Ein ehemaliger Pfleger, der in Aachen wegen zehnfachen Mordes verurteilt wurde, soll auch im städtischen Klinikum Merheim getötet haben.
Mehrere FälleKölner Klinikpatienten exhumiert – Ex-Pfleger unter Mordverdacht

Der Angeklagte Krankenpfleger (M) steht mit einem Aktenordner vor dem Gesicht neben seinem Anwalt Volker Breyer (r) im Gerichtssaal. Das Aachener Landgericht hat Ulrich S. vor einem Monat wegen des Mordes an zehn Patienten zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
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Im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen einen wegen Morden an Patienten verurteilten Krankenpfleger hat die Kölner Staatsanwaltschaft zwei Leichen exhumieren lassen. Eine weitere Exhumierung ist geplant. Dies bestätigte Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Er gehe davon aus, dass es „auch künftig noch weitere Exhumierungen in diesem Verfahrenskomplex geben wird“.
Die Ermittlungen könnten sich somit zum größten Mordverfahren in der Kölner Nachkriegsgeschichte ausdehnen. Zur Klinik, in der die Verstorbenen womöglich getötet wurden, wollte Bremer sich nicht äußern. Nach Informationen dieser Zeitung handelt es sich um ehemalige Patientinnen des Klinikums Köln-Merheim. In dem Krankenhaus sowie in der städtischen Zentralverwaltung der Kölner Kliniken und den Geschäftsräumen eines IT-Dienstleisters in Münster sind deshalb dem Vernehmen nach bereits im Juli dieses Jahres bei Durchsuchungen zahlreiche Datenträger und Dokumente sichergestellt worden.
Beschuldigter soll unbefugt hohe Dosen Morphin verabreicht haben
Das erste mutmaßliche Opfer sei am 21. Oktober auf einem Friedhof in Hürth exhumiert worden, bestätigte die Staatsanwaltschaft jetzt. Die 94-jährige Frau sei im November 2018 „in palliativer Behandlung“ gewesen, als sie plötzlich verstarb. „Es besteht der Verdacht, dass der Beschuldigte der Patientin während seiner Spätschicht unbefugt erhöhte Dosen Morphin verabreicht hat – ohne ärztliche Verordnung“, so Bremer. Am 18. Dezember sei eine zweite Patientin auf einem Kölner Friedhof exhumiert worden. Die damals 78-Jährige sei im März 2015 verstorben.
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„Auch hier besteht der Anfangsverdacht, dass der Beschuldigte während seiner Spätschicht unbefugt Morphin in Kombination mit weiteren Medikamenten verabreicht hat, die sich lebensverkürzend ausgewirkt haben könnten“, sagte Bremer. Der Oberstaatsanwalt betonte, dass den Verantwortlichen in seiner Behörde bewusst sei, dass die Störung der Totenruhe „für Angehörige außerordentlich belastend“ sei.
Exhumierungen auf Friedhöfen in Köln und Hürth
Die Maßnahmen seien „aber leider unbedingt nötig, um etwaige Beweise zum Nachweis eines Tötungsdelikts sichern zu können“. Die Untersuchung der sterblichen Überreste würde „der Klärung dienen, ob erhöhte Gaben sedierender Medikamente todesursächlich und lebensverkürzend waren“. Die Ergebnisse der chemisch-toxikologischen Untersuchungen stünden noch aus.
Anfang November ist der beschuldigte Pfleger vom Landgericht Aachen wegen zehnfachen Mordes und 27-fachen Mordversuchs zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Begangen wurden die in Rede stehenden Taten zwischen Dezember 2023 und Mai 2024 auf der Palliativstation des Rhein-Maas-Klinikums Würselen. Im Nachtdienst des Krankenhauses hat der heute 44-Jährige nach Überzeugung des Gerichts eigenmächtig überhöhte Mengen an Beruhigungsmitteln verabreicht, weil er seine Ruhe haben wollte.
Der Beschuldigte hat sieben Jahre in Köln gearbeitet
Vor seiner Beschäftigung in Würselen hat der Beschuldigte im städtischen Krankenhaus im Kölner Stadtteil Merheim gearbeitet. Nach den Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ war er dort etwa sieben Jahre tätig. Zunächst zwischen April 2010 und Januar 2011. Und dann noch einmal zwischen Februar 2014 und September 2020. Unterlagen zufolge, die unsere Redaktion einsehen konnte, wurde er zunächst auf der Inneren und in der Neurologie eingesetzt, wechselte dann in die Neurochirurgie, arbeitete anschließend in der Neuro-/ Viszeral- und Gefäßchirurgie, um ab November 2019 wieder in der Neurochirurgie zu landen.

Vor der Urteilsverkündung im Aachener Landgericht wird Ulrich S. von zwei Justiz-Wachmännern in den Saal geführt. Der Angeklagte verdeckt dabei sein Gesicht mit einem Aktenordner.
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„Natürlich benötigt die Staatsanwaltschaft im Rahmen ihrer Ermittlungen auch Daten und Unterlagen aus unserem Hause“, sagte René Hartmann, Sprecher der Kölner Kliniken, vor einigen Wochen auf Anfrage: „Natürlich müssen etwa auch Patientenunterlagen sichergestellt und ausgewertet werden.“ Diese hätte das Klinikum „von Beginn an selbstverständlich zu jeder Zeit herausgegeben, um eine lückenlose Aufklärung des Sachverhalts durch die Staatsanwaltschaft bestmöglich zu ermöglichen“.
Auch die Ermittlungen in Aachen laufen nach dem Urteilsspruch weiter
Schlafen sei doch „die beste Medizin“, hat Ulrich S. zu seiner Verteidigung im Prozess vor dem Landgericht Aachen gesagt. Es tue ihm leid, wenn er in seiner „Unbedarftheit“ die Gefährlichkeit der von ihm verabreichten Beruhigungsmittel unterschätzt habe, ergänzte der Krankenpfleger.
Doch wirkliche Reue oder gar Empathie mit seinen Opfern hat ihm vor Gericht wohl niemand abgenommen. Meist äußerlich teilnahmslos, gelegentlich aber auch herrisch und für Beobachter mit einer Mischung aus Selbstmitleid und Größenwahn, war der 44-Jährige in den vergangenen sieben Monaten und 29 Verhandlungstagen aufgetreten. Wegen zehnfachen Mordes und 27-fachen Mordversuchs er vor etwa einem Monat zu in Aachen einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Zudem wurde die „besondere Schwere der Schuld“ festgestellt. Das bedeutet: Eine Freilassung nach 15 Jahren wird es nicht geben.
Ermittler analysierten beschlagnahmte Dienstpläne und Medikamentenlisten
Verurteilt wurde S. wegen Taten, die er zwischen Dezember 2023 und Mai 2024 begangen haben soll. Die Sonderkommission der Polizei Aachen wurde deshalb noch nicht aufgelöst. Sie sucht nach weiteren verdächtigen Todesfällen, die sich außerhalb des angeklagten Zeitraums ereignet haben könnten. Dabei ist sie jetzt schon auf monströs viele Verstorbene gestoßen, berichtet die „Aachener Zeitung“.
Vor seiner Beschäftigung in Würselen hat Ulrich S. im städtischen Krankenhaus im Kölner Stadtteil Merheim gearbeitet. Nach den Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ war er dort etwa sieben Jahre tätig. Zunächst zwischen April 2010 und Januar 2011. Und dann noch einmal zwischen Februar 2014 und September 2020. Unterlagen zufolge, die unsere Redaktion einsehen konnte, wurde er zunächst auf der Inneren und in der Neurologie eingesetzt, wechselte dann in die Neurochirurgie, arbeitete anschließend in der Neuro-/ Viszeral- und Gefäßchirurgie, um ab November 2019 wieder in der Neurochirurgie zu landen.
Bei der Auswertung der im Klinikum Merheim beschlagnahmten Unterlagen haben sich die Ermittler dem Vernehmen nach zunächst auf die Dienstpläne und Medikamentenlisten aus diesen Jahren konzentriert. In Würselen war S. letztlich aufgefallen, weil in seinen Nachtschichten überraschend viele Patienten gestorben waren. Zudem hatte sich während seiner Zeit der Gebrauch des Narkosemittels Midazolam vervielfacht.
Klinik Merheim stellte Ulrich S. ein gutes Zeugnis aus
Wie berichtet, war der Pfleger auch in Köln schon wegen seines laxen Umgangs mit Medikamenten, respektloser Äußerungen über Patienten und seines herrischen Auftretens gegenüber Kollegen aufgefallen. Im Juni 2020 einigte man sich schließlich auf einen Auflösungsvertrag. Trotz der internen Kritik stellte die Klinik ihm ein gutes Arbeitszeugnis aus. Das Papier wurde im Prozess vor dem Landgericht Aachen verlesen. Der Ex-Mitarbeiter verfüge unter anderem über „große Einsatzfreude“, eine „schnelle Auffassungsgabe“ und sei „in hohem Maße zuverlässig“, schrieben seine Merheimer Vorgesetzten demnach.
Von Köln wechselte S. anschließend auf die Palliativstation des Rhein-Maas-Klinikums in Würselen.

