Polizisten beendeten das Leiden des schwerstverletzten Tieres, indem sie es mit dem Streifenwagen überfuhren. Nun streiten Staatsanwaltschaft, Gericht und Politik über die rechtliche Bewertung.
Vorwürfe gegen PolizistenBeamte überfahren verletzte Katze – Gericht stoppt Strafbefehl

Die Polizisten fuhren mit dem Streifenwagen über die Katze. (Symbolbild)
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Der tierische Skandal schien perfekt zu sein. Zumindest für einen Staatsanwalt aus Kleve. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat der Strafverfolger beim Amtsgericht gegen zwei Polizeibeamte einen Strafbefehl über jeweils 50 Tagessätze beantragt. Laut Gerichtssprecher geht es um einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz.
Am 28. Juni 2024 war eine Polizeistreife kurz nach ein Uhr in der Nacht zu einer schwerstverletzten Katze auf der B9 in Bedburg-Hau gerufen worden. Das Tier war offenbar überfahren worden. Der Kater blutete aus dem Maul, seine rechte Flanke war aufgerissen. Der Beamte und seine Kollegin begutachteten das Tier und kamen zu dem Schluss, dass die Katze sterben würde. Aus ihrer Sicht half es nur, das Leid des Tieres so schnell wie möglich zu beenden.
Keine klaren Richtlinien für die Polizei
Die Polizei in NRW hat allerdings keine klaren Handlungsrichtlinien für den Umgang mit todgeweihten Kleintieren. Zwar gibt es einen Tiernotruf, die Nummer aber lag der Streife nicht vor. Die Hotline beim Ordnungsamt hätte man kontaktieren können, allerdings wäre mindestens eine Stunde vergangen, bis ein Mitarbeiter in jener Nacht vor Ort gewesen wäre. Einen Tierarzt konnten die Ordnungshüter nicht anfordern, da die Polizeibehörde die Kosten nicht übernommen hätte.
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Aus Sicht der Polizisten gab es nur zwei Alternativen: Erschießen oder überfahren. Die Beamten entschlossen sich zu Letzterem. Denn ein Schuss aus der Dienstwaffe aus nächster Nähe hätte womöglich einen Querschläger verursacht – eine Gefahr für den Schützen. Die Polizisten setzten sich schließlich in ihren Streifenwagen und töteten das Tier, indem sie mit dem Fahrzeug darüber rollten. Anschließend entsorgten sie den toten Kater in der Böschung entlang der Landstraße.
Zeugin beobachtete den Vorfall
Eine Zeugin bekam den Vorfall mit. Sie fand die Katzenleiche und brachte sie zu einem Tierarzt. Zugleich erstattete die Frau eine Strafanzeige gegen die beiden Polizeibeamten. Der zuständige Staatsanwalt ließ ein pathologisches Gutachten zu der Frage anfertigen, ob und wie lange das Tier bei der tödlichen Überfahrt durch die Polizisten gelitten haben könnte. Am Ende sah er ausreichend Beweise für die Schuld der Beamten als erbracht an.
Der Bochumer Anwalt Michael Emde, der die mitbeschuldigte Polizistin vertritt, hält „die strafrechtliche Verfolgung meiner Mandantin nicht für rechtmäßig. Jede weitere Minute hätte das Leid des Tieres verlängert, die beiden Polizisten wollten die Katze nur von ihren Qualen erlösen.“ Dieser Sichtweise hat sich das Amtsgericht Kleve offenbar angeschlossen. Karlheinz Schultze, Sprecher der Behörde, teilte auf Anfrage mit, dass der Richter den Strafbefehlsantrag abgelehnt und an die Staatsanwaltschaft zurückverwiesen habe, um weitere Ermittlungen vorzunehmen. Nun also ist die Anklagebehörde in Kleve wieder am Zug.
Der Tod der Katze durch einen Streifenwagen ist kein Einzelfall. Vor gut drei Jahren wurde ein ähnlicher Fall im westfälischen Barntrup zu einem Politikum im Landtag. Seinerzeit hatte eine Streife am frühen Morgen ein schwerverletztes Tier auf dieselbe Weise von seinen Leiden erlöst. Die Staatsanwaltschaft hatte das Verfahren nach Ermittlungen eingestellt. Die SPD verlangte Antworten vom Landesinnenminister.
Innenministerium soll für Klarheit sorgen
Herbert Reul (CDU) erklärte: „Die Rechtmäßigkeit der Tötung verletzter oder kranker Tiere richtet sich unter Berücksichtigung des Einzelfalles nach den gesetzlichen Bestimmungen des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen.“ Die Verwaltungsvorschrift führe zu Situationen, „dass verletzte oder kranke Tiere nur getötet werden dürfen, wenn die Befürchtung besteht, dass sie sonst unter Qualen verenden würden und weder Eigentümer beziehungsweise Tierhalter noch ein Tierarzt oder Jagdausübungsberechtigter kurzfristig zu erreichen sind.“
Offen bleibt die Frage, auf welche Weise das Tier erlöst werden soll. Aus Sicht von Christina Kampmann, innenpolitische Sprecherin der SPD, „scheint sich die Geschichte zu wiederholen. Genauso eine Situation gab es vor ein paar Jahren in Ostwestfalen. Schon damals waren die Polizeibeamten in der vertrackten Lage, nicht zu wissen, wie man damit richtig umgehen soll. Minister Reul sollte hier langsam mal für Klarheit sorgen – zum Wohle der betroffenen Tiere als auch zum Wohle der Beamtinnen und Beamten."
CDU-Fraktionsvize Gregor Golland sieht es ähnlich: „Um eine etwaige Rechtsunsicherheit für die Polizeibeamten zu verhindern, wäre es sinnvoll, wenn das Innenministerium einen Erlass für solche Fälle herausgeben würde.“
