„Sehr ermutigende Daten“Was über die Gefahr von Omikron jetzt bekannt ist

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Symbolbild Omikron

In immer mehr Corona-Tests wird die Omikron-Variante entdeckt.

Köln – Als Ende November eine mutierte Variante des Coronavirus entdeckt wurde, waren sich viele Experten einig: Die „Omikron“ getaufte Mutante wird die Corona-Pandemie erheblich anfachen. Einen knappen Monat später aber reagieren Länder sehr unterschiedlich auf die steigenden Infektionszahlen.

Die Niederlande, Finnland oder Frankreich beispielsweise verschärfen ihre Maßnahmen in der Pandemie. Ebenso Wales, Schottland und Nordirland, während England sich sträubt. Zeitgleich lockern die USA ihre Quarantänebestimmungen und in Südafrika wird die Kontaktnachverfolgung stark eingeschränkt. Wie passt das zusammen?

Deutschland und andere Länder wollen mit strengeren Maßnahmen die zu erwartende Masse der Omikron-Infektionen eindämmen und nicht auf einen Schlag zulassen. Die USA hingegen verkürzen die Quarantäne für Menschen ohne Symptome. Weil die meisten Ansteckungen laut Gesundheitsbehörde früh im Krankheitsverlauf stattfinden. Und weil die USA verhindern wollen, dass sich zu viele Menschen der kritischen Infrastruktur, beispielsweise aus dem Gesundheitswesen, zeitgleich in Quarantäne befinden. Doch welche Rolle spielt die Einschätzung zur Gefährlichkeit der Corona-Variante bei dieser Entscheidung?

Omikron vermehrt sich 70 Mal schneller als Delta

Zwar deuten erste Daten darauf hin, dass Omikron ansteckender ist als die bislang dominierende Delta-Variante, weshalb die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Gefahr durch Omikron auch weiter als sehr hoch einstuft. So vermehrt sich Omikron laut einer Untersuchung aus Hongkong in den Bronchien 70 Mal schneller als Delta.

Dafür verursacht die neue Variante nach der Infektion wohl im Durchschnitt mildere Krankheitsverläufe. Vorläufige Daten aus Großbritannien, Südafrika und Dänemark legten nahe, dass im Vergleich zur Delta-Variante die Erkrankten nicht so häufig in einer Klinik behandelt werden müssten, teilte die WHO mit. Konkret zeigt eine als Preprint veröffentlichte Studie aus Südafrika, die bis Ende November vorliegende Daten ausgewertet hat, dass sich für Omikron eine bis zu 80 Prozent geringere Chance ergebe, zur Behandlung ins Krankenhaus zu müssen. „Die sehr ermutigenden Daten deuten stark auf eine geringere Schwere der Omikron-Infektionswelle hin“, sagte Cheryl Cohen von Südafrikas Nationalem Institut für übertragbare Krankheiten (NICD).

Großbritannien: Studien zeigen milderen Verlauf

In einem ähnlichen, ebenfalls als Preprint veröffentlichten Verfahren haben Forschende des Imperial College in London die Daten aller Corona-Fälle in England in den ersten beiden Dezemberwochen verglichen. Ihrer Schätzung zufolge ist das Risiko eines Krankenhausaufenthalts bei Omikron-Infektionen im Schnitt um 20 bis 25 Prozent reduziert im Vergleich zu Delta-Infektionen. Geht man von Aufenthalten im Krankenhaus aus, die mindestens einen Tag dauern, reduziert sich das Risiko sogar um 40 bis 45 Prozent.

Und auch Erhebungen der britischen Gesundheitsbehörde UKHSA haben ergeben, dass Omikron offenbar deutlich mildere Krankheitsverläufe auslöst als bisherige Varianten des Coronavirus. Das Risiko, nach einer Infektion ins Krankenhaus eingeliefert werden zu müssen, sei bei Omikron 50 bis 70 Prozent geringer als bei der Delta-Variante, erklärte die Behörde. Das Risiko, auf der Intensivstation zu landen, ist den UKHSA-Zahlen zufolge bei Omikron zwischen 31 und 45 Prozent geringer als bei einer Delta-Infektion.

Omikron-Ergebnisse sind mit Vorsicht zu genießen

Die Angaben seien allerdings „vorläufig“ und wissenschaftlich „sehr unsicher“, betonte die Behörde. Und auch die Autorinnen und Autoren der anderen bisherigen Studien sind sehr zurückhaltend, was ihre Ergebnisse betrifft. Denn alle Untersuchungen basieren auf sehr wenigen Zahlen, da bislang kaum Daten vorliegen. „Wir haben noch nicht genügend Informationen, um das wirklich abschließend sagen zu können. Es gibt bisher keine Hinweise darauf, dass die Krankheitsverläufe schwerer sind. Es gibt aber aktuell auch keine überzeugenden Hinweise darauf, dass sie leichter sind als bei der Delta-Variante. Ich erwarte, dass es in den kommenden Wochen eine valide Einschätzung geben wird“, sagte Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI). Das sieht auch Infektiologin Isabella Eckerle von der Universität Genf so. „Aktuell erscheinen mir die Daten zur Krankheitsschwere von Omikron noch etwas zu dünn, um daraus allgemeingültige Aussagen zu treffen.“ Die WHO pocht ebenfalls auf weitere Studien, „um diese Beobachtungen wirklich zu verstehen.“

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Erschwerend kommt hinzu, dass die bislang vorhandenen Daten wohl nur halbwegs repräsentativ und auf Deutschland übertragbar sind. „Man muss auch bedenken, dass Südafrika eine junge Population hat, in den vorherigen Wellen bereits eine starke Übersterblichkeit entstand und die berichteten Fälle vor allem junge Menschen mit Impfdurchbrüchen waren“, sagt Eckerle. „Auch zirkulierte in Südafrika vermehrt die Beta-Variante, so dass wahrscheinlich ein anderer immunologischer Hintergrund herrscht als bei uns.“ Hinzu kommt, dass durch die höhere Ansteckung durch Omikron auch immer mehr als immun geltende und auch junge Menschen in das Infektionsgeschehen einbezogen werden, wie Leif Erik Sander von der Berliner Charité auf Twitter betont. Infizieren sich mehr „immune“ und junge Menschen, die von Grund auf ein niedrigeres Risiko für einen schweren Verlauf haben, zeigt sich dies natürlich auch in den Daten – hat aber keinen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit eines schweren Verlaufs bei Menschen, die weniger gut geschützt sind.

Es könnte also sein, dass die ersten Studienergebnisse hinsichtlich eines milderen Verlaufs noch korrigiert werden müssen. Und selbst mit einer Corona-Variante, die überwiegend milde Verläufe verursacht, dafür aber sehr ansteckend ist, wäre die Pandemie bei nicht ausreichender Immunisierung der Bevölkerung noch nicht an ihrem Ende. Denn eine solche Variante sorgt zwar im Falle einer Infektion für ein geringeres Risiko, schwer an Covid-19 zu erkranken. Insgesamt wird es aber vermehrt zu schweren Verläufen kommen, da sich durch die hohe Infektiosität mehr Leute anstecken. Durch die zahlreichen Infektionen steigen die Inzidenzen und mit ihnen auch die Anzahl von Erkrankten mit schweren Verläufen. So werde Omikron in Europa nach Ansicht der WHO zu „einer großen Zahl von Klinikeinweisungen“ führen. Dies sei einfach durch die zu erwartende Masse an Infektionen der Fall, sagte Catherine Smallwood von der WHO-Europadirektion. Betroffen sein werden ihren Angaben zufolge vor allem Ungeimpfte.

Und auch Geimpfte, die noch nicht geboostert sind, haben Omikron wohl nicht allzu viel entgegenzusetzen. Bei einem Omikron-Ausbruch in Norwegen waren fast alle Infizierten doppelt geimpft, trotzdem waren viele Verläufe symptomatisch. Virologe Florian Klein von der Uniklinik Köln hat in Zusammenarbeit mit der Berliner Charité nachgewiesen, dass Antikörper, die nach der ersten Impfserie oder nach der Genesung gebildet werden, die Omikron-Variante kaum neutralisieren.

Allerdings lieferte seine Studie auch positive Ergebnisse: Demnach kann der Impfschutz nach einer Booster-Impfung der Omikron-Variante Paroli bieten. „Boostern ist daher eine sehr wichtige Maßnahme, um sich so gut wie möglich vor einer Infektion oder Erkrankung zu schützen“, sagte Klein dem „Kölner Stadt-Anzeiger". (mit dpa, afp)

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