Schlingerkurs bei UkraineMusk wirkt in beunruhigender Weise wie ein kleines Kind

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Elon Musk, CEO von Tesla, bei der Eröffnung der Tesla-Fabrik Berlin Brandenburg in Grünheide, Deutschland, 22. März 2022.

Erst ist Elon Musk stolz, der Ukraine zu helfen, dann will er die teure Satelliten­unterstützung fallen lassen – dann will er wieder helfen. Braucht der reichste Mann der Welt Geld, ist er beleidigt oder hat er einfach nur einen besonders schrägen Humor?

Erst will er nicht mehr helfen. Und plötzlich dann doch wieder. Das Verhalten von Elon Musk, der seinen Satelliten­internet­dienst Starlink von der ihn dringend weiter benötigenden Ukraine abziehen wollte, und ihn nun doch weiterfinanziert, wirft ein seltsames Zwielicht auf den mit einem Vermögen von laut der Statistik-Onlineplattform Statista 215.4 Milliarden Dollar reichsten Mann der Welt.

Auch wenn jetzt erst mal alles wieder gut ist: „Zur Hölle damit, auch wenn Starlink weiter Geld verliert und andere Unternehmen Milliarden von Steuer­zahler­dollars bekommen, werden wir die ukrainische Regierung weiterhin kostenlos finanzieren“, twitterte Musk am Samstagabend.

Musk wirkt zuweilen in beunruhigender Weise wie ein kleines Kind, das Launen folgt – siehe seine wechselhafte Twitter-Kauflaune. Und das sich zudem in fremden Feldern wichtig nimmt. Wer, wenn nicht der Reichste auf Erden, sollte einen Friedensplan für die Ukraine schmieden? So geschehen Anfang Oktober.

Musks Ukraine-Friedensplan und das „Fuck off!“ von Andrij Melnyk

Man erinnert sich – so hätte laut Musk der ukrainisch-russische Knoten durchschlagen werden sollen: Krim an Russland, echte Referenden im Donbass und im Süden unter Aufsicht, neutrale Ukraine – voilà!

Die Ukrainer nahmen ihrem Gönner das übel. Der nie um Schimpf und Kränkung verlegene scheidende ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, der inzwischen zurück nach Kiew aufgebrochen ist, twitterte direkt ein derbes „Fuck off!“. Und Präsident Wolodymyr Selenskij veröffentlichte das Ergebnis einer Umfrage, welchen Musk man bevorzuge. Der Musk, der die Ukraine unterstützt, vereinte am Ende mehr als 90 Prozent mehrerer Hundert­tausend Stimmen auf sich, weit abgeschlagen landete ein potenzieller Russland-Helfer Musk.

Am Mittwoch war Musk noch „froh, die Ukraine zu unterstützen“

Vielleicht war diese Ablehnung des Vermittlers Musk Grund für seinen Zickzack­kurs der vergangenen Woche: Als der ukrainische Digitalminister Mychailo Fedorow am Abend des vergangenen Mittwochs vermeldete, dass nach dem russischen Angriff mit mehr als 100 Raketen auf die ukrainische Energie- und Kommunikations­infra­struktur diese „in kritischen Regionen rasch wiederhergestellt“ worden sei und zwar „dank Starlink“, hatte Musk, der Gründer des Netzwerks, noch zurück­getweetet, er sei „froh, die Ukraine zu unterstützen“, so war in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zu lesen. Am Freitag kam dann die Nachricht dass SpaceX die Kosten nicht länger tragen wolle – von 80 Milllionen Dollar bisher war die Rede, mehr als 100 Millionen bis zum Jahresende. Samstag dann: alles beim Alten – Satelliten für Kiew.

Dass die Nutzung von Starlink komplett auf Musks Konto geht, gilt als haltlose Behauptung. Die „Neue Zürcher Zeitung am Sonntag“ etwa weiß, dass ein großer Teil der Empfangs­gerätschaften von Polen erworben und an die Ukraine weiter­gegeben worden ist. Die diesbezüglichen Starlink-Abos zahle Polen. Angesichts der scheinbaren Willkür Musks und der existenziellen Bedeutung des Internets für die Ukraine empfiehlt ein „NZZ“-Kommentator, dass Staaten fürderhin das ukrainische Internet tragen sollen – die Armee dürfe nicht länger von Elon Musk abhängig sein.

Musks Starlink bewahrte Kiew zu Beginn des Krieges vor dem Fall

Mit Musks Starlink steht und fällt das angegriffene Land. Starlink ermöglicht, dass die ukrainische Armee auch in Gefechts­gebieten Zugriff auf das Internet hat. Es war in den Anfangstagen des Kriegs, als die russischen Angreifer die Kommunikation in der Ukraine lahmgelegt hatten, entscheidend gewesen. Fedorow hatte umgehend die Hilfe des gebürtigen Südafrikaners erbeten. Und binnen weniger Tage war Starlink dann im Einsatz – aufseiten des vom Supergoliath überfallenen David.

Die Hauptstadt Kiew konnte damit vor Schlimmem bewahrt werden, die Kampfeinheiten der Ukraine waren rasch bestens koordinierbar. Während auf russischer Seite Chaos und Superstau herrschten. Der Ruf des Milliardärs war nie besser als damals – ein Held der Ukraine, Elon Musk Superstar.

„Keine gute Tat bleibt ungestraft“, antwortete Unternehmer David O. Sacks dem früheren Paypal-Kollegen Musk auf dessen gestern verbreitete neuerliche Bereitschaft zur Ukraine-Hilfe. Sacks hatte selbst erst am Samstagabend (15. Oktober) seine unwillige Sicht auf das angegriffene Land in die Welt getwittert. „Die Ukraine hat Friedens­befürworter verleumdet, Friedens­gespräche verboten, den Westen zu Präventiv­schlägen gedrängt und besteht auf der Rückeroberung der Krim unter Androhung eines Atomkriegs. Sie verdient nicht die uneingeschränkte, bedingungslose und grenzenlose Unterstützung der USA.“ Sacks ist Unterstützer der Republikanischen Partei.

Musk hat sich in den Ruf eines Republikaner-Fans getwittert

Wie – angeblich – Musk, der im Ruch steht, politisch immer weiter nach rechts zu rutschen. Ursache ist ein Tweet vom 18. Mai. Damals hatte der Milliardär getwittert, die Unterstützung für die Demokratische Partei zu beenden. Die Demokraten seien „zur Partei der Spaltung und des Hasses geworden, deshalb kann ich sie nicht länger unterstützen und werde die Republikaner wählen“.

Hatte er die Partei von Joe Biden mit der von Donald Trump verwechselt? Wollte das Kind im Manne provozieren? Ist er tatsächlich Republikaner-Anhänger geworden oder wollte er sich nur einen Jux machen? „Passt auf, wie ihre Kampagne schmutziger Tricks gegen mich sich nun entfaltet“, nahm er die zu erwartende Kritik am Tweet voraus.

Musks Zickzack-Ukraine-Kurs: politische Ambitionen? Geldnot? Schräger Humor?

Die Retweets zumindest waren nicht so fies: „Hey, Mann, wenn du eine Bande von Elektroauto-hassenden Klimawandel­leugnern unterstützen willst“, kam umgehend eine Replik, „dann ist das deine Sache.“ Ein anderer empfahl dem 51‑Jährigen, der den Klimawandel wiederholt die größte Bedrohung der Menschheit genannt hatte und bei der vergangenen Wahl für Joe Biden gestimmt hatte, gleich selbst zu kandidieren. Lauren Boebert, Kongressfrau der Republikaner für Colorado twitterte ein „Willkommen auf der rechten/richtigen Seite, Elon!“

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Sind sein Ukraine-Kurs (wie auch manch anderes Erratisches bezüglich der Pandemie, sein Trudeau-Hitler-Vergleich, sein Wunsch, Donald Trump wieder twittern zu lassen, oder die Idee eines Taiwan unter China) Ausdruck eigener politischer Ambitionen gewesen? Als gebürtiger Südafrikaner kann er gemäß dem „Natural born citizen“-Postulat der Verfassung der Vereinigten Staaten sowieso niemals Präsident werden. Sind bei dem Dagobert Duck der wirklichen Welt tatsächlich wirtschaftliche Schwierigkeiten ein Grund für den zwischendurch angekündigten Starlink-Rückzug gewesen? Angeblich braucht er Geld für die Twitter-Übernahme, die Tesla-Aktie hat an Wert verloren, um nur einige Problemzonen seines Imperiums zu nennen. Oder verfügt Musk nur über einen besonders schrägen Humor?

Bei Twitter erscheint Musk als „Parfum­verkäufer“

Dass er Humor hat (und möglicherweise nur nicht immer weiß, wo dieser angebracht ist), zeigt ein Update eines der jüngsten Tweets, wo Musk für das Parfum „Burnt Hair“ seiner Tunnelbaufirma Boring Company (zu Deutsch: Bohrungsfirma/Langweilige Firma) wirbt. Ein braunroter Flakon ist da zu sehen, umhüllt von einer bläulichen Flamme. Das Musk’sche Label, das den „Verbranntes Haar“-Duft zum Preis von etwa 105 Euro pro Flasche vertreibt, heißt Singer. Möglicherweise ein Hinweis auf Musks Ex, die Popsängerin Grimes. Oder auf Bobby Jensen, den Sänger der Kiss-Coverband Hairball, dessen Lockenmähne im Februar 2019 plötzlich in Flammen stand. Das Video der lichterloh brennenden Haare des Musikers ging um die Welt, sucht man im Internet nach „burnt hair“ kann man es sich heute noch ansehen. Als Berufsbezeichnung Musks bei Twitter erscheint: „Parfumverkäufer“.

„Der feinste Duft der Welt“, witzelt Musk da. Und die Beschreibung auf der Produktwebsite klingt augenzwinkernd: „Als würde man sich am Esstisch über eine Kerze beugen, nur ohne den ganzen Aufwand.“

Wie ein gefährlicher Midas, von dessen plötzlichen Eingebungen das Schicksal von Nationen abhängt, kommt Musk da nicht rüber. Auf David Sacks’ Prophezeiung, dass seine gute Taten bestraft würden, kam von Musk auch gleich die Antwort eines braven Pfadfinders.

„Trotzdem sollten wir weiterhin gute Taten vollbringen.“

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