Februar ein Ende der Maskenpflicht für jeden, auch der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft Gerald Gaß begrüßt den Schritt der Bundesregierung. Die Kliniken könnten nun „individuell eine hauseigene Maskenpflicht verhängen, wenn es den Umständen entspricht“, sagt Gaß. Kritik kommt dagegen von der Deutschen Stiftung Patientenschutz: Es fehle an Strategien, Ketteninfektionen in Pflegeeinrichtungen schnell und zielgerichtet zu unterbrechen, so der Vorstand. Auch die Mediziner und Pflegekräfte aus Köln sehen dem Ende der Maskenpflicht mit gemischten Gefühlen entgegen. 

Stefan Reimers, Pflegedienstleiter Intensivpflege an der Uniklinik Köln

„Ich kann verstehen, dass die Bereitschaft, eine Maske zu tragen sinkt. Niemand weiß mehr genau, wie sich das Infektionsgeschehen verhält, es wird ja kaum noch getestet. Wenn es gefühlt keine Bedrohung mehr gibt, stellt man auch die Sinnhaftigkeit der Maßnahmen in Frage. Im öffentlichen Nahverkehr und in der Klinik habe ich die Maskenpflicht allerdings für sinnvoll gehalten. In vollen Straßenbahnen und in der Klinik trage ich weiterhin eine Maske, außer, wenn ich nur in meinem Büro sitze.

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Wenn wir heute Patienten mit Covid behandeln, ist die Infektion meist eine Begleiterscheinung. Intensivtherapien aufgrund von Corona sind sehr selten geworden. Die Diskussion, ob die Pandemie deshalb beendet ist, überlasse ich den Virologen. Ich kann nur sagen: Die Jahre 2020 bis 2022 waren die anstrengendsten in meinem gesamten Berufsleben. Corona hat alles in den Schatten gestellt, was wir kannten. Ich bin sehr stolz auf die Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich zusammenarbeiten durfte, denn sie alle haben einen fantastischen Job gemacht. Ich glaube, jeder von uns könnte einen abendfüllenden Vortrag darüber halten, was wir erlebt haben. Wenn Sie merken, dass die Intensivbetten nicht ausreichen, dass Desinfektionsmittel so knapp werden, dass selbst Krankenhäuser nichts mehr kriegen, da reibt man sich die Augen. Ob Sie es glauben oder nicht: In Teilen wurde von Besuchern sogar das Desinfektionsmittel aus unseren Spendern geklaut.

Stefan Reimers guckt für ein Porträtfoto in dei Kamera. Er trägt einen Anzug und eine Brille.

Stefan Reimers, Pflegedienstleitung Intensivpflege an der Uniklinik Köln.

Sicherlich wurde in der Pandemie nicht alles richtig gemacht. Aber es wurden Entscheidungen zum Schutz der Bevölkerung gefällt zu einer Zeit, wo man vieles auch nicht besser wusste. Wir haben in den Kliniken gesehen, was die Krankheit mit den Menschen macht. Wir haben die Toten gesehen. Wir haben junge Patienten verloren, Mitte 30, die sich bewusst gegen eine Impfung entschieden haben. Das macht ein Stück weit fassungslos. Was teilweise gesagt wurde, was an Verschwörungstheorien gesponnen wurde – dafür fehlt mir jedes Verständnis.

Ende 2020 ging ich ins neue Jahr und sagte: 2021 wird alles besser. Ende 2021 sagten wir: 2022 wird alles besser. Als das Jahr 2023 bevorstand, sagte ich: Bitte lass es ein ganz normales Jahr werden. Und darauf freue ich mich jetzt: Heute arbeiten wir wieder im Normalbetrieb.“

Mareike Brandt, Leiterin des Pflegeteams der Kinderintensivstation der Uniklinik Köln

„Ich persönlich finde es schön, dass die Maskenpflicht fällt. Gerade in der Kinderpflege ist es wichtig, dass sowohl Kinder und Eltern unsere Gestik und Mimik sehen können. Mit dem Ende der Maskenpflicht kommt auch das Zwischenmenschliche mehr zurück. Ich denke schon, dass wir weiterhin eine Maske tragen, wenn einer von uns verschnupft zur Arbeit kommt, um Ansteckungen von Patienten und Kollegen zu vermeiden – wir kämpfen ja sowieso schon mit Personalknappheit.

Ab dem 8. April müssen auch Eltern, die ihre Kinder besuchen, keine Maske mehr tragen. Das finde ich richtig: Manche Kinder liegen ja ein halbes Jahr bei uns. Da finde ich es schwierig, wenn ein Neugeborenes seine Mutter quasi nur mit Maske kennt.

Mareike Brandt guckt für ein Porträtfoto in die Kamera. Sie trägt ein weißes T-Shirt und einen Dutt.

Mareike Brandt, Teamleiterin auf der pädiatrischen Intensivstation der Uniklinik.

Es kam schon vor, dass auch bei uns auf der Kinderstation Patienten wegen einer Corona-Erkrankung eingeliefert wurden, aber die Infektionen waren bei uns deutlich weniger Thema als auf den Erwachsenenstationen. Der Zusammenhalt zwischen den Mitarbeitern war super, teilweise sind Kollegen aus der Kinderstation auf die Erwachsenenstation gegangen, um dort auszuhelfen. Man ist zusammengerückt, alle haben an einem Strang gezogen. Jetzt bin ich aber froh, dass alles seiner normalen Wege geht.“

Ulrich Schwarz, Leitung stationäre Altenpflege bei der Caritas in Köln

„Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind total erleichtert, dass die Maskenpflicht gefallen ist. Natürlich war die Maskenpflicht wichtig, um das Coronavirus einzudämmen und den Ansteckungsgrad niedrig zu halten. Doch wenn man einem Bewohner beim Duschen hilft und dabei auch noch eine FFP2-Maske tragen muss, ist das wirklich anstrengend. Auch die Bewohnerinnen und Bewohner freuen sich, die Gesichter wieder zu sehen. Teilweise haben sie Mitarbeiter ja nur durch die Maske wahrgenommen und wussten gar nicht, wie sie darunter aussehen.

Ulrich Schwarz, Leitung stationäre Altenpflege bei der Caritas in Köln

Ulrich Schwarz, Leitung stationäre Altenpflege bei der Caritas in Köln

Die Bewohnerinnen und Bewohner stört es nicht, dass die meisten Mitarbeiter keine Maske mehr tragen. Ein paar von uns haben entschieden: Wir haben die Maske so lange getragen, ich mache das jetzt auch noch eine Zeit weiter. Es gibt auch sehr fürsorgliche Angehörige, die weiterhin Maske tragen, auch wenn sie es nun nicht mehr müssen. Es war in den letzten Wochen auch ein etwas schräges Bild: Die Bewohner müssen keine Maske tragen, die Mitarbeiter seit März ebenfalls nicht mehr, Besucher aber schon.

Die Pandemie war eine harte Zeit, aber ich glaube, wir haben sie gut gemeistert. Die Zeit des kompletten Besuchsstopps war sehr schwierig für die Bewohner. Daraus haben wir hoffentlich gelernt, dass man mit solchen Maßnahmen sehr sensibel umgehen muss. Wir freuen uns, dass endlich wieder Normalität eingekehrt ist. Letztes Jahr war man noch zögerlich, was Feste und Aktivitäten anging. Jetzt merkt man: Die Begeisterung ist wieder da, viel zu unternehmen.“

Anselm Bönte, Kinderarzt

„Das Ende der Maskenpflicht ist für mich logisch. Die endemische Phase ist da, die vulnerablen Gruppen sind durchseucht oder geimpft, Corona ist durch Omikron ein ‚normales’ Virus geworden. In Arztpraxen galt seit März die Regelung, dass Patienten eine Maske tragen müssen, wir aber nicht mehr. Das finde ich schwierig. Wir haben uns im Team besprochen und beschlossen, dass wir die Maske weiterhin tragen, um uns vor Infekten zu schützen. In hochsensiblen medizinischen Bereichen gibt es ja schon lange eine Maskenpflicht, im OP-Saal zum Beispiel. In einem semisensiblen Bereich wie unserer Arztpraxis entscheiden wir jetzt nach Infektionslage, Jahreszeit und Stimmungsbild.

Anselm Bönte guckt in die Kamera. An der Wand hinter ihm ist eine Kinderzeichnung

Anselm Bönte hat eine Kinderarztpraxis in Köln-Lindenthal.

Die meisten Kinder bei uns in der Praxis haben die Maske stets mit sehr viel stolz getragen. Auch nach der Impfung hatten viele ein Lächeln auf dem Gesicht, wenn wir ihnen ein buntes Pflaster auf den Arm geklebt haben. Trotzdem glaube ich, dass wir während Corona riesige Fehler gemacht haben. In Sülz habe ich einen Kinderspielplatz mit rot-weißem Flatterband abgesperrt gesehen, erste Studien belegen ja, was die Jugendlichen im Lockdown alles durchlitten haben. Die Pandemie hat uns geprägt, sie war anstrengend und hat einen verändert.“

Saskia Voigt, leitende Medizinische Fachangestellte in der Kinderarztpraxis von Anselm Bönte

„Ich persönlich finde, dass die Maskenpflicht in Arztpraxen und Pflegeeinrichtungen bestehen bleiben sollte. Man schützt sich und andere dadurch, nicht nur gegen Corona, sondern auch gegen Infekte wie Scharlach. Natürlich ist es mit Maske schwieriger, ein Lächeln aus kleinen Kindern herauszubekommen. Bei älteren Kindern ist die Kommunikation mit Maske deutlich einfacher.

Wenn man in einer Kinderarztpraxis arbeitet, wird man natürlich schnell krank. Seit ich auf der Arbeit eine Maske trage, habe ich deutlich seltener Halsschmerzen, eine laufende Nase oder eine Nebenhöhlenentzündung. Außerhalb der Arbeit trage ich gar keine Maske mehr, doch hier werde ich sie aufbehalten. Man ist einfach deutlich geschützter.“

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