Ohne Sicherheitsgarantien kann sich Selenskyj auf kein Abkommen mit Moskau einlassen. Und ohne Waffenstillstand kann nicht verhandelt werden.
Selenskyj, Trump und EuropaDie fünf Schlüsselthemen der Ukraine-Verhandlungen

Washington: Blick auf das Weiße Haus vor dem Treffen von US-Präsident Trump mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj und europäischen Staats- und Regierungschefs.
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Dreieinhalb bittere Kriegsjahre liegen nun hinter der Ukraine. Tod und Zerstörung durch Russland begleiten den Alltag von Soldaten und Zivilisten. US-Präsident Donald Trump hatte nach dem Gespräch mit Kremlchef Wladimir Putin in Alaska entgegen seiner vorherigen Zusage an die Europäer einen Waffenstillstand auch nicht mehr zur Voraussetzung von Verhandlungen erklärt. Und so sterben in der Ukraine weiter Menschen durch russische Angriffe.
Auch am Montag, dem Tag des Treffens von Trump mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, Kanzler Friedrich Merz und europäischen Verbündeten im Weißen Haus: Ukrainische Behörden melden mehrere Tote, darunter ein kleines Mädchen,
Selenskyj sagte in Washington: „Wir alle wollen gleichermaßen, dass dieser Krieg schnell und verlässlich endet.“ Eine Friedenslösung müsse jedoch dauerhaft und so abgesichert sein, dass Moskau sie nicht wieder als Sprungbrett für einen neuen Angriff nutze wie nach der russischen Annexion der Krim. Trump tat derweil dem Kriegstreiber Putin einen Gefallen: Auf seiner Plattform Truth Social schrieb der US-Präsident, die Ukraine werde nicht in die Nato aufgenommen und bekomme auch die Krim nicht zurück. Für Unterhändler ein Desaster: Noch vor Verhandlungen mit Moskau gibt er entscheidende Karten aus der Hand.
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Fünf Punkte, die jetzt wichtig sind
Sicherheitsgarantien: Aus Sicht der Bundesregierung kann über Sicherheitsgarantien nicht an einem Nachmittag verhandelt werden. Das brauche Zeit - wie der ganze Prozess, damit es zu einer verlässlichen Friedenslösung kommt. Mal eben „Deal“ und „Handschlag“ mit Russland sei keine Grundlage. Nach Angaben von Trumps Ukraine-Sondergesandten Steve Witkoff hat Moskau prinzipiell zugestimmt, dass die USA der Ukraine einen Schutz ähnlich dem Nato-Artikel 5 zusichern dürften. Russland verspreche, keine weiteren ukrainischen Gebiete zu erobern. Artikel 5 besagt, dass ein Angriff auf ein Nato-Mitglied einem Angriff auf alle Nato-Partner gleichkommt und jeder Mitgliedstaat Beistand leistet.
Doch der Teufel steckt im Detail: Wie dieser Beistand aussieht, bleibt jedem selbst überlassen. Er kann militärisch sein, die Aufrüstung der ukrainischen Armee oder Beobachtung beinhalten, aber auch nur eine Protestnote oder die Ausweisung eines Botschafters bedeuten. Am Ende entscheidet allein der politische Wille. Am wirkungsvollsten wäre eine internationale Schutztruppe mit Ländern, die Putin nicht zu attackieren wagt – etwa China.
Sind deutsche Bodentruppen in der Ukraine vorstellbar? Was Deutschland machen wird, ist bisher nicht klar: Außenminister Johann Wadephul (CDU) sagte im Podcast „Table.Today“, eine Entsendung deutscher Soldaten in die Ukraine würde Deutschland „voraussichtlich überfordern“. Die Skepsis ist jedenfalls groß. Es käme elementar darauf an, ob die USA sich an einem solch gefährlichen Einsatz beteiligen würden. Er wäre personell aufwändig und würde mutmaßlich Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern. Schon jetzt leidet die Truppe an Personalmangel.
Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Thomas Röwekamp (CDU), sagte aber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Dass deutsche Soldaten ihren Dienst in der Ukraine leisten müssen, halte ich nicht für ausgeschlossen, sondern für wahrscheinlich.“ Wenn es darum gehen sollte, ein Friedensabkommen zu überwachen, mache das die Bundeswehr an anderen Orten auch.
Territoriale Fragen: Im Raum steht, dass Kiew die von Russland besetzten Gebiete de facto, aber nicht de jure abtreten und dafür handfeste Sicherheitsgarantien der USA und Europas für das noch von der Ukraine kontrollierte Land erhalten soll. Der Preis wäre hoch: 19 Prozent des Landes stehen aktuell unter russischer Kontrolle, darunter Teile der rohstoffreichen Region Donbass.
Die Rolle von Friedrich Merz und der europäischen Partner: Bundeskanzler Friedrich Merz hatte am vorigen Mittwoch ad hoc die europäischen Verbündeten für ein Gespräch mit Trump zusammengetrommelt und Selenskyj dafür nach Berlin eingeladen. Somit sprechen Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Finnland und die EU-Kommission mit einer Stimme. Und in diesem Kreis ist das Entsetzen über die Bilder in Alaska mit Putin auf dem roten Teppich groß, ebenso über Trumps Druck auf Selenskyj, den Vertreter der Opfer. Ansonsten ist Europa gespalten zwischen Härte und Einlenken - die Balten drängen aus historischen Gründen auf einen kompromisslosen Kurs und mahnen zu Vorsicht, andere neigen zu Zugeständnissen. Über allem liegt die Sorge: Sollte Putin mit seinem Krieg Erfolg haben, könnte er schon bald ein EU-Land ins Visier nehmen.
Die Ukraine ist kriegsmüde: Nach dem russischen Überfall am 24. Februar 2022 hatten sich 73 Prozent der Ukraine dafür ausgesprochen, bis zu einem Sieg zu kämpfen, nur 22 Prozent waren für eine Verhandlungslösung. Inzwischen hat sich die öffentliche Meinung fast vollständig umgekehrt. In einer in diesem Monat veröffentlichten Umfrage des US-Instituts Gallup gaben 69 Prozent an, die Ukraine sollte sich darum bemühen, so bald wie möglich ein Ende des Krieges auszuhandeln. Nur noch 24 Prozent sind der Meinung, die Ukraine sollte weiterkämpfen, bis sie den Krieg gewinnt.