Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

„Propaganda-Psychose“ im KremlNazi-Vergleiche, Lügen, Heuchelei – Moskau attackiert Kanzler Merz

Lesezeit 5 Minuten
Sergej Lawrow zusammen mit Kremlchef Wladimir Putin. Russlands Außenminister hat sich mit Nazi-Vergleichen zu Friedrich Merz, Emmanuel Macron und der Ukraine geäußert. (Archivbild)

Sergej Lawrow zusammen mit Kremlchef Wladimir Putin. Russlands Außenminister hat sich mit Nazi-Vergleichen zu Friedrich Merz, Emmanuel Macron und der Ukraine geäußert. (Archivbild)

Die Worte und Taten Moskaus sprechen eine klare Sprache: Der Kreml setzt weiterhin auf Krieg – und auf schrille Propaganda-Attacken.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat Bundeskanzler Friedrich Merz mit schrillen Worten attackiert und dem CDU-Politiker sowie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron unterstellt, Russland erobern zu wollen. „Diese Persönlichkeiten haben ihren gesunden Menschenverstand völlig verloren und versuchen offen, in die Zeiten zurückzukehren, als Frankreich und Deutschland ganz Europa, vor allem das Russische Reich und die Sowjetunion, erobern wollten“, behauptete Lawrow bei einem Besuch in Kirgisistan. Es sei „traurig“, dass Paris und Berlin „zu diesen Instinkten zurückkehren“, fügte Lawrow an.

Sergej Lawrow: Frontalattacke auf Bundeskanzler Friedrich Merz

Besonders inakzeptabel seien die jüngsten Äußerungen von Kanzler Merz, die Ukraine müsse gestärkt werden und dürfe nicht russischen Tricks wie Verhandlungsaufrufen nachgeben, führte Lawrow nach Angaben der russischen Staatsagentur Tass aus.

Merz habe erklärt, dass sich andernfalls in Europa die Erfahrung der 1930er Jahre wiederholen werde, als die führenden europäischen Mächte beschlossen, den Aggressor Nazi-Deutschland zu beschwichtigen, fuhr er fort. Dies sei ein „verblüffender Vergleich“ für jemanden, der als Bundeskanzler Deutschland ernst genommen werden wolle, erklärte Lawrow demnach.

Alles zum Thema Universität zu Köln

Russischer Außenminister verbreitet Unwahrheiten über die Ukraine

Erneut verbreitete der russische Außenminister zudem auch Unwahrheiten über die Ukraine – und stellte Kyjiw in eine Reihe mit den Nationalsozialisten in Hitler-Deutschland. „Was die deutschen Nazis und die modernen ukrainischen Nazis gemeinsam haben, ist ihre Haltung gegenüber denen, die sie versklaven wollen“.

Die Deutschen hätten damals „Juden verbrannt“ und die Ukrainer würden nun Russen verbrennen, „weil sie Russen sind“, fantasierte Lawrow weiter. Es sei „sinnlos, die Gespräche mit Europa fortzusetzen“, solange dieser Zustand Bestand habe, betonte der russische Top-Diplomat wenig diplomatisch.

Lawrow: Russland in „beispielloser Konfrontation mit dem Westen“

Russland befinde sich weiterhin in einer „beispiellosen Konfrontation mit dem gesamten Westen, der sich erneut entschlossen hat, gegen uns in den Krieg zu ziehen und Russland eine strategische Niederlage zuzufügen“, behauptete Lawrow außerdem. Das „Nazi-Regime“ in Kyjiw werde vom Westen dabei „als Rammbock benutzt“. Russland eine Niederlage zuzufügen, sei dem Westen jedoch noch nie gelungen, führte der dienstälteste russische Minister aus. „Er wird es auch dieses Mal nicht schaffen“, fügte Lawrow an.

Auch über die Ukraine verbreitete der Minister erneut eklatante Lügen. Die ukrainische Regierung wolle „alles Russische gesetzlich auslöschen“ und die russische Sprache verbieten, behauptete der 75-Jährige. Beides ist unwahr. Viele Ukrainer sprechen bis heute im Alltag Russisch, die Sprache wird obendrein an vielen ukrainischen Schulen weiterhin als Fremdsprachen-Fach angeboten.

Lügen und Heuchelei aus Moskau

Besonders heuchlerisch erscheinen Lawrows unwahre Vorwürfe, da Russland kürzlich angeordnet hat, Ukrainisch in den besetzten Gebieten gänzlich vom Lehrplan zu streichen – und somit die Kinder der Bevölkerung in hier zwingen will, ihre ukrainische Identität aufzugeben. Derartiges Vorgehen kann laut UN als genozidal gewertet werden.

Lawrows radikale Töne passen unterdessen in eine Reihe von verbalen Entgleisungen Moskaus, die zuletzt immer öfter auch Lawrow selbst geliefert hatte: Mehrfach bedachte Moskaus Außenminister europäische Politiker mit Nazi-Vergleichen, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bezeichnete er etwa als „Führer Ursula“. Dem ukrainischen Präsidenten sprach der russische Außenminister unterdessen das Menschsein ab. „Man kann ihn kaum als Menschen bezeichnen“, hatte Lawrow im März über Selenskyj gesagt.

Schrille Töne: „Nachkommen von Nazis in Führungspositionen“

Vor Lawrows neuerlicher Wortmeldung am Sonntag hatte bereits seine Ministeriumssprecherin Maria Sacharowa den aggressiven Kurs Moskaus unterstrichen. „Jemand bringt absichtlich und bewusst Nachkommen von Nazis in Führungspositionen in den Ländern des kollektiven Westens“, schrieb Sacharowa in ihrem Telegram-Kanal und nannte dabei Kanzler Merz und die künftige Präsidentin der UN-Generalversammlung Annalena Baerbock als Beispiele für ihre absurde These.

Lawrow stellte unterdessen am Wochenende – ob bewusst oder unbewusst – auch klar, dass Russland trotz oftmals anderslautender Behauptungen keine Bedrohung in der Nato sieht. Die Erhöhung der Verteidigungsausgaben der Nato-Staaten auf fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes seien eher eine Bedrohung für die „Steuerzahler in der EU“ als für Russland, erklärte Lawrow.

Sergej Lawrow: Nato keine Bedrohung für Russland

Moskau messe diesem Schritt „keine nennenswerte Wirkung“ bei und verfolge vollkommen legitime Ziele. „Wir wissen genau, mit welchen Mitteln wir diese Ziele konsequent erreichen“, drohte Lawrow.

Damit wird die imperialistische Motivation hinter Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine immer deutlicher. Zuletzt hatte Kremlchef Wladimir Putin seine Beweggründe bereits ungewöhnlich offen benannt. Im Grunde gehöre die gesamte Ukraine Russland, erklärte der Kremlchef und fügte an: „Wo der Fuß eines russischen Soldaten hintritt, das gehört uns.“

Moskau hat sich „in Propaganda-Psychose hineingesteigert“

Bei Russland- und Politik-Experten sorgten Lawrows neuste Ausführungen für deutliche Reaktionen. „Kann mir bitte jemand erklären, wie unter diesen Bedingungen Diplomatie aussehen soll?“, fragte etwa der Historiker Matthäus Wehowski angesichts der schrillen Töne aus Moskau am Sonntag bei der Plattform X. „Die russische Machtelite hat sich vollumfänglich in ihre Propaganda-Psychose hineingesteigert“, fügte der Russland-Experte an.

„Das ist keine rhetorische Fingerübung“, kommentierte derweil der Kölner Politikwissenschaftler Thomas Jäger die Worte von Sacharowa über angeblichen „Neo-Nazismus“ im Westen. „Das ist die ideologische Rechtfertigung des Krieges“, fügte der Professor der Universität Köln an.

Russland überzieht Ukraine mit größtem Luftangriff seit Kriegsbeginn

Dass Russland weiterhin keinerlei Interesse an Frieden hat, belegen jedoch nicht nur die Worte aus Moskau, sondern erneut auch die Taten. Am Wochenende setzte Moskau seine Luftangriffe auf die Ukraine mit unverminderter Härte fort.

Nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe attackierte die russische Armee in der Nacht auf Sonntag die Ukraine mit 477 Drohnen und 60 Raketen, mindestens zwölf Menschen wurden Behörden zufolge verletzt, in der frontnahen Region Charkiw wurde ein Mann getötet. Es war der größte Luftangriff seit Kriegsbeginn.

Nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe starb bei der Abwehr der Angriffe auch ein Pilot. Sein F-16-Kampfflugzeug sei in der Luft beschädigt worden, er habe keine Zeit mehr gehabt, den Schleudersitz zu betätigen, hieß es aus Kyjiw. Gleichzeitig gelangen der Ukraine am Wochenende erneut erfolgreiche Angriffe auf russische Militärflugplätze.