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PflegekostenKölner Heime sind im Bundesvergleich besonders teuer

6 min
Ein Pfleger schiebt eine Bewohnerin eines Pflegeheims in einem Rollstuhl über den Flur.

Den größten Teil der Eigenbeteiligung machen die tatsächlichen Pflegekosten aus, zum Beispiel Löhne für Pflegekräfte.

Ein stationärer Pflegeplatz kostet in Deutschland im Schnitt 2948 Euro, so das Ergebnis des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft – warum die Eigenbeteiligung in NRW-Städten meist deutlich höher liegt

Wer in Deutschland pflegebedürftig ist, der ist nicht nur auf Hilfe angewiesen, sondern in erster Linie auf einen hohen Kontostand oder wohlhabende Angehörige. Ganz besonders gilt das für Menschen in Nordrhein-Westfalen. Denn die Eigenbeteiligung schwankt regional deutlich – und NRW stellt sich im Bundesvergleich als das Land mit den höchsten Selbstkosten für Heimbewohner heraus. Mit durchschnittlich 3314 Euro müssen Bedürftige hierzulande am meisten für einen Platz in der stationären Pflege berappen. In Sachsen-Anhalt fallen dagegen mit 2456 Euro die günstigsten Beiträge im ersten Jahr des Aufenthalts an, monatlich also im Schnitt 858 Euro weniger als in Nordrhein-Westfalen. Der deutsche Durchschnitt liegt irgendwo zwischen den beiden Extremen bei laut Studie 2948 Euro im Monat.

Wie groß die Spannbreite der Zuzahlungen ist, zeigt sich übrigens nicht nur im Ländervergleich, sondern auch bei einem Blick auf einzelne Kreise und Städte. Auch hier landen die NRW-Regionen im Ranking weit oben, insbesondere das Rhein-Ruhr-Gebiet sowie die Grenzregionen zu Luxemburg und Frankreich. Hinter der bayerischen Stadt Coburg reihen sich Solingen, Düsseldorf, Essen und Krefeld als Standorte mit der höchsten Eigenbeteiligung ein. Köln folgt mit 3597 Euro auf dem sechsten Platz. Unter den Top-Ten belegt NRW acht Plätze.

Acht NRW-Städte unter den Top-Ten-Orten mit den teuersten Pflegekosten

Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie des Kölner Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), das die Preisdaten von mehr als 10.000 Pflegeheimen in Deutschland ausgewertet hat, darunter allein 2152 in Nordrhein-Westfalen. Bereitgestellt wurden die Daten auf der Onlineplattform pflegelotse.de des Verbands der Ersatzkassen, heißt es in der Studie.

Grundsätzlich gilt: Der Markt für stationäre Pflege folgt keinen freien Preisgesetzen. Pflegesätze entstehen nicht spontan, sondern werden in einem komplexen Aushandlungsprozess zwischen Heimbetreibern, Pflegekassen beziehungsweise Pflegeversicherungen und Sozialhilfeträgern festgelegt. Sie müssen sämtliche Ausgaben für Pflegeleistungen und soziale Betreuung tragen. Die soziale Pflegeversicherung steuert dabei lediglich einen pauschalen Betrag je nach Pflegegrad bei; den verbleibenden Rest wälzen die Einrichtungen als Eigenanteil auf die Bewohnerinnen und Bewohner ab. Seit einiger Zeit mindert ein gesetzlich geregelter Leistungszuschlag diesen Eigenanteil – schrittweise und abhängig von der Dauer des Heimaufenthalts. Dennoch bleiben am Ende Kosten zurück, die sich aus einer gewöhnlichen Rente kaum stemmen lassen.

In Köln und Düsseldorf sind die Investitionskosten besonders hoch

Die Eigenbeteiligung setzt sich demnach aus vier Posten zusammen: den Kosten für die Unterkunft und die Verpflegung, die Investitionen und den für die eigentliche Pflege. Letztere, festgelegt durch den Pflegesatz, verschlingen den Löwenanteil, im Schnitt fließt jeder zweite Euro aus dem Eigenanteil in die pflegerische Leistung. Bezahlt werden davon vor allem der finanzielle Aufwand für Pflege und Betreuung sowie die Ausbildung von Nachwuchskräften.

Die Kosten für die Unterkunft, unter der sich auch Heizung, Warmwasser und Zimmerreinigung summieren, sind für jeden dritten Euro auf der Rechnung verantwortlich. Unter Investitionskosten versteht man so etwas wie die Kaltmiete, von der Gebäude, Instandhaltungen und Abschreibungen finanziert werden. Sie verursachen den kleinsten Teil der Kosten, etwa ein Sechstel, sind in Nordrhein-Westfalen aber besonders hoch. Düsseldorf beispielsweise liegt hier mit durchschnittlich 751 Euro pro Monat an der Spitze.

Grund dafür ist, dass die Bundesländer die Investitionskostenzahlungen unterschiedlich regeln. Einige Bundesländer bezuschussen objektbezogen, das heißt, das Land überweist einen bestimmten Betrag zu diesem Zweck direkt an das Heim. Nordrhein-Westfalen dagegen unterstützt den Pflegebedürftigen direkt über das Pflegewohngeld. Das allerdings steht nur denjenigen zu, die die gesamte Zuzahlung nicht allein stemmen können. Im Schnitt fällt also mehr für die Zahlungskräftigen an. Zudem hängen die Investitionskosten auch im Schlepptau hoher Mietpreise. Und die schrauben sich in Nordrhein-Westfalen ebenfalls in teils schwer bezahlbare Höhen. 

Die seit 2022 geltende Tarifpflicht hat die Löhne deutlich steigen lassen – das hat sich auch in den Pflegeheimkosten niedergeschlagen
Maximilian Stockhausen, Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Besonders betroffen von hohen Mieten sind die Städte. Kein Wunder also, dass das IW im Zuge seiner Studie ein Stadt-Land-Gefälle entdeckt hat. Heimplätze in Ballungsräumen wie Köln (3597 Euro) sind demnach überdurchschnittlich teuer. Ländliche Regionen, insbesondere in Ostdeutschland, wie das Jerichower Land (2321 Euro) in Sachsen-Anhalt schneiden deutlich günstiger ab. 

Mit dem ausgeprägten Urbanisierungsgrad im Rhein- und Ruhrgebiet komme darüber hinaus eine hohe Nachfrage nach Pflegedienstleistungen daher. Kombiniert mit einem ausgeprägten Fachkräftemangel und einer generell höheren Einkommens- und Preisstruktur treibe das die Kosten nach oben, heißt es.

Neben den Mieten spielen auch die Personalkosten eine entscheidende Rolle. „Die seit 2022 geltende Tarifpflicht hat die Löhne deutlich steigen lassen – das hat sich auch in den Pflegeheimkosten niedergeschlagen“, sagt IW-Experte Maximilian Stockhausen. Hinzu kommen gesetzlich verbindliche Personaluntergrenzen, die die Qualität verbessert, aber auch die Kosten in die Höhe getrieben haben. Die Politik müsse prüfen, ob Mindestentgelte und Leistungszuschläge zielgerichtet wirken oder nur zusätzliche Kosten verursachen.

Manchmal muss auch der Familienschmuck versetzt werden, in Einzelfällen fordert das Amt auch Schenkungen aus den vergangenen zehn Jahren an Kinder oder Enkel zurück
Verena Querling, Rechtsanwältin bei der Verbraucherzentrale NRW

Die Sorge, den Heimplatz nicht mehr bezahlen zu können, treibe viele ältere Menschen um. Verena Querling, Pflegejuristin bei der Verbraucherzentrale NRW, hat zuweilen mit Menschen zu tun, die verzweifelt sind. „Das sind Leute, die ihr Leben lang gearbeitet haben. Es ist für sie eine schreckliche Niederlage, für ihre letzten Schritte im Leben zum Amt gehen zu müssen“, erzählt die Expertin. Dazu geselle sich die Sorge, hart Erarbeitetes für wenige Monate oder Jahre Pflege aufgeben zu müssen. Die Hilfe zur Pflege schütze das Erbe nicht, sagt Querling.

Könne der Heimplatz nicht mehr aus eigenen Ersparnissen und der Rente bezahlt werden, müsse eventuell das Haus verkauft oder anders verwertet werden. Aber es geht nicht nur um die Immobilie. Sondern eben um alles von Wert. „Manchmal muss auch der Schmuck versetzt werden, in Einzelfällen fordert das Amt auch Schenkungen aus den vergangenen zehn Jahren an Kinder oder Enkel zurück.“ Keine Angst haben müsse man, wenn beispielsweise der Partner noch im gemeinsamen Häuschen wohne. „Es sei denn, es handelt sich um eine unangemessene Villa, dann steht da mitunter auch der Umzug in eine kleinere Wohnung an.“

Wer eine Aufforderung vom Heim erhalte, künftig einen höheren Eigenanteil zu bezahlen, tut nach Meinung von Querling gut daran, vor einer Zustimmung die Kostenaufstellungen prüfen zu lassen. Für Mitglieder kostenlos übernimmt das beispielsweise der Pflegeschutzbund BIVA.

Sozialverband VdK fordert Land zur Übernahme von Investitionskosten auf

Um die Sorgen der Heimbewohner und deren Angehörigen zu lindern, mahnt der Sozialverband VdK kurzfristige Entlastungen an. Das Land NRW solle die gesamten Investitionskosten übernehmen, wie es gesetzlich vorgesehen sei „und die Ausbildungskosten für Pflegekräfte komplett aus Steuermitteln finanzieren“, schreibt eine Sprecherin auf Anfrage. Den Konten der Heimbewohner würde das unmittelbar ein Polster verschaffen. Mittelfristig tue aber eine nachhaltige Reform der Finanzierung Not.

Der VdK schlägt vor, die Beiträge der Pflegeversicherung an Lohnerhöhungen und steigende Investitionskosten zu koppeln, was bedeutet, diese für Arbeitnehmer regelmäßig anzuheben. Im Gegenzug könnten die Eigenanteile für Heimbewohner stabil bleiben. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum „Zukunftspakt Pflege“ arbeitet derzeit an Reformvorschlägen, um das System vor dem Kollaps zu bewahren. Klar ist schon, dass die Pflegeversicherung eine Teilversicherung bleiben soll, Eigenanteile also weiter anfallen werden. Für die stationäre Pflege soll dem Vernehmen nach aber eine Deckelung der Eigenanteile vorbereitet werden. Ob es dazu kommt, ist derzeit unklar.

Am Ende, das betonen alle Beteiligten, spare auch derjenige, der möglichst lange zu Hause versorgt werde. Dafür müssten „ambulante Angebote und wohnortnahe Versorgungsformen gestärkt werden“. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) rät auf Anfrage, sich frühzeitig mit dem Thema Pflege zu beschäftigen, auch wenn man das übliche Alter dafür noch nicht erreicht hat. Und dann die richtigen Fragen zu stellen: „Wie kann die eigene Pflege später aussehen? Habe ich Angehörige, die das gerne machen möchten? Wenn nicht: Wie und wo will ich später leben? Was für finanzielle Mittel brauche ich dafür? Wo bekomme ich Unterstützung, wenn ich die nicht habe?“