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Wuppertaler Justizpanne„Die Personalpolitik des Ministers gefährdet die Sicherheit in NRW“

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Benjamin Limbach, Minister der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen (Grüne), wird von der Opposition hart kritisiert.

Benjamin Limbach, Minister der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen (Grüne), wird von der Opposition hart kritisiert. 

Opposition kritisiert Benjamin Limbach nach Justizpanne in Wuppertal – Leverkusener Drogenhändler musste freigelassen werden.

Der Bericht des „Kölner Stadt-Anzeiger“ über eine Justizpanne des Wuppertaler Landgerichts hat im Landtag hohe Wellen geschlagen. „Nun also musste ein zu zehn Jahren Haft verurteilter Drogendealer aus Leverkusen freigelassen werden, da das überlastete Gericht das schriftliche Urteil nicht zustellte“, kritisiert Elisabeth Müller-Witt, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion. „Eine Freilassung wegen Überlastung, die Justiz in NRW geht in die Knie.“ Da Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) das Problem leugne, komme es „zwangsläufig zu Freilassungen, verzögerten Festnahmen und Verjährungen“. Auf Antrag der Sozialdemokraten wird die Freilassung des Drogenhändlers demnächst auch zum Thema im Rechtsausschuss des Landtags.

Auch die FDP-fraktion NRW übt scharfe Kritik am Justizminister. „Der Fall des freigelassenen Drogendealers zeigt, dass Limbachs desaströse Personalpolitik die innere Sicherheit Nordrhein-Westfalens gefährdet“, betont Werner Pfeil, der rechtspolitische Sprecher der Liberalen: „Wegen seiner Untätigkeit ist die Justiz zum Flaschenhals in der Verbrechensbekämpfung geworden.“ Seit Monaten warne die FDP vor genau diesem Szenario. „Verjährte Verfahren, unbearbeitete Akten, überlastete Geschäftsstellen: Das Justizministerium hat es versäumt, mit einer realistischen Personalbedarfsplanung gegen den Abwärtstrend zu steuern“, ergänzt der FDP-Abgeordnete.

Schon 2023 zeigten NRW-Gerichte eine Überlastung an

Die Situation in der nordrhein-westfälischen Justiz ist seit Jahren angespannt. Nicht nur, dass hunderte Stellen bei der Staatsanwaltschaft fehlen. Durch zahlreiche erweiterte Aufgaben stöhnen auch die Strafgerichte über zunehmende Arbeitsbelastung. Bereits 2023 zogen zahlreiche NRW-Gerichte die Notbremse und zeigten in 105 Fällen eine Überlastung an. Laut einer Antwort der Landesregierung auf eine FDP-Anfrage blieben mehr als 88 Stellen bei den Gerichten offen.

Zudem fehle jede Menge Personal „im Bereich der Unterstützungskräfte“, kritisiert Gerd Hamme, Vorsitzender des Deutschen Richterbundes in NRW. „Die Personallücken bei Rechtspflegerinnen, Rechtspflegern und Servicekräften führen insgesamt auch zu einer zu langsamen Arbeitsweise der Justiz in NRW.“

Ministerium: NRW-Gerichte haben ausreichend Personal

Ein Sprecher Limbachs hingegen widerspricht den Vorwürfen. Die Freilassung des mutmaßlichen Drogendealers habe nichts mit einer Überlastung zu tun, sondern „folgt aus der Sachbearbeitung in diesem Fall“. Die nordrhein-westfälischen Gerichte verfügten „nach dem geltenden Stellenverteilungssystem über ausreichend Stellen und ausreichend Personal“. „Auch die personelle Ausstattung des Landgerichts Wuppertal war bedarfsgerecht“, so der Sprecher. Deshalb sei „der Verweis eines Richters oder einer Kammer auf eine Überlastung in der Regel auch kein entlastender Grund für eine Verfahrensverzögerung“.

In Wuppertal habe es schlichtweg „eine offenkundige Verzögerung“ bei der Abfassung des Hauptverhandlungsprotokolls gegeben, das neben dem schriftlichen Schuldspruch an den Verurteilten geschickt werden müsse. Da dies neun Monate nach dem Urteil noch nicht geschehen war, hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf den Haftbefehl wie berichtet aufgehoben und der mutmaßliche Großdealer musste freigelassen werden. „Die Präsidentin des Wuppertaler Landgerichts wird diesen Fehler in der Verfahrensführung dienstrechtlich zu prüfen haben“, so der Sprecher des Justizministeriums.

Verzögerung beim Protokoll

Bleibt die Frage, ob der verurteilte Großdealer, der aber noch Berufung gegen das Urteil einlegen könnte, in Deutschland bleiben wird, bis man sich in Wuppertal bequemt, das Protokoll des Gerichtsprozesses gegen den Mann zu schreiben. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ verfügt der Endvierziger über einen deutschen und einen türkischen Pass. Da der Haftbefehl durch das OLG aufgehoben wurde, könnte er unbehelligt in den nächsten Flieger nach Istanbul steigen. „Es gibt keine rechtliche Handhabe, den Mann zu kontrollieren oder zu überwachen“, heißt es in NRW-Justizkreisen. Eine Auslieferung im Falle seiner rechtskräftigen Verurteilung aus der Türkei scheint unwahrscheinlich.