KommentarDer Ukraine-Krieg wird noch lange Zeit bittere Realität bleiben

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Eine Ukrainerin blickt auf zerstörte Gebäude in Charkiw nach einem russischen Raketenangriff.

Der Krieg in der Ukraine hat mehr als ein halbes Jahr nach dem Überfall Russlands auf das Land eine bittere Normalität bekommen. Die verbündeten demokratischen Staaten wie Deutschland richten sich darauf ein, noch über einen langen Zeitraum die Ukraine mit Waffen, Geld und humanitärer Hilfe unterstützen zu müssen. Auch die von Kanzler Scholz am Donnerstag besichtigte Ausbildung ukrainischer Soldaten an deutschen Panzern zählt zu den Hilfen, die dauerhaft durchgehalten werden müssen. Denn es gibt keinerlei Aussicht auf einen Waffenstillstand, geschweige denn auf Frieden durch Verhandlungen.

Wer in diesen Tagen einen Verhandlungsfrieden fordert, hat nicht verstanden, dass Russland sein völkerrechtswidriges Vorgehen nicht beenden wird, solange die Ukraine sich nicht selbst aufgibt.

Mit jedem Tag, an dem die Ukraine Todesopfer, insbesondere aus der Zivilbevölkerung, beklagen muss wie am Dienstag nach dem russischen Angriff auf einen Bahnhof, rückt das Ende des Krieges in weitere Ferne. Der ukrainische Präsident Selenskyi hat das in dieser Woche unmissverständlich deutlich gemacht. Früher, so sagte er, hätten die Ukrainer mit „Friede“ auf die Frage geantwortet, was für sie das Ende des Kriegs sei. „Jetzt sagen wir: der Sieg.“

Die Welt muss sich auf noch viele blutige Monate einstellen

Vor dem Hintergrund, dass derzeit weder die Ukraine noch Russland in der Lage sind, militärisch eine Entscheidung herbeizuführen, muss sich die Welt auf noch viele brutale und blutige Monate einstellen. Die Lage ist zum Verzweifeln.

Auch für den demokratischen Westen bleibt die Situation herausfordernd und gefährlich. Nato und EU müssen ihre Unterstützung so dosieren, dass die Ukraine kampf- und handlungsfähig bleibt. Zugleich gilt, was seit Beginn des Kriegs Prämisse ist: Der Westen kann und darf sich nicht in konkrete Kriegshandlungen hineinziehen lassen, um eine Eskalation zu vermeiden. Zudem haben sich die demokratischen Unterstützer der Ukraine aus guten Gründen auferlegt, das Selbstbestimmungsrecht der Ukraine zu respektieren und ihr keinesfalls vorzuschreiben, ob und unter welchen Bedingungen sie Verhandlungen anstreben könnte.

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Die Ukraine-Verbündeten müssen zudem so agieren, dass es Putin nicht gelingt, die Welt in einen demokratischen Westen und den Rest zu spalten. Vielmehr kann nur das Ziel sein, Russland so weit wie möglich auf der Weltbühne weiter zu isolieren. Der Ablauf des G20-Gipfels im November wird für die Frage, wie groß der russische Einfluss global noch ist, ein wichtiger Gradmesser sein.

Auch in Deutschland sinkt bereits die Akzeptanz für die Unterstützung der Ukraine

Insbesondere für die EU-Staaten erwächst aus dem erwartbar noch lange dauernden Krieg eine weitere Herausforderung. Mit Inflation und vor allem den drastisch steigenden Energiepreisen sinkt in der Bevölkerung die Akzeptanz für die Unterstützung der Ukraine. In Deutschland spiegeln das inzwischen zahlreiche Umfragen wider. Die weiter kletternden Gas- und Strompreise besitzen die Sprengkraft, im kommenden Winter eine Protestbewegung auf die Straße zu bringen, die viel größer sein könnte als die Corona-Demos. Denn die Zahl der Menschen wächst, die nicht mehr wissen, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollen.

Die Bundesregierung wird die dringend notwendige militärische und finanzielle Hilfe für die Ukraine nur weiter leisten können, wenn sie zumindest die existenziellen Nöte der Bevölkerung, die infolge von Krieg und Sanktionen entstanden sind, beheben kann. Dafür müssen die kommenden Entlastungspakete zielgenauer werden, als es die ersten beiden waren. Für den Zusammenhalt in der Gesellschaft muss die Ampel dringend selbst ein geschlosseneres Bild abgeben.

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