- Regulärer Unterricht für alle Kinder vor den Sommerferien? Von wegen! Es kommt aufs Kleingedruckte an.
- Die Realität sieht für Hunderttausende Kinder in NRW anders aus: ein halbes Jahr Zwangsferien.
- Sie gehören zu den vergessenen Jahrgängen – trotz digitaler Lernangebote.
- Ein Kommentar.
„Zwei Jahre Ferien“ – der Jules-Verne-Klassiker, in den 1970er Jahren vom ZDF verfilmt, war für mich faszinierend. Ganz so weit entfernt von den eigenen Kindheitsfantasien ist die Realität meiner Kinder heute nicht mehr.
Am 16. März schlossen in Köln, wie in ganz NRW, die Schulen. Inzwischen sind es noch gut sechs Wochen bis zum Beginn der Sommerferien. Schulbeginn danach soll der 11. August sein. Auf fünf Monate Pause summiert sich das somit. Also fast ein halbes Jahr Zwangsferien.
Ja, aber hat der Schulbetrieb in NRW denn nicht längst wieder begonnen? Und hat nicht Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) „regulären Unterricht“ für alle Schüler vor den Sommerferien versprochen? Irgendwie ja. Aber, wie Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) unlängst die Lehrer und auch die interessierte Öffentlichkeit beschied: Es kommt aufs Kleingedruckte an.
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Meine Kinder zum Beispiel – weder Grundschüler noch Abiturienten oder Teil eines anderen Abschluss-Jahrgangs – werden ihre Schule bis Ende Juni noch an drei oder vier Tagen von innen sehen. Andere Eltern berichten mir Ähnliches: Eine Schülerin der Einführungsphase (Klasse 10) hat nominell noch sieben Tage Schule. Davon sind aber sechs für Klausuren und Nachschreibtermine vorgesehen. Bleibt ein Tag Unterricht.
Ich finde, trotz digitaler Lernangebote sind diese Mädchen und Jungen die vergessenen Jahrgänge. Und ihre Zahl geht in die Hunderttausende. Nach meiner Beobachtung gehen sehr viele Schüler mit dieser Situation sehr verantwortungsvoll um. Fast bewundere ich sie für ihren Ernst und den Eifer, mit dem sie ihre elektronisch übermittelten Aufgaben lösen oder an Video-Konferenzen mit ihren Lehrerinnen und Lehrern teilnehmen.
Umso wichtiger wäre es, dass schon jetzt die Planungen beginnen, wie es ab dem 11. August für sie alle weitergehen soll. Ich hatte nicht den Eindruck, dass alle Schulen im Land den „Lockdown“ samt der Zeit der Osterferien so genutzt haben, dass sie am Tag 1 der Lockerungen bestens präpariert waren. Im Gegenteil, immer wieder höre ich von einem „Corona-Sabbatical“-Gefühl unter Lehrern, die für ihre Schüler wochenlang nicht erreichbar gewesen seien.
Damit will ich nicht das Engagement von Schulleitern und Lehrerkollegien in Abrede stellen. Ich wünsche mir aber einen genauen bilanzierenden Blick auf die schon verstrichene Zeit und konkrete Konsequenzen für die Vorbereitung des neuen Schuljahrs. Unsere Kinder sind nicht wie bei Jules Verne auf einer einsamen Insel gestrandet. Sie sind nicht verschollen. Sie wollen nur nicht vergessen sein.