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Länger als sechs Monate2800 Beamte in NRW sind dauerkrank

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ARCHIV - 11.01.2021, Berlin: In einem Klassenzimmer des John-Lennon-Gymnasiums in Prenzlauer Berg stehen die Stühle auf den Tischen. Die Schule war wegen Corona geschlossen. (zu dpa "Lauterbach wälzt Schulschließungen auf Wissenschaft ab - zu Recht?") Foto: Annette Riedl/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Die Hälfte der längeren Krankschreibungen entfällt auf die Zuständigkeit des Schulressorts.

Nur gut die Hälfte der mehr als sechs Monate Dienstunfähigen wurde vom Amtsarzt untersucht.

Fast 2800 Landesbeamte in Nordrhein-Westfalen sind derzeit seit länger als einem halben Jahr dienstunfähig gemeldet. Nur 1552 von ihnen mussten sich bisher amtsärztlich untersuchen lassen. Das geht aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage der FDP an den Unterausschuss Personal des Landtags hervor, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt. 115 der Beschäftigten seien seit mehr als drei Jahren und weitere 41 seit mehr als fünf Jahren krankgeschrieben. Jeder sechste Ausfalltag bei den 282.000 Staatsbediensteten geht damit auf das Konto von Langzeiterkrankten.

Fast die Hälfte der längeren Krankschreibungen entfällt auf das Zuständigkeitsgebiet des Schulressorts mit 1388 Fällen. 772 Lehrerinnen und Lehrer mussten den Amtsarzt aufsuchen. Das Justizressort meldete 550 dauerhaft erkrankte Beamte, knapp 80 Prozent wurden zur Untersuchung bestellt. Anders beim Ministerium der Finanzen: Hier mussten weniger als die Hälfte der 241 Langzeiterkrankten zum Amtsarzt. Das Schlusslicht bildet das Landesinnenministerium mit 39 Prozent der 568 Langzeitkranken.

1600 Beamte aus Dienst entlassen

Laut dem Ministeriumsreport wurden zwischen 2023 und 2025 knapp 1600 Beamtinnen und Beamte nach einem Besuch beim Amtsarzt aus dem Dienst entlassen. 64 Landesbeamte hätten dagegen geklagt, sich medizinisch begutachten zu lassen, so etwa jene Lehrerin aus Duisburg, die seit 16 Jahren krankgeschrieben ist.

Alles zum Thema Hendrik Wüst

Das Beamtenstatusgesetz sieht vor, dass Beamte, die im Zeitraum eines halben Jahres insgesamt drei Monate krankheitsbedingt keinen Dienst verrichten konnten, zu einem Besuch beim Amtsarzt verpflichtet werden können. Allerdings hängt diese Entscheidung vom Dienstherrn ab.

Die niedrige Zahl amtsärztlicher Besuche gerade auch bei Polizeibeamten erklärt das Haus des Innenministers Herbert Reul mit mehreren Faktoren. Auf die sogenannten Verfahren „der Polizeidienstunfähigkeit“ (PDU) verzichtet der Dienstherr, wenn der Polizist mit einem Attest nachweist, dass er binnen sechs Monaten wieder arbeiten kann. Für diese Betroffenen hat das Landesamt für Aus-, Fortbildung und Personalangelegenheiten (LAFP) eine eigene Zentralstelle für das „Betriebliche Eingliederungsmanagement“ geschaffen. In der Praxis verzichtet die zuständige Behörde auch bei Krebsdiagnosen oder anderen lebensbedrohlichen Schädigungen, die etwa von einem Einsatz herrühren, darauf, eine amtsärztliche Untersuchung anzuordnen.

Innenminister Reul will genauer hinsehen

Dennoch scheint aus Sicht Reuls nicht alles zum Besten zu stehen. Der CDU-Minister will mit Blick auf die neu zusammengetragenen Erkenntnisse die Polizeidienststellen nochmals sensibilisieren, näher auf die Fälle Langzeiterkrankter einzugehen. So soll das LAFP berichten, warum zahlreiche Fälle von Dauerausfällen immer noch nicht zu einem Ausscheiden aus dem Dienst geführt haben. „Weiter wird sichergestellt, dass Nebentätigkeiten in der Krankheit bereits in der Erstgenehmigung zu untersagen sind.“

FDP-Fraktionsvize Ralf Witzel stellt vor dem Hintergrund der Antwort der Landesregierung die Frage, „warum die amtsärztlichen Untersuchungen der länger erkrankten Beamten in so geringer Zahl ausfallen?“ Witzel fordert einheitliche, landesweite Standards im Umgang mit Langzeitkrankheitsfällen. „Es ist ja nicht so, dass jeder Fall gleich zu behandeln ist. Bei Polizeibeamten etwa, die bei einem Einsatz verletzt wurden, jahrelang darunter leiden und sich Heilbehandlungen unterziehen müssen, ist es gewiss anders, als bei jenen, die sich eine Schonhaltung angewöhnt haben, so wie jene Lehrerin, die 16 Jahre lang krankgeschrieben war“, konstatiert der FDP-Politiker. „Es kann nicht sein, dass diese Klientel so einfach durch das System hindurchschlüpfen kann.“

Ähnlich fällt das Fazit von Stefan Zimkeit, Fraktionssprecher der SPD für Personal und Landesverwaltung, aus: „Die Zahlen lassen natürlich aufhorchen. Wenn so viele Landesbeamtinnen und Landesbeamte langzeiterkrankt sind, dann muss sich die Landesregierung schnellstmöglich die Frage nach den Ursachen stellen und Antworten darauf finden.“ Zimkeit fragt: „Wie kann es sein, dass die Quoten der amtsärztlichen Begutachtungen in den verschiedenen Ministerien so unterschiedlich hoch sind? Warum gibt es da keine klare Linie, mit der für alle der gleiche Maßstab angesetzt wird?“ Das sei ungerecht, Ministerpräsident Hendrik Wüst müsse sich dem Thema widmen. Sonst entstehe „ein Bild der reinen Willkür, und das wäre in jeder Hinsicht schädlich – für die Betroffenen, aber vor allem auch für die Landesregierung selbst“.