„Widerwärtig und ekelhaft“, „Völlige Grenzüberschreitung“Bauern-Angriff auf Habeck löst Empörungswelle in Berlin aus

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Nach einer Kundgebung des Bauernverbandes gegen die Sparpläne der Bundesregierung fahren Landwirte im Konvoi. (Symbolbild)

Nach einer Kundgebung des Bauernverbandes gegen die Sparpläne der Bundesregierung fahren Landwirte im Konvoi. (Symbolbild)

Das politische Establishment ist empört, die Reaktionen fallen parteiübergreifend heftig aus. Zwei Spitzenpolitiker bleiben überraschend stumm. 

Der Vorgang ist wohl einmalig in der langen Geschichte der Bundesrepublik: Wütende Bauern hindern den amtierenden Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) an der Nordseeküste am Verlassen einer Fähre. Mehr als zwei Dutzend Beamte müssen den Grünen-Politiker schützen und den aufgebrachten Mob von über hundert Demonstranten teilweise mit Pfefferspray unter Kontrolle bringen.

Hintergrund der Aktion: Die Bauern sind empört wegen des von der Ampel-Koalition geplanten Abbaus von Subventionen. Die Politik hat am Donnerstagabend und Freitagmorgen klar Stellung zu der Aktion bezogen und sie über die Parteigrenzen hinaus scharf verurteilt. Die Reaktionen aus Berlin im Überblick.

Grüne zeigen sich „empört“ – Baerbock sieht demokratische Grenze überschritten

Parteikolleginnen und Kollegen von Robert Habeck verurteilten den gegen ihn persönlich gerichteten Protest aufs Schärfste. Die Vorsitzende der Grünen im Bundestag, Britta Haßelmann, zeigte sich entsetzt: „Es ist erschreckend, was dort passiert ist und empört mich zutiefst. Es ist eine völlige Grenzüberschreitung und ein Angriff auf die Privatsphäre von Robert Habeck“, teilte sie mit. Ein solches Handeln sei durch nichts zu rechtfertigen.

Auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) schrieb auf X: „Dort, wo Worte durch Gepöbel und Argumente durch Gewalt ersetzt werden, ist eine demokratische Grenze überschritten.“

Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) erklärte auf X, weite Teile der Gesellschaft teilten aus guten Gründen den Konsens, dass man zivilisiert miteinander umgehen und streiten. „Ich messe da immer mit gleichem Maß, ob bei Klimaklebern oder bei den Bauern am Fährhafen: Gewalt und Nötigung sind verachtenswert & schaden auch dem Anliegen.“

Mona Neubaur nannte den Protest „widerwärtig und ekelhaft“. Sie forderte „harte Konsequenzen des Rechtsstaates“. Einen Seitenhieb in Richtung Union gab es von Jamila Schäfer.

Die Bundestagsabgeordnete befand auf X, diese „Verrohung“ sei „leider auch denjenigen ‚Konservativen‘ zu verdanken, die statt die Demokratie zu verteidigen, lieber die Grünen zur Wurzel allen Übels verklären“ – damit dürfte sich unter anderem Friedrich Merz angesprochen fühlen, der die Grünen im vergangenen Jahr mehrfach zum „Hauptgegner“ der Union erklärt hatte.

Hendrik Wüst, Paul Ziemiak – CDU solidarisiert sich mit Habeck

Unterstützung erhielt Robert Habeck nicht nur aus Reihen der Regierungskoalition, sondern auch aus der Opposition. Gleich mehrere Politiker der CDU verurteilten das Vorgehen der Bauern. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst fand deutliche Worte. Zwar lebe Demokratie von Debatte, Rede und Gegenrede, aber Gewalt mache jede Debatte kaputt. „Ich teile die Anliegen der Bauern, diese Grenzüberschreitung aber ist absolut inakzeptabel. Das schadet den berechtigten Anliegen der Bauern und muss Konsequenzen haben“, so Wüst.

Ähnlich äußerte sich auch Parteikollege Paul Ziemiak: „Bei allem Verständnis für berechtigten Anliegen: Hier wird eine Grenze überschritten“, so der Generalsekretär der CDU NRW. Während gleich mehrere Politikerinnen und Politiker der Union deutliche Statements abgaben, hatte sich der Parteivorsitzende der CDU, Friedrich Merz, am Freitagmorgen indes noch nicht zu dem Protest geäußert.

SPD verurteilt Angriff auf Robert Habeck

Aus Reihen der SPD gab es am Freitagmorgen Kritik am Vorgehen der Bauern. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach auf X von „Grenzüberschreitungen“. Es habe „mit legitimem demokratischem Protest und harter politischer Auseinandersetzung nichts mehr zu tun“, wenn ein Minister bei der Rückkehr aus dem Urlaub am Verlassen einer Fähre gehindert werde.

Faeser dankte der Polizei für das Einschreiten. Kanzler Olaf Scholz hatte am frühen Freitagmorgen noch nicht zu dem Vorfall in Schlüttsiel Stellung bezogen.

FDP-Justizminister Marco Buschmann mit klarer Position gegen Gewalt

Justizminister Marco Buschmann (FDP) schrieb auf der Plattform X (ehemals Twitter): „Dass man auch mal wütend ist: geschenkt. Aber klar ist: Gewalt gegen Menschen oder Sachen hat in der politischen Auseinandersetzung nichts verloren! Das diskreditiert das Anliegen vieler Landwirte, die friedlich demonstrieren.“

Auch der Deutsche Bauernverband (DBV) hat die Blockade-Aktion einiger Landwirte gegen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck scharf kritisert. „Das geht gar nicht, das ist eine Grenzüberschreitung, eine Verletzung der Privatsphäre“, sagte DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken am Freitag dem WDR. „Gewalt und Nötigung haben bei unseren Aktionen nichts verloren.“

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