Urlaub in der Corona-KriseWie groß ist die Infektionsgefahr im Flugzeug?

Lesezeit 7 Minuten
Neuer Inhalt

Wie groß ist die Gefahr, sich im Flieger mit dem Coronavirus anzustecken?

  • Ist das Risiko erhöht, sich mit dem Coronavirus zu infizieren, wenn man in ein Flugzeug steigt?
  • Nicht unbedingt. Ein Kölner Virologe erklärt, wo die Infektionsgefahr bei einer Flugreise am größten ist.
  • Welche Maßnahmen Airlines und der Flughäfen treffen, um Personal und Reisende zu schützen.

Köln – Abstand halten ist das Gebot in der Corona-Krise. Die Vorstellung, für mehrere Stunden mit über hundert Menschen an Bord eines Flugzeuges zu sitzen, ist wegen der Pandemie für den ein oder anderen beängstigend. Scheint die Gefahr auf den ersten Blick doch groß, sich auf dem engen Raum bei einem unwissentlich infizierten Passagier mit dem Coronavirus anzustecken. Ab dem 15. Juni sind Flüge zu europäischen Urlaubszielen wieder möglich. Doch wie sicher ist die Anreise mit dem Flugzeug? Wie groß ist das Infektionsrisiko? Die wichtigsten Fragen im Überblick:

Gibt es Untersuchungen zum Ansteckungsrisiko im Flugzeug?

Der Flugmediziner David Powell hat im Auftrag der „International Air Transport Association“ (IATA) Anfang Mai untersucht, wie groß das Risiko ist, sich an Bord eines Flugzeuges mit dem Coronavirus zu infizieren. Laut einer Umfrage bei 18 Airlines, die 14 Prozent des weltweiten Luftverkehrs ausmachen, gab es sieben Verdachtsfälle einer Covid-19-Infektion von Passagieren oder Crew-Mitgliedern. Ob sie sich an Bord eines Flugzeugs, im Hotel oder an anderer Stelle infiziert haben, wird durch diese Umfrage allerdings nicht eindeutig geklärt. Auch eine mögliche Dunkelziffer wird nicht beachtet. Zudem stellt sich die Frage, wie aussagekräftig eine Untersuchung ist, die von einer Luftverkehrs-Vereinigung in Auftrag gegeben wurde. 

Wann ist das Infektionsrisiko bei einer Flugreise am größten?

„Entsteht beim Boarding ein Gedränge oder stehen Reisende dabei dicht aneinander, ist das Infektionsrisiko hoch“, sagt der Virologe Rolf Kaiser. Er arbeitet am Institut für Virologie der Uniklinik Köln und leitet dort die molekulare Diagnostik. Auch beim Ausstieg aus dem Flieger sieht er ein potenzielles Risiko, weil viele Menschen gleichzeitig aufstehen und möglichst schnell das Flugzeug verlassen möchten.

An Deutschlands größtem Flughafen in Frankfurt hat der Betreiber Fraport einige Hygiene-Maßnahmen getroffen. Wartebereiche bei der Bordkarten- und der Sicherheitskontrolle sind so umgestaltet worden, dass ein Sicherheitsabstand von 1,5 Metern eingehalten werden kann. Es sollte online eingecheckt werden, um lange Schlangen an den Check-In-Schaltern zu verhindern. Das Gepäck kann an den Gepäckautomaten kontaktlos aufgegeben werden. In Aufenthaltsbereichen darf nur jeder zweite Sitz genutzt werden. Fraport informiert darüber, dass in Bereichen, wo Reisende und Flughafenpersonal den Abstand nicht einhalten können, Plexiglasscheiben zum Schutz aufgestellt wurden. Zudem trägt das Personal dort einen Mund-Nasen-Schutz. In Passagierbussen und den Läden im Flughafen gilt eine Maskenpflicht, diese gilt auch in allen Bereichen der Terminals, sowie an Bord der Flugzeuge. Gleiche oder ähnliche Maßnahmen gelten auch an anderen Flughäfen, etwa in Köln/Bonn. Die genauen Vorgaben sollten vor Reiseantritt auf den Webseiten der Flughäfen und der Airlines eingesehen werden, auch weil sie kurzfristig an neue Erkenntnisse angepasst werden könnten.

Um den Boarding-Prozess zu entzerren, bietet etwa die Airline Eurowings kontaktloses Boarding an: Die Passagiere werden in Gruppen zum Boarding aufgerufen, innerhalb der Kleingruppen kann so der Mindestabstand von 1,5 Metern gewahrt werden. Die Boardingpässe müssen selbstständig an das Lesegerät gehalten werden.



Die Airline Lufthansa teilt dieser Zeitung auf Anfrage mit, dass für den Ausstieg aus dem Flieger wegen der Corona-Krise neue Regeln gelten. 15 Minuten nach Ankunft am Gate können die ersten Passagiere aussteigen, damit nicht alle Reisenden zusammen aufstehen, steigen die Urlauber in Gruppen aus. Um Gedränge im Gang der Maschine zu vermeiden, empfiehlt die deutsche Luftaufsichtsbehörde zudem das Handgepäck auf maximal ein Gepäckstück pro Reisendem zu verringern. Alle weiteren Gepäckstücke müssen beim Check-In aufgegeben werden.

Kann man am Flughafen einen Corona-Test machen?

Einige Flughäfen, darunter der Frankfurter und der Wiener Flughafen, bieten derzeit bereits freiwillige Corona-Tests an. Für diese ist eine Online-Voranmeldung notwendig, außerdem müssen die Kosten selbst getragen werden. Ein Antikörper-Test kostet in Frankfurt 120 Euro, für einen Nasen-/ Rachenabstrich auf Sars-CoV-2 müssen 150 Euro gezahlt werden. Die Kosten für einen Kombinationstest belaufen sich auf 305 Euro.

Alle atmen im Flieger die gleiche Luft. Vergrößert das die Gefahr?

Das Coronavirus wird durch Tröpfchen, also wenn jemand niest, hustet oder feucht spricht, übertragen und sehr wahrscheinlich auch durch Aerosole. Durch einen feinen Virusnebel, der beim normalen Sprechen und Atmen entsteht und lange in der Luft stehen bleibt, erklärt Virologe Rolf Kaiser. Ein Fall aus den späten 1970ern zeige, was passiert, wenn Menschen lange ohne die angeschaltete Belüftungsanlage in einem Flugzeug warten und ein Passagier infiziert ist: „Das Flugzeug wartete Stunden auf dem Rollfeld, die Lüftung wurde abgeschaltet. Die Passagiere saßen alle ohne Belüftung zusammen mit einer an Influenza erkrankten Person.“ Die Folge: viele steckten sich an.

Daraus habe man gelernt, dass die Belüftungsanlage auch bei wartenden Flugzeugen auf dem Rollfeld angeschaltet bleiben muss. Mit Aufkommen der Schweinegrippe habe man das Infektionsrisiko für eine Flugreise genauer untersucht. Das Ergebnis: Für die Reihen vor und hinter, sowie neben einer infizierten Person, ist die Ansteckungsgefahr am größten. Vorschriften, dass Passagiere in größeren Abständen im Flugzeug platziert werden müssen, gibt es bisher noch nicht. Aufgrund der nun geltenden Maskenpflicht an Bord der Maschinen sei eine solche Maßnahme nicht nötig, teilte die Lufthansa Group in einer Pressemitteilung mit.

Insgesamt schätzt der Virologe das Infektionsrisiko im Flugzeug als gering ein, weil die Luft im Flieger gefiltert und bewegt wird. „Außerdem ist die trockene Luft im Flugzeug schlecht für das Virus“, erklärt Kaiser. Auf einem langen Flug sei das Infektionsrisiko insgesamt größer, weil Passagiere mehr umher laufen und der Aufenthalt länger dauert.

„Flugzeuge der Lufthansa Group Airlines sind mit Filtern ausgestattet, die die Kabinenluft reinigen“, sagt ihr Sprecher Jörg Waber. Die gesamte Rezirkulationsluft werde gesäubert und Staub, Bakterien und Viren werden hinausgefiltert. Dies betreffe circa 40 Prozent – der Rest kommt als Frischluft von außen hinzu. „Der Abscheidegrad dieser Filter entspricht dem Standard der Filter eines klinischen Operationssaals. Durch die Verwendung dieser speziellen Filter ist die Kabinenluft sauberer als die, die der Mensch auf der Erde einatmet. Die Luft strömt außerdem von oben nach unten, was es unwahrscheinlich macht, etwas vom Sitznachbarn einzuatmen.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Armlehnen, Tische, Polster – kann ich mich über eine Schmierinfektion anstecken?

Zu hundert Prozent ausschließen kann man es nicht, aber es ist eher unwahrscheinlich, sagt der Kölner Virologe. „Niest jemand in seine Hand und fasst danach einen Tisch an, verändert sich die Oberfläche des Virus. Sie wird größer, was dazu führt, dass Coronaviren schneller austrocknen.“ Das mache eine Infektion unwahrscheinlicher.

An den Airports, sowie an Bord der Flugzeuge wird den Reisenden Desinfektionsmittel zur Verfügung gestellt. Zudem werden alle Maschinen täglich gründlich desinfiziert. Auch an den Flughäfen werden alle Oberflächen regelmäßig gereinigt und desinfiziert.



Um das Risiko von Schmierinfektionen zu minimieren, haben einige Airlines ihr Serviceangebot reduziert. Bei der Lufthansa wird in der Kabine gänzlich auf die Ausgabe offener Speisen verzichtet. Ein vegetarisches Sandwich wird nur noch auf Flügen von einer Dauer von mindestens drei Stunden gereicht, eine Flasche Wasser erhalten Passagiere auf Flügen von mindestens 50 Minuten. Dauert der Flug mindestens 150 Minuten wird das gewohnte Getränkeangebot verfügbar sein, außerdem bekommen Passagiere einen Snack ausgehändigt.

Helfen Masken?

Selbst genähte Masken oder ein einfacher Einweg-Mund-Nasen-Schutz bei allen Passagieren verringere das Infektionsrisiko, weiß Kaiser. Das habe auch damit zu tun, dass man sich durch die Maske weniger ins Gesicht fasse. Einen zuverlässigen Schutz bieten FFP2- und FFP3-Masken.

An den Flughäfen gilt eine Maskenpflicht. Auch bei vielen Airlines, wie etwa vielen Airlines der Lufthansa Group, gilt seit dem 8. Juni eine Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung. Diese gilt am Flughafen und während des gesamten Fluges. Die Flughäfen und Airlines rufen Reisende dazu auf, selbst eine Maske mitzubringen. Auch das Personal in den Service-Bereichen der Flughäfen und an Bord der Flugzeuge trage einen Mund-Nasen-Schutz.

Wie kann ich mich sonst noch schützen?

Wie auch sonst, ist es wichtig, auf eine gute Hygiene zu achten. Das bedeutet: Die Hände gründlich waschen, in die Armbeuge niesen oder husten. „Die trockene Luft im Flieger trocknet die Schleimhäute aus, weshalb es wichtig ist, viel zu trinken, um die Schleimhäute zu befeuchten. Das ist wichtig, weil ausgetrocknete Schleimhäute angreifbarer sind“, erklärt Kaiser.

KStA abonnieren