Kommentar zu Lafontaine, Musk und Co.Putins Umdeutungsbrigade versteht es nicht

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Die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht zusammen mit ihrem Ehemann Oskar Lafontaine. Der ehemalige SPD-Politiker hat in einem Interview russische Propaganda wiedergekäut. (Archivbild)

Die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht zusammen mit ihrem Ehemann Oskar Lafontaine. Der ehemalige SPD-Politiker hat in einem Interview russische Propaganda wiedergekäut. (Archivbild)

Speaker Johnson beweist: Meinungen kann man ändern. Doch Oskar Lafontaine, Elon Musk und Co. halten Moskau weiter die Treue.

Sergej Lawrow musste nicht erst überdeutlich werden, damit Mike Johnson endlich seine Meinung ändert. Der republikanische Chef des US-Repräsentantenhauses hatte über Monate hinweg ein neues Hilfspaket für die Ukraine blockiert – bis die Lage an der Front für die ukrainischen Streitkräfte zuletzt immer bedrohlicher wurde. Und plötzlich änderte auch Johnson seine Meinung – es sei an der Zeit, auf das eigene Gewissen zu hören, statt auf persönliche Vorteile zu taktieren, befand Johnson. Berichten zufolge gingen der Entscheidung mehrere Geheimdienstbriefings voraus, die dem Republikaner offenbar die Augen geöffnet hatten. Besser spät als nie. 

Was Johnson gelungen ist – und was man ihm im Laufe seiner politischen Karriere noch hoch anrechnen wird – mag hierzulande manchen vermeintlichen Experten weiterhin nicht glücken. Dabei sind die Informationen über Russlands Motive, die imperiale Weltsicht und die Völkermord-Absichten im Kreml alles, nur kein Geheimnis mehr. Lawrow bekräftigte die Ziele am Freitag lediglich noch einmal überdeutlich.

Moskau lässt keinerlei Zweifel: Eine Ukraine, die „wahrhaft russisch“ ist

Unklar sei höchstens die Zukunft der Westukraine, stellte Moskaus Außenminister unmissverständlich klar. Ansonsten werde es nur eine Ukraine geben, „die wahrhaft russisch ist, die Teil der russischen Welt sein will, die Russisch sprechen will und ihre Kinder erzieht“, führte Lawrow aus. Etwas anderes stehe gar nicht zur Debatte.

Im Mittelpunkt: Der republikanische Chef des US-Repräsentantenhauses, Mike Johnson, hat seine Meinung zu Hilfen für die Ukraine geändert. „Ich glaube, dass Xi und Wladimir Putin und Iran wirklich eine Achse des Bösen sind“, sagte Johnson. (Archivbild)

Im Mittelpunkt: Der republikanische Chef des US-Repräsentantenhauses, Mike Johnson, hat seine Meinung zu Hilfen für die Ukraine geändert. „Ich glaube, dass Xi und Wladimir Putin und Iran wirklich eine Achse des Bösen sind“, sagte Johnson. (Archivbild)

Doch ob beim Bündnis Sahra Wagenknecht, manchen Politik-Experten oder Milliardär Elon Musk: Russland kann in diesem Krieg so deutlich werden, wie es will, und so viele Kriegsverbrechen begehen, wie es möchte – Putins digitale Umdeutungsbrigaden im Westen finden trotzdem stets einen Weg, die Worte aus dem Kreml einfach umzudeuten. Und plötzlich steht mal wieder der Westen als der Dumme da. 

Putins Umdeutungsbrigaden im Westen: Lafontaine liefert reinste Propaganda

Ein wahres Meisterstück in Sachen Kreml-Propaganda lieferte da pünktlich zum für die Ukraine so wichtigen Wochenende der ehemalige SPD- und Linken-Politiker und jetzige Wagenknecht-Ehemann Oskar Lafontaine im Interview mit dem „Spiegel“. Lafontaine reproduzierte in erschreckender Zuverlässigkeit nahezu alle bekannten Narrative aus Moskau und sprach dabei sogar von einem US-finanzierten Putsch in Kiew und „CIA-Biolaboren“ in der Ukraine – ganz so, wie man es aus Moskauer Gazetten kennt.

Ein besonderes Talent in Sachen Umdeutung hat derweil auch der Politikwissenschaftler Johannes Varwick von der Universität Halle-Wittenberg, der sich angesichts Lawrows klarer Worte zunächst erstaunt gab – um dann doch einen Ausweg zu finden, bei dem Moskau irgendwie ganz gut wegkommt.

Mancher sieht in Lawrows Worten „keinen Beleg“, dass Russland die Existenz der Ukraine infrage stellt

Es falle „wie immer leicht“, in Lawrows Worten „Inakzeptables und auch Ungeheuerliches“ zu entdecken, erklärte der Politologe bei X (vormals Twitter). Es sei jedoch sinnvoller, die „russische Interessenlage“ aus den Worten heraus zu lesen. „Ich sehe darin keinen Beleg dafür, dass Russland grundsätzlich die staatliche Existenz der Ukraine infrage stellt“, erklärte Varwick als hätte Lawrow nicht genau das zuvor wortwörtlich getan. Was übrigens auch keine Premiere seit Kriegsbeginn war.

Die Worte Lawrows seien „vielmehr eine aus russischer Sicht verständliche Abgrenzung zu der derzeitigen schweizerischen Friedensinitiative, die sich an der ukrainischen Friedensformel orientiert“, deutete Varwick also munter weiter. Es sei notwendig, ein Format zu finden, das eine „sowohl für Russland als auch die Ukraine akzeptable Ausgangslage bietet“, forderte der Politikwissenschaftler, der innerhalb der deutschen Fachkreise zunehmend allein dasteht.

Elon Musk meldet sich zu Wort – und kriegt eine Antwort aus Kiew

International sieht das etwas anders aus. Da gibt es von Tech-Milliardär Elon Musk regelmäßig prominente Unterstützung für die meist ausschließlich an den Westen gerichteten Forderungen nach Verhandlungen und Frieden, die stets gerne mit – ebenfalls aus Russland vorgekautem – gefühlsduseligem Bedauern über die vielen ukrainischen Toten garniert werden.

„Meine größte Sorge besteht darin, dass es keine Ausstiegsstrategie gibt, sondern nur einen ewigen Krieg, in dem Kinder in Schützengräben durch Artillerie oder durch Minenfelder stürmende Maschinengewehre und Scharfschützen sterben“, schrieb Musk also am Sonntag mal wieder, als würde die US-Hilfe Ukrainer töten – und nicht die von Kriegsverbrecher Wladimir Putin entsandte russische Terror-Armee.

„Eine realistische, objektive ‚Exit-Strategie‘ ist eklatant einfach“

Eine Antwort gab es für den Milliardär prompt aus Kiew – und auch die Lafontaines und Varwicks, die gerne eine „gemeinsame Sicherheitsarchitektur Europas mit Russland“ fordern, dürfen sich angesprochen fühlen. „Eine realistische, objektive ‚Exit-Strategie‘ ist eklatant einfach“, entgegnete das ukrainische Präsidialamt Musk bei X. „Der Aggressor (Russland) verlässt bedingungslos das fremde Hoheitsgebiet und die heiße Phase des Krieges endet sofort“, fügte Selenskyj-Berater Mychajlo Podoljak an.

Tech-Milliardär Elon Musk meldet sich immer wieder mit Bemerkungen zu Russlands Krieg gegen die Ukraine zu Wort – und hat dabei bereits mehrfach die Narrative des Kremls übernommen. (Archivbild)

Tech-Milliardär Elon Musk meldet sich immer wieder mit Bemerkungen zu Russlands Krieg gegen die Ukraine zu Wort – und hat dabei bereits mehrfach die Narrative des Kremls übernommen. (Archivbild)

„Ich verstehe sehr gut, dass einfache Wahrheiten manchmal extrem schwer zu realisieren sind“, hieß es weiter vom Kiewer Präsidentenberater, der schließlich noch einmal die aus seiner Sicht einzig denkbare „Exit-Strategie“ für den Krieg wiederholte – und fragte: „Was ist daran so schwierig?“ Tja. Gute Frage! 

Sinneswandel bei Speaker Johnson: „Eine Achse des Bösen“

Denn wer bereit ist, Russland entgegenzukommen, wirft die einzige „Sicherheitsarchitektur“, die Europa wirklich dringend braucht, kurzerhand auf den Müllhaufen der Geschichte. Die Grenzen europäischer Länder sind und dürfen nie mehr mit Gewalt veränderbar sein oder werden. Wer ein Land in Europa angreift, muss verlieren – im Zweifel auch mehr als nur den Krieg. Das ist so lange die einzige „Sicherheitsarchitektur“, die Europa im Umgang mit Russland braucht, bis Moskau die Botschaft kapiert hat. 

Das scheint auch Speaker Johnson schlussendlich verstanden zu haben. „Ich glaube, dass Xi und Wladimir Putin und Iran wirklich eine Achse des Bösen sind“, erklärte der vorherige Zauderer.

Russlands Krieg gegen die Ukraine: Auf der richtigen Seite stehen

„Drei unserer Hauptgegner, Russland, Iran und China, arbeiten zusammen und sind weltweit aggressiv. Sie sind eine globale Bedrohung für unseren Wohlstand und unsere Sicherheit. Ihr Vormarsch bedroht die freie Welt, und das erfordert eine amerikanische Führungsrolle“, führte Johnson, der mit seinem Sinneswandel seinen Job riskiert, aus. „Wenn wir ihnen jetzt den Rücken kehren, könnte das verheerende Folgen haben.“

Für seine Meinungsänderung in letzter Sekunde bekommt der Republikaner nun zurecht viel Lob. „Er sagte: Am Ende des Tages werde ich auf der richtigen Seite der Geschichte stehen, unabhängig von meinem Job“, lobte Parteikollege Michael McCaul die Wandlung Johnsons, über deren genaue Gründe in den USA weiter gemutmaßt wird. Aber die sind am Ende vielleicht gar nicht so wichtig.

Viel wichtiger ist – und das dürfen auch Putins Umdeutungsbrigaden im Westen endlich einmal verstehen – überhaupt auf der richtigen Seite zu stehen. Besser spät als nie. 

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