Nach Haushalts-ChaosSpott und Mitleid für NRW-Finanzminister Optendrenk

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Marcus Optendrenk (CDU), Minister der Finanzen des Landes Nordrhein-Westfalen, sitzt bei einer Plenarsitzung des NRW-Landtags zum Landeshaushalts für 2023 an seinem Platz.

NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) hörte bei der Debatten zum Hilfspaket ganz genau hin.

NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk muss nach dem Debakel um die Bildung eines Sondervermögens Spott ertragen. Wer ist der Mann, der eigentlich als erfahren und kompetent gilt?

Es gehört zu den fragwürdigen Gepflogenheiten des Parlamentarismus, dass Regierungsvertreter meist so tun, als seien sie in die Lektüre wichtiger Unterlagen vertieft, wenn die Opposition sie am Rednerpult attackiert. Marcus Optendrenk stellte diese demonstrative Abwesenheit in dieser Woche bei der Debatte über das geplante NRW-Hilfspaket nicht zur Schau. Der NRW-Finanzminister hörte ganz genau hin, schüttelte nur bisweilen genervt den Kopf. Der Spott über das Etat-Debakel setzte ihm sichtbar zu.

Der Politiker vom Niederrhein ist seit dem letzten Jahr der Chef im NRW-Finanzministerium. Eigentlich, so heißt es in der CDU-Fraktion, hätte er schon 2017 Finanzminister werden können. Aber damals fühlte sich Ex-Regierungschef Armin Laschet (CDU) seinem früheren Parlamentarischen Geschäftsführer Lutz Lienenkämper verpflichtet.

Fehlstart, den Wegbegleiter für unmöglich hielten

Nachdem der Laschet-Spezi seinen Rückzug erklärt hatte, kam Optendrenk als Minister bei Schwarz-Grün zum Zug. Und legte einen Fehlstart hin, den Wegbegleiter nicht für möglich gehalten hätten.

Das Hin und Her um die Bildung des Sondervermögens, mit dem die Landesregierung der Krisenlage begegnen will, gehe auf Optendrenks Kappe, heißt es in Regierungskreisen. Die Kompetenz für das Vorgehen liege im Finanzministerium – und nirgendwo anders. Die Performance dort sei leider „keine große Regierungskunst“ gewesen, sagt ein Kabinettsmitglied hinter vorgehaltener Hand spitzzüngig.

Zweimal hatte Optendrenk seinen Kurs in den vergangenen vier Wochen verändert. Zunächst der gelernte Historiker das Hilfspaket durch unbenutzte Kredite aus dem Corona-Rettungsschirm finanzieren. Nachdem er diese Strategie wortreich erklärt hatte, musste er sie bald wieder zurücknehmen. Der Landesrechnungshof hatte Bedenken geäußert, das Vorgehen könnte verfassungswidrig sein. Das war der erste Tiefschlag für Optendrenk.

Der entwickelte nun einen „Plan B“. Um die Schuldenbremse auszuhebeln, sollte der Landtag eine außergewöhnliche Notsituation proklamieren. Dass Optendrenk genau dieses Vorgehen zuvor scharf abgelehnt hatte, störte ihn dabei offenbar wenig. Doch nur kurze Zeit, nachdem die Regierungsfraktionen diesem Ansinnen gefolgt waren, wurde auch der neue Schachzug obsolet.

Grundlage für Sondervermögen platzte

Schwer zu fassen, aber wahr: Durch eine neue Steuerprognose für Dezember wurde am vergangenen Wochenende deutlich, dass satte 1,2 Milliarden Euro mehr in die Landeskasse fließen werden, als bislang geplant. Damit gab es keine Grundlage mehr dafür, eine außergewöhnliche Notlage anzunehmen. Die Grundlage zur Bildung des Sondervermögens war geplatzt – und damit auch die geplante Auszahlung der Hilfen noch in diesem Monat.

Minister Optendrenk ist im Plenum zu sehen, wie er seinen Stuhl im Stehen zurechtrückt. Er blickt versonnen nach unten.

Optendrenk - ein Urgestein der Landespolitik

Marcus Optendrenk ist 53 Jahre alt, aber schon ein Urgestein in der Landespolitik. In der Regierungszeit von Jürgen Rüttgers (CDU) von 2005 bis 2010 war er der Büroleiter des damaligen Finanzministers Helmut Linssen (CDU), der von sich behauptete, ein „ehrlicher Kaufmann“ zu sein. Der Kampf gegen neue Schulden gehört auch zur finanzpolitischen DNA von Optendrenk. Im Landtag fragen sich viele, wie die Pannen passieren konnten.

Rätselraten um Gründe für Panne

Kritik regt sich vor allem daran, dass Optendrenk offenbar von der neuen Steuerprognose überrascht wurde. „Dass solche Schätzungen zu dieser Zeit des Jahres eintreffen, ist eigentlich kein Geheimnis“, sagt ein Mitglied der FDP-Fraktion. Möglicherweise sei nach der Bildung der neuen Landesregierung wichtige Expertise im Finanzministerium verloren gegangen, spekuliert man bei den Grünen. Zentrale Posten mit Aufsteigern aus der Jungen Union zu besetzen, sei „eben nicht immer eine gute Idee“.

Mit der Regierungsmehrheit von CDU und Grünen hat der NRW-Landtag am Mittwoch schließlich das mit neuen Schulden finanzierte „Sondervermögen Krisenbewältigung" beschlossen. Nun kann Schwarz-Grün Kredite bis zu fünf Milliarden Euro aufnehmen. Die erste Tranche in Höhe von 1,6 Milliarden Euro soll ab Anfang 2023 ausgezahlt werden.

Am Vortag hatte Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) das Hin und Her in der Finanzpolitik in seiner Haushaltsrede nur am Rande thematisiert. Auffällig war, dass der Regierungschef seinen Finanzminister nicht in Schutz nahm und auch nicht erwähnte. „Das wäre bei Armin Laschet anders gelaufen“, ist sich ein Finanzer aus der CDU-Fraktion sicher.

Viele haben Mitleid mit Optendrenk. Bei den Grünen schätzt man den Mann aus Viersen als „anständigen Kerl“. Anders als seine Vorgänger sei er stets persönlich ansprechbar, wenn es Probleme gebe. Der Minister verfüge über einen „feinsinnigen Loriot-Humor“, heißt es. Zu der freundlichen Beurteilung kommt es aber wohl auch deshalb, weil Optendrenk sich immer schon als Fan von Schwarz-Grün zu erkennen gegeben hatte.

Ob der Finanzminister im neuen Jahr verlorenes Vertrauen zurückgewinnen kann, bleibt abzuwarten. Die FDP hat eine Verfassungsklage gegen das Vorgehen von Schwarz-Grün bei der Bildung des Sondervermögens angekündigt. Sollte Münster den Liberalen folgen, wäre das der nächste Wirkungstreffer für Optendrenk.

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