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Stiko empfiehlt5- bis 11-Jährige sollen gegen Corona geimpft werden – aber nur einmal

6 min
Kind Impfung Symbolbild

Ein Mädchen erhält nach der Corona-Impfung ein Pflaster.

Berlin – Die Ständige Impfkommission (Stiko) hat ihre Corona-Impfempfehlung für 5- bis 11-jährige Kinder geändert – und zwar durchaus überraschend. Für sie wird nun empfohlen, sich lediglich einmal mit dem Kinderimpfstoff von Biontech, also einer kleineren Dosis, impfen zu lassen. Das teilte die Stiko am Dienstagmorgen mit. Zuvor gab es diese Empfehlung lediglich für Kinder mit Vorerkrankungen oder bei Kontakt zu Risikopatienten. Für diese Kinder gilt die Empfehlung: zwei Spritzen zur Grundimmunisierung plus Auffrischungsimpfung. Warum die Stiko 5- bis 11-Jährigen ohne Vorerkrankung nur eine Impfung empfiehlt, erklären wir hier.

Denn nicht nur Gleichaltrige mit Vorerkrankungen, auch ältere Kindern, Jugendliche und Erwachsene sollen deutlich öfter gepikst werden. Zweimal für eine Grundimmunisierung. Und ein drittes Mal, um durch eine Auffrischungsimpfung den Schutz insbesondere vor der aktuell vorherrschenden Corona-Variante Omikron zu erhöhen. Menschen mit höherem Risiko, schwer zu erkranken, sollen sich sogar ein viertes Mal impfen lassen. Warum bei kleinen Kindern also nur ein Piks?

Stiko: Fast alle Kinder schon infiziert gewesen

Das hat vor allem zwei Gründe. Einer ist die in dieser Altersgruppe größtenteils schon erfolgte Infektion. „Wir wissen aus den Daten des Robert-Koch-Instituts, dass über 50 Prozent der 5- bis 11-Jährigen schon eine Infektion hatten“, sagt Dr. Martin Terhardt, Kinder- und Jugendarzt und Mitglied der Stiko. Soweit die offiziellen Zahlen. Die hohe Dunkelziffer schraube diese Zahl allerdings nochmal weiter nach oben. Der Großteil der Experten gehe davon aus, „dass 70 bis 100 Prozent der Kinder schon infiziert gewesen sind.“ Für eine mögliche Impfung bedeutet das: Sie hatten bereits Kontakt mit dem Virus und haben so eine erste Immunität aufgebaut.

Wird auf dieser Immunität aufbauend eine Impfung verabreicht, spricht man von einer sogenannten hybriden Immunität: Infektion plus Impfung. „Wir haben in der Literatur gesehen, dass durch Infektion und Impfstoff verschiedene Teile des Immunsystems verschieden gut angesprochen werden“, erklärt Terhardt. Die Studiendaten dazu gibt es zwar vor allem für Erwachsene, bei Kindern sei dies aber theoretisch sehr gut belegt, erklärt Dr. Tim Niehues, Chefarzt des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin am Helios Klinikum in Krefeld. Terhardt ergänzt, dass eine hybride Immunität gerade bei künftigen Varianten den besten Schutz biete.

„Das Impfziel hat sich verändert“

Und genau darum geht es der Stiko: um künftige Varianten und Wellen. Womit auch der zweite Grund für diese Empfehlung klar wird: das Impfziel. Das unterscheidet sich zu denen anderer Altersgruppen. „Wir wollen Omikron mit dieser Empfehlung nicht eindämmen. Das schaffen wir mit diesem Impfstoff gar nicht. Sondern wir wollen einen Basisschutz schaffen“, so Terhardt. Die Blicke der Stiko gehen eher Richtung Herbst, die jetzige Empfehlung kann man auch als Vorbereitung darauf sehen. Sie soll einen Grundschutz aufbauen, damit eine spätere zweite Impfung eine bessere Wirkung entfalten kann – falls sie denn nötig werden sollte. Denn ein längerer Abstand zwischen zwei Impfungen ist aus immunologischer Sicht sinnvoll, die Folgeimpfung wirkt dann besser, sorgt für eine stärkere Antwort des Immunsystems.

Ob diese aber überhaupt nötig sein wird, lässt sich kaum voraussagen. Das hängt unter anderem davon ab, ob und welche neuen Varianten dann kursieren und wie gut die angepassten Impfstoffe sind, die bis dahin auf dem Markt sind. „Wir müssen von Monat zu Monat entscheiden, wir haben eine Pandemie. Wir können uns nicht auf alles komplett vorbereiten“, erklärt Terhardt. Die eine empfohlene Impfung baut auch jetzt schon einen gewissen Schutz vor einer Infektion auf, bietet eine „Verbreiterung der Immunität“, die durch eine Infektion wahrscheinlich schon zum Teil vorhanden ist, so Terhardt. Sie bietet aber vor allem die Möglichkeit, im Herbst flexibel und schnell reagieren zu können. Terhardt: „Das Impfziel hat sich verändert.“

USA: Booster für 5- bis 11-Jährige

Andere Länder wählen bei der Impfung von 5- bis 11-Jährigen den aus anderen Altersgruppen bekannten Ansatz: Grundimmunisierung plus Booster. Erst vor ein paar Tagen empfahlen zum Beispiel die USA eine Booster-Impfung für 5- bis 11-Jährige. Neben dem veränderten Impfziel und der hohen Dunkelziffer an Infektionen gibt Terhardt noch weitere Gründe, warum sich dieses Vorgehen nicht eins zu eins auf Deutschland übertragen lässt. So sei die Gesundheitsversorgung in den USA eine andere als in Deutschland. Die Hürde, im Falle einer Erkrankung dort versorgt zu werden, ist deutlich höher als hierzulande. Und auch die Krankheitslast, also die Schwere der Infektionen, in Deutschland müsse beachtet werden. In der betreffenden Altersgruppe fällt sie sehr niedrig aus.

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Terhardt: Bereits geimpfte Kinder sollen abwarten

Die nun empfohlene Impfung soll, im Falle einer Infektion, im Abstand von drei Monaten zu dieser erfolgen. Doch was ist bei unbemerkten Infektionen, wie sie ja gerade bei Kindern vorkommen? Was passiert, wenn eine Impfung zeitgleich zu einer unbemerkten Infektion durchgeführt wird? Prof. Reinhard Berner, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum in Dresden und externer Sachverständiger der Stiko, sieht das gelassen: „Eine Impfung während einer Covid-19-Erkrankung verschlechtert die Krankheitslast nicht.“ Der einzige Nachteil sei in diesem Fall, dass der Booster-Effekt der Impfung, also die hybride Immunität, nicht ganz so hoch ausfalle wie bei dem vorgesehenen Abstand von drei Monaten.

Anders lautet die Handlungsempfehlung für Kinder, die jetzt schon geimpft sind. Schließlich konnten auch gesunde 5- bis 11-Jährige ohne Kontakt zu Risikogruppen bereits vor der aktualisierten Empfehlung geimpft werden, wenn Eltern dies wollten. In dem Fall sollte mit einer weiteren Impfung gewartet werden, sagt Terhardt. Ähnlich wie bei Kindern, die nun eine erste Impfung erhalten. „Wir werden im Herbst wissen, wie es weitergeht. Jetzt schon geimpften Kindern würde ich empfehlen, bis dahin abzuwarten.“

Kindern ab 12 wird auch der Booster empfohlen, die ganz Kleinen müssen noch warten

Kinder ab 12 Jahren müssen nicht abwarten, ihnen wird schon länger neben der Grundimmunisierung durch zwei Impfungen mit ausreichend Abstand auch eine Booster-Impfung empfohlen. Der plötzliche Sprung von einer auf drei Impfungen an der Altersgrenze erklärt sich nicht nur durch das veränderte Impfziel und die höhere Wahrscheinlichkeit, dass es bereits zu einer Infektion gekommen ist. Auch der Zeitpunkt der Empfehlung spielt eine Rolle. So sei die epidemiologische Lage bei der Veröffentlichung der Impfempfehlung für 12- bis 17-Jährige eine andere gewesen, als sie es jetzt ist, sagt Terhardt.

Für die ganz Kleinen, also Kinder unter 5 Jahren, gibt es nach wie vor keine Impfempfehlung der Stiko – weil es auch noch keinen Impfstoff gibt, der für diese Altersgruppe freigegeben ist. Unter anderem Biontech und Pfizer befinden sich in Zulassungsstudien für einen solchen Impfstoff. Bis dieser dann durch die entsprechenden Behörden abgenickt ist und auch eventuell von der Stiko empfohlen wird, könnte es noch dauern.