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Symbol des Klima-Protests am TagebauLützerath wird in diesem Jahr nicht mehr geräumt

Lesezeit 4 Minuten
Lützerath von oben gesehen: Bei einer Demonstration in Lützerath ziehen mehrere Hundert Teilnehmer mit Banner durch das Dorf.

Die Proteste reißen nicht ab: Klimaaktivisten kämpfen weiter um den Erhalt von Lützerath. Bei einer Demonstration am 6. November zogen mehrere Hundert Teilnehmer mit Banner durch das Dorf.

Klimaaktivisten haben die Hoffnung, die Ortschaft Lützerath am Tagebau doch noch retten zu können. Die Landesregierung von NRW prüft den neuen Betriebsplan von RWE.

Die Räumung des von rund 100 Klimaaktivisten und Umweltschützern besetzten Dorfs Lützerath im Braunkohletagebau Garzweiler II wird nach Angaben des Aachener Polizeipräsidenten Dirk Weinspach in diesem Jahr nicht mehr erfolgen.

„Angesichts der benötigten Vorbereitungszeit von mehreren Wochen ist das Zeitfenster für einen verantwortungsvollen und fachlich gut vorbereiteten Einsatz im laufenden Jahr 2022 bereits geschlossen“, sagte Weinspach am Montag auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Eine mögliche Räumung müsste bis Ende Februar 2023 abgeschlossen sein. So lange dauert die Rodungssaison.

Klimaaktivisten hoffen weiter auf Rettung

Nach Angaben der Landesregierung hat der Konzern bei den zuständigen Behörden bereits Anträge gestellt, Lützerath räumen zu lassen. Die Prüfung sei noch nicht abgeschlossen.

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Der RWE-Konzern hatte bereits im März 2022 bei der Bezirksregierung Arnsberg einen neuen Hauptbetriebsplan für die Weiterführung des Tagesbaus ab Januar 2023 beantragt, der auch die Abbaggerung der Ortschaft Lützerath beinhaltet.

Im Oktober hatte RWE mit der schwarz-grünen Landesregierung eine Vereinbarung zum vorzeitigen Kohleausstieg im Jahr 2030 abgeschlossen. Sie garantiert den Erhalt von fünf Dörfern im Tagebaugebiet. Lützerath ist jedoch nicht darunter.

Vor neuer Leitentscheidung keine Fakten schaffen

Aus Sicht der Klimaaktivisten sind die Chancen, das Dorf doch noch zu retten, deutlich gestiegen. Sie sprechen sogar von einer „entscheidenden Wende“. Der neue Hauptbetriebsplan werde derzeit noch von der Landesregierung geprüft, sagt der auf Umwelt- und Bergrecht spezialisierte Anwalt Dirk Teßmer, der die Initiative „Menschen vor Bergrecht“ vertritt. Er soll im Januar in Kraft treten. Das müsse aber nicht sein.

NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) habe, so Teßmer durchaus die Möglichkeit, den alten Plan zu verlängern und sich von den „geschaffenen Pfadabhängigkeiten der Vorgängerregierung zu lösen“. Das Bergamt Arnsberg untersteht der Aufsicht des Wirtschaftsministeriums. Es mache keinen Sinn, vor der geplanten neuen Leitentscheidung über die Braunkohle Fakten zu schaffen, sagt Teßmer.

Die soll laut Neubaur im kommenden Jahr noch vor der Sommerpause vom Landtag verabschiedet werden und die endgültigen Grenzen des Braunkohletagebaus im Rheinischen Revier einschließlich der bis 2030 noch geförderten Kohlemenge enthalten.

„Das Bergamt in Arnsberg könnte von RWE verlangen, einen neuen Hauptbetriebsplan vorzulegen, der zunächst den Abbau der Kohle vorsieht, die unter Immerath lagert und sich nicht auf Lützerath erstreckt“, sagt Teßmer. Mögliche Entschädigungsansprüche als Folge dieser veränderten Planung könne er nicht erkennen.

Umweltschützer fordern ein Moratorium für das Dorf

Ein solches Moratorium für Lützerath kann aus Sicht des Bündnisses  „Alle Dörfer bleiben“ den „sozialen Frieden bewahren“ und habe auf die Sicherheit der Energieversorgung keine Auswirkungen. „Die förderbaren Kohlemengen reichen auch ohne die Inanspruchnahme von Lützerath noch für Jahre. Die Landesregierung muss diese Möglichkeit beim Schopf packen“, sagt Christopher Laumanns, Sprecher von Alle Dörfer bleiben.

Unter dem bereits abgerissenen Dorf Immerath lagerten noch 150 Millionen Tonnen Kohle, auf die RWE zugreifen könne.

Auch wenn dieser Weg für eine grüne Wirtschaftsministerin politisch sicherlich gangbar wäre, sieht sie aus formalen Gründen keine Chance, ihn zu beschreiten.

Der neue Hauptbetriebsplan liege der Bergbehörde seit März 2022 vor und werde zwar noch geprüft. Es gebe aber keinen Ermessensspielraum. „Bei der Entscheidung über den Antrag auf Zulassung des Hauptbetriebsplans für 2023 bis 2025 handelt es sich, wie bei allen Hauptbetriebsplänen, um eine gebundene Entscheidung. Das heißt, die Zulassung ist zu erteilen, wenn die im Bundesberggesetz festgelegten Zulassungsvoraussetzungen erfüllt sind“, teilt das Wirtschaftsministerium auf Anfrage mit. Auch der neue Plan sehe das Abbaggern von Lützerath vor.

Wirtschaftsministerin sieht keinen Ermessensspielraum

Das Wirtschaftsministerium habe mehrere unabhängige Fachgutachten beauftragt. Danach sei „ein Erhalt der von der Ursprungseinwohnerschaft komplett verlassenen Siedlung Lützerath aus unterschiedlichen Gründen nicht möglich. Andernfalls könnten die für die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit in den kommenden acht Jahren notwendige Fördermengen nicht erreicht, die Stabilität des Tagebaus nicht gewährleistet und die notwendigen Rekultivierungen nicht durchgeführt werden.“

Die Landesregierung habe daher „mit Blick auf die Versorgungssicherheit sowie Tagebau planerische, bergbautechnische und wasserwirtschaftliche Aspekte festgestellt, dass die Inanspruchnahme der Ortslage Lützerath auch beim Kohleausstieg 2030 weiterhin erforderlich ist.“

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