Räumung von LützerathPolitiker kritisieren vereinzelte Angriffe auf Polizisten

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Polizisten mit Ausrüstung und Helmen stehen in einer Gruppe vor Bretterhütten, die Aktivisten aufgebaut haben. Auf einem Podest an den Hütten befinden sich mehrere Aktivisten.

Polizisten stehen bei der Räumung von Lützerath vor Bretterhütten. Die Räumung des Ortes hat am Mittwoch (11.01.2023) begonnen.

Die Polizei hat am Mittwochmorgen mit der Lützerath begonnen. Vereinzelt flogen Steine, Flaschen und Molotow-Cocktails, meist blieb es jedoch friedlich.

Der Beginn der Räumung des Braunkohledorfs Lützerath im Tagebau Garzweiler II ist am Mittwoch deutlich reibungsloser abgelaufen als befürchtet. Rund 1000 Polizisten aus dem gesamten Bundesgebiet hatten am Mittwoch gegen 8.30 Uhr mit der Räumung des Geländes begonnen und waren dabei äußerst zurückhaltend vorgegangen.

Es kam zwar zu vereinzelten Würfen mit Steinen und Flaschen, zwei Molotow-Cocktails flogen, es wurde aber niemand verletzt. Die Taktik des Aachener Polizeipräsidenten Dirk Weinspach, äußerst defensiv und deeskalierend vorzugehen, ging auf. Ein Großteil der Besetzer folgte der Aufforderung der Polizei und verließ das Gelände freiwillig.

Dieses wurde mit im Laufe des Einsatzes mit einem 1,5 Kilometer langen Zaun abgeschlossen, der von Sicherheitskräften bewacht wird. Damit will die Polizei verhindern, dass Klimaaktivisten auf das Gelände zurückkehren. Am Nachmittag harrten nach Schätzungen der Polizei noch rund 200 Demonstranten auf dem Gelände aus, die meisten von ihnen in Baumhäusern oder auf anderen Konstruktionen in Höhen von bis zu zehn Metern.

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Greta Thunberg will am Samstag nach Lützerath kommen

„Die Menschen sind fest entschlossen dazubleiben, auszuharren, die Bäume und die Gebäude zu schützen“, sagte Mara Sauer, eine Sprecherin der Initiative „Lützerath lebt“. Ab Mittag hatte die Polizei damit begonnen, Aktivisten von Bäumen und Podesten zu holen. Am Ortseingang von Lützerath begannen Bagger mit Abrissarbeiten. Später warfen Beamte kleine Holzhäuser auf Stelzen um. Wann der Einsatz beendet sein wird, ist noch unklar.

Am Donnerstag könnten ein Sondereinsatzkommando und Höhenretter angefordert werden. Am kommenden Samstag, 14. Januar wird es auf einem benachbarten Gelände, das von der Polizei eigens hergerichtet wurde, eine Großdemonstration geben, zu der auch die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg erwartet wird.

Innenminister Herbert Reul steht vor einer blauen Wand, auf der groß, unscharf im Hintergrund, das Wort „Polizei“ steht.

Herbert Reul (CDU), Innenminister von NRW, verurteilt Gewalt gegen die Polizisten in Lützerath.

Währen eine Sprecherin der Aktivisten der Polizei einen überharten Einsatz vorwarf, kritisierte NRW-Innenminister Herbert Reul Angriffe auf Beamte. Dies mache ihn „einfach nur fassungslos und betroffen“. Er appellierte an die verbliebenen Protestierenden, das Gelände freiwillig zu verlassen, so wie es „viele Vernünftige“ am Mittwoch „richtig vorgemacht“ hätten. Der Einsatz verlaufe bislang planmäßig, er wolle aber keine „voreiligen Schlüsse“ ziehen.

Habeck verteidigt Abriss von Lützerath

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck verteidigte die Vereinbarung für den Kohleausstieg im Westen und die Aufgabe des Ortes Lützerath. „Es ist die richtige Entscheidung, es ist eine gute Entscheidung für den Klimaschutz“, sagte der Grünen-Politiker. „Es beendet verbindlich die Abbaggerei im Rheinischen Revier ab 2030“. Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Hebestreit, sagte, es gebe eine „eindeutige Rechtslage, was Lützerath angeht, und die gilt es zu akzeptieren“.

Auch wenn der erste Räumungstag in Lützerath deutlich friedlicher verlief als erwartet, kam es vereinzelt zu Gewaltausbrüchen, Molotow-Cocktails und Steine flogen auf die vorrückenden Einsatzkräfte. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kritisierte zudem die vielfältigen Gefahrenquellen auf dem Gelände.

Polizisten in Schutzmontur stehen hinter Barrikaden der Klimaschützern. Vor ihnen hat sich, vermutlich durch Böller, roter Rauch gebildet.

Polizisten rücken in den von Klimaaktivisten besetzten Braunkohleort Lützerath vor.

„Wer brennende Barrikaden errichtet oder sich in wackligen Baumhäusern versteckt, bringt sich selbst und die Einsatzkräfte in große Gefahr. Das ist verantwortungslos. Ich habe null Verständnis für Gewalt – und null Verständnis dafür, politische Fragen auf dem Rücken von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten auszutragen“, sagte sie am Mittwoch in Berlin.

Kutschaty kritisiert Wüst

An die Adresse der Aktivisten von Fridays for Future gerichtet, sagte CDU-Chef Friedrich Merz: „Jeder hat in Deutschland das Recht, friedlich zu demonstrieren. Molotow-Cocktails auf Einsatzkräfte oder Steine auf Polizistinnen und Polizisten zu werfen, sind aber bewusst verübte Straftaten, die Menschenleben gefährden.“ Grünen-Abgeordnete vor Ort und Luisa Neubauer forderte Merz auf, sich klar gegen Gewalt auszusprechen und Demonstranten bei Ausschreitungen von gefährlichen Straftaten abzuhalten. „Wer zuguckt, nichts sagt oder ermuntert, macht sich mitschuldig“, so Merz.

Thomas Kutschaty, SPD-Fraktionschef im NRW-Landtag, kritisierte Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU): „Mitten in NRW tobt eine heftige Auseinandersetzung um die Zukunft unseres Landes. Aber der Ministerpräsident hat bisher keine Worte dazu gefunden. Dabei war es seine schwarz-grüne Landesregierung, die die politische Entscheidung getroffen hat, dass die Kohle unter Lützerath abgebaggert werden muss.“ Es sei an Wüst, die Interessen auszugleichen. „Dieser Verantwortung ist er offenbar nicht gerecht geworden“, so Kutschaty.

Drei Polizisten greifen eine Demonstrantin, die auf einem Stuhl sitzt, an den Beinen und Armen, um sie wegzutragen.

Polizisten tragen bei der Räumung von Lützerath eine Demonstrantin fort.

Nordrhein-Westfalens Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) verteidigte den Kompromiss, der das Abbaggern der Kohle unter Lützerath beinhaltet, dagegen als wichtigen „Schritt in Richtung Klimaschutz“. „Wir haben eine Vereinbarung mit RWE geschlossen, die dazu führt, dass der Tagebau um die Hälfte verkleinert wird“, sagte er. Dadurch blieben 280 Millionen Tonnen Kohle unter der Erde, zudem seien fünf Dörfer gerettet worden. „Das ist einer der größten Fortschritte, die wir in den letzten Jahren gemacht haben.“

Es sei zwar bitter, dass Lützerath abgebaggert werden müsse. Die Entscheidung sei aber gerichtlich getroffen worden. Die Landesregierung könne nichts mehr daran ändern.

Mit dem „Unwort des Jahres“ ließ sich der innenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Landtag von NRW, Markus Wagner zu den aktuellen Vorgängen in Lützerath ein: „Wenn Klimaterroristen ihre Kinder als Schutzschild benutzen und sich mit diesen im Einsatzgebiet aufhalten, ist der Gipfel der Verantwortungslosigkeit. Dies erfüllt den Tatbestand der Kindeswohlgefährdung und muss entsprechende Konsequenzen nach sich ziehen.“ Die Einsatzkräfte hatten im Laufe des Tages alle Eltern mit Kinder aufgefordert, das Gelände umgehend zu verlassen. (mit dpa)

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