Serap Güler im Interview„Wir sind der Ansprechpartner, und nicht Erdogan“

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Serap Güler im Gespräch über Integration, Clan-Kriminalität und Erdogans Macht in Nordrhein-Westfalen.

  • Serap Güler, Staatssekretärin für Integration, spricht im Interview darüber, wie die Landesregierung den Einfluss des türkischen Präsidenten Erdogan in NRW begrenzen kann.
  • Sie erzählt, wie sie mit der Kritik daran umgegangen ist, dass sie bei der deutschen Islamkonferenz in Berlin ein Kleid trug.
  • Und sie nimmt Stellung dazu, ob die Clan-Kriminalität in NRW auch ein Integrationsversagen ist.

Frau Güler, Ihr Parteifreund Carsten Linnemann wirbt dafür, dass eine Migrantenquote von 35 Prozent an Schulen nicht überschritten werden sollte. Was sagen Sie dazu? Serap Güler: Eine solche Quote ist nicht umsetzbar. Ich setze auf das Konzept der Talentschulen in sozialen Brennpunkten, die benachteiligte Kinder fördern sollen. Im Übrigen haben viele Kinder mit Migrationsgeschichte die deutsche Staatsangehörigkeit. Das zeigt bereits, dass es bei dem Vorschlag nur darum geht, eine Symboldebatte zu entfachen.

Wie geht die Zusammenarbeit mit Ditib weiter?

Wir bleiben im Dialog. Aber ich sehe immer noch keine Bewegung bei Ditib, die gemeinsame Projekte ermöglichen würde.

Wie kann die Landesregierung den Einfluss von Erdogan auf die Türken in NRW begrenzen?

Wir müssen klar machen, dass wir der Ansprechpartner sind und nicht die Türkei. Aufstieg steht bei uns jedem offen. Ich nehme aber eine veränderte Einstellung der Türken in unserem Land wahr: Die ersten Migranten waren demütig und sprachen kaum Deutsch. Bei den Herausforderungen, die wir jetzt mit der dritten Generation haben, ist es umgekehrt.

Serap Güler Carsten Fiedler

Serap Güler mit KStA-Chefredakteur Carsten Fiedler

Bei den jungen Leuten gibt es eine Trotzhaltung. Sie fühlen sich durch viele Diskussionen in Deutschland über die Türkei ausgegrenzt. Deshalb ist ein Teil von ihnen vielleicht so empfänglich für die Einflüsterungen von Erdogan. Das türkische Amt für Auslandstürken ist in Deutschland dabei sehr umtriebig. Vorgeblich geht es bei den Aktivitäten um den Erhalt der türkischen Kultur, in Wahrheit geht es darum, politischen Einfluss auszuüben.

Ist die Clan-Kriminalität in NRW ein Beleg für ein Integrationsversagen?

Das ist vor allem ein innenpolitisches Thema. Das sind Schwerkriminelle, die oftmals gut deutsch sprechen und ein illegales Geschäftsmodell entwickeln, dem wir in der Vergangenheit nicht entschieden genug begegnet sind. Wenn wir da zum Beispiel über die Libanesen sprechen, ist eine Ursache für die fehlende Integration, dass sie keinen sicheren Aufenthaltsstatus haben.

Das hält viele Arbeitgeber davon ab, Bewerber einzustellen. Das ist natürlich absolut keine Entschuldigung, aber vielleicht ein Erklärungsansatz, da der Weg ins kriminelle Milieu kürzer wird. Wir haben rund 55.000 Menschen in NRW mit einem Duldungsstatus, davon etwa 10.000 in einer Kettenduldung, die schon länger als acht Jahre bei uns sind.

Was wollen Sie machen, um das Problem zu lösen?

Denkbar wäre beispielsweise eine Stichtagsregelung für alle, die vor 2015 kamen. Nach fünf Jahren sollte ein sicherer Status gewährt werden. Das Problem muss allerdings der Bund lösen. Viele Duldungen ziehen sich über Jahre, weil es in den Herkunftsländern oft keine demokratischen Strukturen gibt.

Welche Rolle spielt die Frau in türkischen Familien?

Ihre Rolle wird unterschätzt. Sie haben oft in den Familien das Sagen, vor allem auch gegenüber den Kindern. Insofern ist es wichtig, an die Frauen heranzukommen, damit Integration gelingt. Wenn wir die Mütter erreichen, können wir viel schaffen. Das ist natürlich bei Heiratsmigrantinnen aus Anatolien, die immer noch zu uns kommen, nicht einfach. Sie sind zum Teil in Strukturen aufgewachsen, die mittelalterlich anmuten.

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Serap Güler

Sie wurden bei der deutschen Islamkonferenz in Berlin von türkischen Teilnehmern dafür kritisiert, dass Sie ein Kleid trugen. Wie gehen Sie damit um?

Persönlich kann ich damit umgehen. Aber als Integrationspolitikerin stimmt es mich bedenklich, wenn junge Akademiker, die hier sozialisiert wurden, sich so äußern. Auf der anderen Seite sehe ich all diese Personengruppen als eine Herausforderung für meine Arbeit.

Wie sehen Sie als Unionspolitikerin aus Köln die Lage der Stadt?

Köln ist meines Erachtens die am meisten lebenswerte Stadt Deutschlands. Aber wir schaffen es immer wieder, bundesweit negativ aufzufallen. Zuletzt war das bei der Besetzung des Schauspiel-Intendanten so. Die Selbstzerfleischung schadet. Wenn man mit mehr Sorgfalt vorgehen würde, könnte man es vermeiden, sich lächerlich zu machen.

Hätten Sie Lust, Oberbürgermeisterin in Köln zu werden?

Das ist natürlich eine sehr reizvolle und zugleich herausfordernde Position, aber derzeit bin ich in meinem aktuellen Amt sehr glücklich und kann viel bewegen.

Würden die Kölner eine OB mit einem türkischen Namen wählen?

Wenn das in einer Stadt möglich ist, dann in Köln.

Das Gespräch führten Carsten Fiedler, Joachim Frank und Gerhard Voogt.

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