Amazon-GründerSein zweites großes Baby: Was Jeff Bezos jetzt vor hat

Lesezeit 5 Minuten
Bezos

Jeff Bezos hat die Firma Amazon erfunden und hat damit sehr sehr viel Geld verdient.

Stuttgart – Amerikas Online-Gigant Amazon wird ab Herbst 2021 einen neuen Vorstandschef haben. Gründer und Multimilliardär Jeff Bezos zieht sich nach fast drei Jahrzehnten aus dem Tagesgeschäft zurück.

Nachfolger als Vorstandschef wird zum Beginn des dritten Quartals demnach Andy Jassy werden, Leiter von Amazons wichtigem und größten Profittreiber im Konzern, dem Cloud-Geschäft.

100 Milliarden-Dollar-Marke beim Umsatz geknackt

Dass die Wahl des Nachfolgers eine gute zu sein scheint, spiegelte die Reaktion der Finanzmärkte wider: Auf die Nachricht von Bezos‘ Rücktritt reagierten Anleger sehr gelassen und ohne Sorge. Die Aktie hielt sich im nachbörslichen Handel an der Wall Street weiter im Plus – was sicherlich auch mit den Rekordzahlen des Tech-Konzerns zu tun hatte.

Denn Amazon konnte im Schlussquartal 2020 erstmals beim Umsatz die Marke von 100 Milliarden Dollar erreichen. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum legten die Erlöse um 44 Prozent auf 125,6 Milliarden Dollar zu. Unter dem Strich verdiente der Konzern im vierten Quartal mehr als 7 Milliarden Dollar und im Gesamtjahr 2020 die Rekordsumme von 21,3 Milliarden Dollar, was einem Anstieg von 84 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht.

Guter Zeitpunkt für einen Ausstieg

Der Zeitpunkt für Jeff Bezos, sich mit 57 Jahren aus dem Tagesgeschäft von Amazon zu verabschieden, könnte wohl kein besserer sein. Der ehemalige Wall-Street-Angestellte hat aus einem Online-Buchladen aus Seattle einen Tech-Konzern mit eigener US-Supermarktkette der Superlative geformt, der im Herbst 2018 nach Apple die zweite Aktiengesellschaft war, die einen Wert von mehr als einer Billion Dollar an der Börse erreichte.

Der Milliardär verlässt aber auch politisch gesehen zu einem günstigen Zeitpunkt die große Amazon-Bühne. Zuletzt hatte es in der US-Politik zunehmend Kritik an der wachsenden Marktdominanz der großen amerikanischen Tech-Konzerne und dem Ausnutzen der Vormachtstellung Amazons unter den Online-Plattformen gegeben. Auch in Europa drohen dem Konzern kartellrechtliche Schritte - mit diesen Problemen muss sich künftig der neue Amazon-Chef Andy Jassy rumschlagen.

Raumfahrt, Stiftungen: Zeit für andere Projekte

Jeff Bezos wiederum dürfte sich kaum aus der Öffentlichkeit zurückziehen. Er habe noch nie mehr Energie gehabt, schrieb er in einem Brief an die Amazon-Mitarbeiter. In seiner zukünftigen Rolle als Verwaltungsratschef wolle er seine Energie und Aufmerksamkeit auf neue Produkte und Initiativen ausrichten. Außerdem gewinne er so mehr Zeit für andere Projekte, wie für seine Stiftung „Day One“, die er 2018 ins Leben gerufen hat. Die Stiftung setzt sich für obdachlose Familien ein und finanziert Vorschulen in armen Wohngegenden. Und dann gibt es noch Bezos’ zweites großes Baby neben Amazon – die Raumfahrt.

Der Milliardär hatte in der Vergangenheit immer wieder angekündigt, dass er jährlich Amazon-Aktien im Wert von circa einer Milliarde Dollar verkaufen und damit die Finanzierung von Blue Origin gewährleisten wolle. Das Unternehmen hatte Bezos bereits im Herbst 2000 gegründet.

Blue Origin - das neue alte Baby von Bezos

Seine Mission: Im Jahr 2024 will Bezos die erste Frau in der Geschichte der Raumfahrt auf den Mond fliegen. Das kündigte der Amerikaner Anfang des vergangenen Dezembers auf seinem Instagram-Profil an. „Dies ist der Antrieb, der die erste Frau auf die Oberfläche des Mondes bringen wird“, so Bezos zu einem Video des Motortests im Marshall Space Flight Center der Nasa in Huntsville.

Hintergrund ist, dass Bezos‘ privates Raumfahrtunternehmen Blue Origin nach wie vor auf eine Zusammenarbeit mit der US-Raumfahrtbehörde Nasa spekuliert, konkurriert hier aber mit SpaceX und Dynetics, den Unternehmen von Tesla-Gründer Elon Musk. Die US-Behörde hat sich im Zuge ihres Artemis-Programms das Ziel gesetzt, 2024 die nächsten Astronauten auf den Mond zu fliegen – dabei auch erstmals eine Frau.

Dieses Jahr will die Nasa eigenen Angaben zufolge zwei der drei Unternehmen auswählen, um Prototypen für Missionen mit Besatzung zum Mond ab 2024 weiterzubauen. Nach den jüngsten Misserfolgen von Elon Musks Space X-Raketen bei Testflügen dürfte das Rennen um die Nasa-Gunst weiter offen sein.

Gerangel ums Weltall

Abseits davon sind die Raumfahrtfirmen der beiden reichsten Männer der Welt schon länger im Clinch. Es geht dabei um Umlaufbahnen für Internet-Satelliten. SpaceX von Tesla-Chef Elon Musk will von der amerikanischen Telekom-Aufsicht FCC die Erlaubnis, einige Satelliten seiner Starlink-Flotte näher zur Erde fliegen zu lassen. Die Firma Kuiper wiederum, die Jeff Bezos gehört und ebenfalls ein Netzwerk aus Satelliten zur Internet-Versorgung aufbauen will, ist dagegen.

Solche Streitigkeiten werden meist ohne große öffentliche Aufmerksamkeit ausgefochten, doch Musk trug den Konflikt zuletzt zu Twitter. Er argumentierte, dass es nicht im öffentlichen Interesse wäre, Starlink heute zu behindern, während Amazons Satelliten-System „bestenfalls erst in einigen Jahren einsatzbereit“ sein werde. Amazon konterte, dass die SpaceX-Pläne die Gefahr von Kollisionen im All erhöhen und Konkurrenten in dem Geschäft lähmen würden.

„Es ist ganz klar im Interesse von SpaceX, den Wettbewerb im Keim zu ersticken, aber es ist ganz bestimmt nicht im öffentlichen Interesse“, hieß es in einem Tweet von Amazon. SpaceX will zur Internet-Versorgung rund um die Welt ein Netzwerk aus etwa 12 000 Satelliten aufbauen. Inzwischen sind mehr als 1000 davon im All. Amazons Kuiper bekam bisher eine Flotte aus gut 3200 Satelliten von der FCC gebilligt, aber noch keine gestartet.

Amazon-Aktie weiter für Anleger interessant

Jeff Bezos dürfte also auch nach seinem Amazon-Abgang im Herbst genügend Aufgaben auf dem Schreibtisch liegen haben. Dass Amazon unter dem Weggang des Gründers und größten Einzelaktionärs des Konzerns aus dem operativen Tagesgeschäft leidet, ist kaum vorstellbar und dürfte keinen Investor vertreiben. Auf Zehnjahressicht legte der Aktienkurs im Schnitt um 35 Prozent jährlich zu.

Wer hierzulande Amazon-Aktien vor zehn Jahren über die Frankfurter Börse für 10.000 Euro geordert hätte, würde damit heute ein Vermögen von rund 202.000 Euro verzeichnen. Mit Amazon-Aktien konnte man also zuletzt ein riesiges Vermögen machen und die Prognosen des weltweit größten Onlinehändlers sind unverändert gut – auch ohne einen Vorstandschef Jeff Bezos. (RND, casc, dpa)

KStA abonnieren