Ein zentrales ArgumentEthikrat lehnt Sonderrechte für Corona-Geimpfte ab

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Impfkampagne 240121

Eine Pflegerin wird am Universitätsklinikum Essen mit dem Impfstoff von Moderna gegen Covid-19 geimpft. 

Dürfen Geimpfte bald mehr als diejenigen, die noch keine Corona-Impfung erhalten haben? Der Deutsche Ethikrat rät klar davon ab. Das zentrale Argument: Zwar bedeutet die Impfung einen Schutz für den Empfänger – bisher deute aber wenig darauf hin, dass Geimpfte das Virus nicht weitertragen können.

„Die Forderungen nach Ausnahmen von Freiheitsbeschränkungen für Geimpfte sind wenig hilfreich“, sagte die Bioethikerin Sigrid Graumann, Mitglied im Ethikrat, bei der Vorstellung einer Ad-hoc-Empfehlung des Gremiums in Berlin. „Sie suggerieren die falsche Sicherheit, von Geimpften würde keine Infektionsgefahr ausgehen.“

Allgemeine Akzeptanz könnte beschädigt werden

Die Maßnahmen jetzt Stück für Stück für den einzelnen Geimpften zurückzunehmen, könne auch die allgemeine Akzeptanz der Maßnahmen beschädigen, warnte die Vorsitzende des Ethikrats, die Medizinethikerin Alena Buyx. Die Angst von Buyx und den anderen Mitgliedern des Ethikrats: Eine Aufhebung von Kontaktbeschränkungen und anderen Anti-Corona-Maßnahmen für Geimpfte könnte als ungerecht empfunden werden – eben, weil die Impfung derzeit noch nicht allen Menschen offensteht.

Als Beispiel dafür, dass die Rücknahme von Beschränkungen für Einzelne auch an praktische Grenzen stoße, führten die Mitglieder des Ethikrats die Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr an. Es sei unrealistisch, bei Mitfahrern die Impfausweise zu kontrollieren – was dazu führen würde, dass auch ein Teil der Ungeimpften sich nicht mehr an die Maskenpflicht halten würde.

Sachverständigengremium macht anderen Vorschlag

Das Sachverständigengremium schlägt vor: Statt die Beschränkungen für den Einzelnen zum Zeitpunkt der Impfung zurückzunehmen, sollten staatliche Freiheitsbeschränkungen mit Fortschreiten des Impfprogramms schrittweise für alle zurückgenommen werden.

Der Maßstab dabei soll vor allem die Zahl der schweren Krankheitsverläufe und der Todesfälle sein, nicht die reinen Infektionszahlen. „Voraussetzung dafür ist, dass zuvor alle Menschen mit individuell sehr hohem Risiko für einen schweren Verlauf der Covid-19-Erkrankung Zugang zur Impfung erhalten haben“, heißt es in der Empfehlung des Ethikrats, die den Titel „Besondere Regeln für Geimpfte?“ trägt.

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Einen zusätzlichen Pfad benennt das Gremium, dessen Mitglieder vom Bundespräsidenten berufen werden, aber auch: „Die noch immer bestehenden gravierenden Isolationsmaßnahmen in Pflege-, Senioren-, Behinderten- und Hospizeinrichtungen sollten für geimpfte Personen mit dem Fortschreiten des Impfprogramms schnellstmöglich aufgehoben werden“, schreibt der Ethikrat. Die Herausforderung werde aber sein, Ungeimpfte in solchen Einrichtungen gut zu schützen: mit Schnelltests, FFP2-Masken und Schutzkleidung für Pflegekräfte.

Doch was, wenn es nicht um staatliche Corona-Einschränkungen geht, sondern um Entscheidungen privater Unternehmen? Der Ethikrat weist hier darauf hin, dass private Anbieter Vertragsfreiheit hätten. Das gäbe einem Veranstalter nach einer generellen Wiedereröffnung von Konzerthallen etwa Spielraum, nur Geimpften den Zugang zu erlauben. Wenn es um „basale gesellschaftliche Teilhabe“ gehe, dürfe dies aber nicht der Fall sein. Die Frage, was fundamental ist, wird noch zu klären sein. (RND)

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