Am Dienstag stellte der Ministerpräsident in Düsseldorf seine Pläne für die Zukunft NRWs vor. Bund und Länder forderte er zu „Mut zu einem Mentalitätswechsel“ auf. Von der Opposition gab es Kritik.
„Mit Realität wenig zu tun“Hendrik Wüst stellt Zukunftspläne für NRW vor

Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, macht sich auf einer Presskonferenz im Landtag Notizen.
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Wenn sich der Ministerpräsident turnusmäßig den Fragen der Landespressekonferenz in Düsseldorf zu aktuellen Themen stellt, wird der Termin von der Staatskanzlei stets umfassend vorbereitet. Die Art und Weise, wie Hendrik Wüst (CDU) auch auf Kritik und Nachfragen reagiert, wird als politischer Formtest gewertet.
Mit einem langen Eingangsstatement lässt sich gut Zeit von der Uhr nehmen, diesmal beließ es Wüst bei einem 30-minütigen Impulsvortrag. Erwartungsgemäß mischten sich mahnende Worte zum Zustand des Gemeinwesens mit Eigenlob.
NRW-Regierungsstil als Vorbild für Berlin
Wüst forderte Bund und Länder auf, „Mut zu einem Mentalitätswechsel“ zu zeigen. Angesichts eines zunehmenden Vertrauensverlusts der Bürger in die Handlungsfähigkeit des Staates seien Modernisierungen und Beschleunigungen staatlicher Entscheidungsprozesse unumgänglich. Politik müsse unter Beweis stellen, dass sich „die Dinge zum Besseren wenden“ ließen. Dabei sei es wichtig, „Kraft und Zeit in Lösung zu stecken“ - und nicht in öffentliche Auseinandersetzungen.
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Indirekt empfahl Wüst der Bundesregierung damit, sich den geräuschlosen Regierungsstil von CDU und Grünen in NRW zum Vorbild zu nehmen. Der sei die Grundlage für Fortschritte, die die Bürger im Alltag feststellen könnten.
So sei die Krankenhausreform von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) ein „Riesenerfolg“. Auch im Bereich Schule und Bildung sowie in der Sicherheitspolitik hätten sich die Kennzahlen seit der Regierungsbildung von CDU und Grünen im Jahr 2022 deutlich verbessert.
Kritik am Fehlstart der Merz-Regierung
Wüst erklärte, in den vergangenen Wochen und Monaten seien Fehler in Berlin „gemacht und benannt“ worden. „Jetzt wird daran gearbeitet, dass sich das nicht wiederholt“, sagte der Ministerpräsident. Politik könne einen Unterschied machen, wenn sie „ohne großen Streit und Getöse“ unterwegs sei. „Der Bundeskanzler hat für seine Arbeit für eine stabile, handlungsfähige Bundesregierung jede Unterstützung verdient“, sagte Wüst.

Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, spricht auf einer Presskonferenz im Landtag.
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Zuversicht bei Olympia-Bewerbung
Wüst erneuerte seine Zuversicht, dass eine Olympia-Kandidatur von NRW diesmal erfolgreich sein kann. „Unser Konzept sieht zu 100 Prozent schon bestehende und temporäre Sportstätten vor, keine Neubauten“, erklärte der Ministerpräsident. „Nach Olympia und Paralympischen Spielen werden in Nordrhein-Westfalen keine weißen Elefanten irgendwo auf der grünen Wiese herumstehen“.
Momentan sei davon auszugehen, dass das Land 14 Millionen Tickets anbieten könne - „ein absoluter olympischer Spitzenwert“. Für den 19. April 2026 sind in NRW Bürgerentscheide über Olympische und Paralympische Spiele in den 17 teilnehmenden Städten und Kommunen angesetzt. „Niemand bezieht mehr Städte ein, niemand bezieht mehr Menschen ein“, unterstrich Wüst.
Wüst will Deutschland flottmachen
Bei einem Gipfeltreffen in der Berliner Landesvertretung will Wüst am nächsten Montag konkrete Vorschläge für schnellere Verfahren, eine digitalere Verwaltung, weniger Bürokratie und für bessere Rechtsetzung vorlegen.
Eine grundlegende Staatsmodernisierung sei nur zu erreichen, wenn stärker gebündelt, vereinfacht und standardisiert werde. „Es kann jetzt nicht einfach jeder an seinen Zuständigeiten festhalten“, erklärte Wüst. Er sei bereit, auch Kompetenzen an den Bund abzugeben, wenn es dann gemeinsam besser gelinge, „Deutschland flottzumachen“.
Wüst will Reform der Rentenreform
Im Streit um das geplante Rentenpaket der Bundesregierung forderte der Ministerpräsident eine Lösung, bei der auch die Perspektiven der jüngeren Generation berücksichtigt werden. Die Rente müsse für ältere Menschen ebenso verlässlich sein wie für die junge Generation.
Die jungen Bundestagsabgeordneten argumentierten mit ihrer Kritik an den hohen Kosten der Rentenpläne nicht in eigener Sache, sondern formulierten „Ansprüche an Nachhaltigkeit, die eigentlich allen Generationen am Herzen liegen“ sollten. Er habe den Eindruck, dass sich immer mehr Beteiligte im öffentlichen Diskurs missverstehen wollen, „um dann gleich die nächste Empörungssau durchs Dorf zu treiben“. Der Dauerstreit verhindere, dass große Themen angefasst würden.
Mehr Geld für Frauenhäuser?
Mit Blick auf den „Orange Day“, der auf die Gewalt gegen Frauen aufmerksam macht, sagte Wüst, ihn „erschrecke die Dimension von Gewalterfahrungen“ in Ehen und Partnerschaften. „Ich bin dankbar und auch ein Stück demütig, wenn ich sehe, dass es immer mehr auch teilweise prominente Frauen gibt, die sich mit ihren Gewaltgeschichten in die Öffentlichkeit trauen.“
Auf den Vorhalt, dass es in NRW zu wenig Plätze in Frauenhäusern gebe, sagte der Ministerpräsident. „Wir tun, was wir können.“ Wenn mehr getan werden müsse, dann müsse geprüft werden, was möglich sei.
Hält Wüst an Flüchtlingsministerin Josefine Paul fest?
Wüst hatte nach dem Terroranschlag in Solingen im Sommer 2024 absolute Transparenz bei der Aufklärung versprochen. Gleichzeitig wartet der Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA), der ein mögliches Regierungsversagen bei der Aufarbeitung beleuchten soll, bis heute auf vollständige Einsicht der Mail-Kommunikation im Flüchtlingsministerium.
Die Opposition wirft Paul vor, den PUA zu blockieren. Fraktionskreise von CDU und Grünen sehen der Vernehmung von Ministerin Paul mit gemischten Gefühlen entgegen. Wie er zu der umstrittenen Performance der Grünen-Politikerin stehe, will sich Wüst nicht entlocken lassen. „Die Ministerin wird dem PUA alle Fragen beantworten“, sagte er lediglich.
Wie bewertet die Opposition den Wüst-Auftritt?
Henning Höne, Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion, erklärte, Wüst habe ein Bild gezeichnet, „das mit der Realität der Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Kommunen in NRW wenig zu tun“ habe. Während der Ministerpräsident von Modernisierung spreche, habe „seine Landesregierung der Wirtschaft den Stecker gezogen.“
Jochen Ott, Chef der SPD-Fraktion im Landtag erklärte, Wüst versuche sich mit seiner Modernisierungsagenda vor allem „bundespolitisch in Szene“ zu setzen. Die Bundeshauptstadt solle als Show-Bühne dienen, während in NRW die großen Aufgaben liegen blieben. „Dass Hendrik Wüst im Jahr 2025 bisher nur ein einziges Mal im Landtag geredet hat, dafür aber häufiger in Talkshows präsent war, ist dafür ein weiteres Zeichen“, sagte Ott.


