Machtkampf im KremlPutin „bestraft“ seinen Kriegsminister – und sorgt für wilde Gerüchte

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Langjährige Weggefährten: Außenminister Sergej Lawrow, Kremlchef Wladimir Putin und Verteidigungsminister Sergei Schoigu. Um die Zukunft der beiden Minister gibt es nun wilde Spekulationen. (Archivbild)

Langjährige Weggefährten: Außenminister Sergej Lawrow, Kremlchef Wladimir Putin und Verteidigungsminister Sergei Schoigu. Um die Zukunft der beiden Minister gibt es nun wilde Spekulationen. (Archivbild)

Um einige von Wladimir Putins treuste Weggefährten gibt es Spekulationen. Experten sehen darin einen Schachzug des Kremlchefs. 

Nach der Verhaftung des stellvertretenden russischen Verteidigungsministers Timur Iwanow verdichten sich die Anzeichen für einen Machtkampf im Kreml. Nachdem die Korruptionsvorwürfe gegen Iwanow laut geworden sind, scheinen nun auch andere Minister aus dem Kabinett von Kremlchef Wladimir Putin in den Fokus zu rücken.

An vorderster Stelle ist dabei Verteidigungsminister Sergei Schoigu zu nennen. Bereits am Donnerstag kamen Gerüchte um eine mögliche Absetzung von Putins Kriegsminister auf. Schoigu gilt seit Iwanows Festnahme als beschädigt. Dafür spreche auch, dass Kremlchef Putin sich am Donnerstag mit dem bekannten Mitglied der Wagner-Söldnergruppe Alexei Djumin getroffen habe, berichtet das amerikanische Institut für Kriegsstudien (ISW).

Will Wladimir Putin die Macht von Kriegsminister Schoigu beschneiden?

Dies sei ein Hinweis darauf, dass Putin versuche, „die Macht von Schoigu zu beschneiden“, indem er ihn „mit seinen innerrussischen Rivalen ausbalanciert“ – dazu gehörte in der Vergangenheit auch die Wagner-Gruppe. Der verstorbene ehemalige Anführer der Gruppe, Jewgeni Prigoschin, hatte Schoigu immer wieder öffentlich als unfähig bezeichnet.

Putin habe das Treffen mit dem Wagner-Vertreter nun „wahrscheinlich bewusst publik gemacht, um das Verteidigungsministerium für die Nichterfüllung der militärischen Ziele des Kremls zu bestrafen“, schreiben die US-Analysten. Ähnlich sieht es auch der ehemalige russische Oligarch Michail Chodorkowski. „Putin glaubt, das Militär – und damit auch Schoigu – sei zu mächtig geworden, und er will sie zügeln“, schrieb der nunmehrige Kremlkritiker im sozialen Netzwerk X (vormals Twitter).

Machtkampf im Kreml: Auch um Sergej Lawrow gibt es wilde Gerüchte

Doch Schoigu ist nicht der einzige prominente Name aus Putins Kabinett, der derzeit in den Fokus gerät. Auch um Außenminister Sergej Lawrow gibt es wilde Spekulationen. So ging in russischen Telegram-Kanälen in dieser Woche das Gerücht um, der Außenminister könnte bald abgesetzt und durch den stellvertretenden russischen Premierminister Aleksandr Nowak ersetzt werden. Den unbestätigten Beiträgen bei Telegram zufolge, soll Lawrow auf diese Gerüchte überaus ungehalten reagiert haben, der Minister sei „wütend“ gewesen, hieß es.

In der Ukraine wurde das Geraune um Lawrow unterdessen mit Belustigung aufgenommen. Der ständige Vertreter der Ukraine bei den Vereinten Nationen, Serhij Kyslyzja, erlaubte sich im sozialen Netzwerk prompt einen Witz über einen fiktiven Dialog zwischen Lawrow und dem gehandelten Nachfolger Nowak.

US-Analysten sehen Wladimir Putin selbst hinter Personalrochaden

Vor Putins erneuter Amtseinführung, die nach der „Wiederwahl“ des Kremlchefs nötig ist, herrscht derweil auch abseits der großen Namen viel Unruhe in den russischen Gazetten. So berichtet die „Moscow Times“, dass auch die stellvertretende Ministerpräsidentin Wiktorija Abramtschenko im Zuge der durch Putin angeordneten Änderungen ihren Job verlieren könnte. Das hätten mehrere kremlnahe anonyme Quellen berichtet, schreibt das russische Exil-Medium.

Die stellvertretende Ministerpräsidentin Wiktorija Abramtschenko hält im Februar eine Rede vor einem großen Bild von Kremlchef Wladimir Putin. Auch sie könnte den Personalrochaden im Kreml zum Opfer fallen.

Die stellvertretende Ministerpräsidentin Wiktorija Abramtschenko hält im Februar eine Rede vor einem großen Bild von Kremlchef Wladimir Putin. Auch sie könnte den Personalrochaden im Kreml zum Opfer fallen.

Putin, der sich bei Scheinwahlen im März eine fünfte Amtszeit als Präsident sicherte, wird voraussichtlich am 8. Mai, dem Tag nach seiner Amtseinführung, seinen neuen Premierminister ernennen. Der neue Regierungschef wird dem Kremlchef dann ein Ministerkabinett zur Genehmigung vorschlagen.

Wagner-Söldner im Vorjahr noch von Putin „gedemütigt“

Die US-Analysten vom ISW sehen den Kremlchef selbst hinter den jüngsten Personalrochaden und den daraus folgenden Gerüchten. Das lege das jetzt publik gemachte Treffen zwischen Putin und Wagner-Vertreter Djumin nahe. Putin lasse „regelmäßig Beamte und Militärbefehlshaber in seiner Gunst in der Hoffnung wechseln, verschiedene Fraktionen dazu zu bewegen, sich um die Erreichung seiner Ziele zu bemühen“, heißt es in der Analyse des ISW.

So sei es im Vorjahr noch genau andersherum gelaufen. Damals habe Putin den Wagner-Vertreter Dyumin, der jetzt medienwirksam getroffen hat, im August 2023 öffentlich mit einer Absage „gedemütigt“ – zuvor hatten Prigoschins Söldnertruppen kurzzeitig eine Meuterei gegen den Kreml versucht. Prigoschin selbst starb einige Wochen später unter unklaren Umständen bei einem Flugzeugabsturz.

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