Spoho-Experte erklärt'sSo funktioniert die „Alfa“-Technik beim Nordic Walking

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Nordic Walking will trainiert sein.

Köln – Nordic Walking ist besser als sein Ruf. Spätestens seitdem wissenschaftliche Studien weltweit nachgewiesen haben, wie vielschichtig die positiven Effekte der früher gerne als „Oma-Sport“ abgetanen Trainingsform sind, entwickelt sich der „Sport mit Stock“ zu einer beliebten Bewegungsform in der gesamten Bevölkerung. Zu Recht, denn „Nordic Walking gilt als Gesundheitssport für Menschen jeden Alters und Gesundheitszustands“, sagt Christine Joisten, Professorin an der Deutschen Sporthochschule Köln (Spoho). Sie und ihr Kollege Tobias Morat verraten, wie man richtig walkt und was man besser vermeiden sollte. 

Warum ist Nordic Walken gesundheitsfördernd?

„Wie alle Ausdauersportarten steigert Nordic Walking die Ökonomie des Herzkreislaufsystems, beugt Gefäßverkalkungen, Herzinfarkten, Schlaganfällen und Krebserkrankungen vor, wirkt Blutdrucksenkend, kurbelt den Fettstoffwechsel an und erhöht die Sauerstoffaufnahme“, sagt Joisten. Nordic Walking schult darüber hinaus die Koordination und Kondition. „Schließlich werden durch den Stockeinsatz Fuß-, Knie- und Hüftgelenke geführt.“

Für wen ist es geeignet? Und für wen nicht?

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Prof. Dr. Dr. Christine Joisten lehrt am Institut für Bewegungs- und Neurowissenschaft an der Deutschen Sporthochschule Köln.

„Das Was bedenke, mehr aber bedenke das Wie, hat Goethe in Faust geschrieben. Das trifft eigentlich auf jede Sportart zu, auch auf das Nordic Walking“, sagt Joisten und meint damit: Dass Sport beinahe für jeden Menschen – unabhängig vom Gesundheits- und Fitnesszustand – geeignet ist, aber an den „jeweiligen individuellen Zustand angepasst werden muss.“ Wer etwa beim oder nach dem Walken Gelenkprobleme hat, sollte prüfen, ob es an den neuen, ungewohnten Bewegungsabläufen liegt oder an der falschen Technik. Wenn sich Beschwerden verschlimmern, rät Joisten dazu, erstmal zu pausieren und einen Orthopäden aufzusuchen. Joisten: „Auch wenn es problematisch ist, weil die Krankenkassen diese Leistung nicht regulär zahlen, empfehlen wir jedem Menschen über 40 vor dem Start ins Training eine sportmedizinische Vorsorgeuntersuchung, vor allem aber denjenigen, in deren Familien es schon Fälle von plötzlichem Herztod, Diabetes oder andere schwerwiegende coronare Herzerkrankungen gab.“

Nordic Walking, wer hat's erfunden?

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Der Trend, Walking mit Stöcken (Pole Walking) zu betreiben, hat seinen Ursprung in den USA. Dort wurden 1992 erste Studien veröffentlicht, die beweisen, dass Nordic Walking gegenüber dem Walking bei gleicher Geschwindigkeit die Sauerstoffaufnahme, den Kalorienverbrauch und die Herzfrequenz um durchschnittlich 20 Prozent steigert – und auch das seelische Wohlergehen. „Stick Walking" wurde zum Ausdauersport erklärt. Doch die Bewegung schlief ein, da nicht weiter an der Technik und der Entwicklung von passenderen Stöcken gearbeitet wurde.

Mitte der Neunziger Jahre entwickelten finnische Ski-Ausdauersportler Nordic Walking als Trainingsmethode für den Sommer und der Skistock-Hersteller Exel stellte dafür die ersten speziellen Stöcke mit einem Handschlaufensystem her, die die Technik beim Laufen unterstützen.

Inzwischen ist Nordic Walking in Finnland zum Volkssport aufgestiegen, schwappte von dort nach Österreich und in die Schweiz über und wird seit Anfang 2000 verstärkt auch in Deutschland ausgeübt. (Foto: Getty Images/blyjak)

Wie steigt man am besten ins Training ein?

Joistens Rat: „Langsam ran tasten, in kleinen Häppchen ausprobieren, so wie es einem gut tut. Und auf Dauer erst einmal die zeitlichen Umfänge, dann erst die Intensität steigern.“ Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt 150 bis 300 Minuten moderate Bewegungseinheiten pro Woche, also mindestens 30 bis 60 Minuten an fünf Tagen. Eine Faustregel für die geeignete Pulsfrequenz bei moderater Bewegung lautet: 180 minus Lebensalter, vorausgesetzt man nimmt keine Betablocker ein. Oder um es mit Joistens Worten zu sagen: „Ideal ist, wenn man dabei ein bisschen schwitzt, ein wenig aus der Puste gerät, sich aber flüssig unterhalten kann“. In der Regel liegt der Puls dabei zwischen 120 und 140. Die Geschwindigkeit kann peu à peu durch schnellere, nicht aber durch größere Schritte gesteigert werden. Vor allem aber sollte die richtige Technik erlernt werden, weshalb Joisten allen Einsteigerinnen und Einsteigern einen Kurs bei geschultem Personal ans Herz legt. Acht- bis zehnteilig sollte er sein à 60 Minuten.

Bezahlt die Krankenkasse den Einsteigerkurs?

Ist der Kurs zertifiziert, muss die Krankenkasse ihn laut Paragraf 20 des Präventionsgesetzes bezuschussen. Zwischen 70 und 90 Prozent der Kursgebühren, die im Schnitt 80 bis 100 Euro betragen, werden dabei je nach Krankenkasse übernommen.

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Wie funktioniert sie, die richtige Technik?

Man sieht sie überall in Kölns Parks und auf den Grünflächen der Stadt: Menschen, die ihre Stöcke hinter sich her schleifen, wie eine hölzerne Tigerente auf Rollen oder umgekehrt: sie vor sich tragen als ob sie Bizepscurls trainieren. Das sieht nicht nur grotesk aus, es vermindert auch die positiven Auswirkungen des Nordic Walkings mit korrekter Technik. „In einer unserer Studien von 2017 mit älteren Probandinnen und Probanden über 65 Jahren haben wir mit diesen vor dem eigentlichen Ausdauertraining in acht Einheiten die korrekte Nordic Walking Technik, auch Alfa-Technik genannt, nach der 7-Step-Methode trainiert“, sagt Joistens Kollege an der Spoho Tobias Morat.

Nordic Walken: Einmal gelernt, immer beherrscht?

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Dr. Tobias Morat ist seit 2009 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Bewegungs- und Sportgerontologie der Deutschen Sporthochschule Köln.

Je besser die Technik verinnerlicht sei, desto mehr positive Effekte könnten laut Morat auf die Ausdauerleistungsfähigkeit und die Gesundheit erzielt werden. Weshalb er auch trainierten Sportlern und Sportlerinnen oder solchen, die schon einmal einen Nordic-Walking-Kurs besucht haben, zu einem jährlichen Auffrischungskurs rät. Denn: „Technikfehler werden, solange sie nicht immer wieder korrigiert werden, schnell zur Routine“. Auch Youtube-Tutorials von zertifizierten Trainerinnen oder Trainern können nach solchen Kursen bei der Selbstkorrektur oder auch zur Auffrischung helfen. Morat betont, dass auch hier vor allem die „Alfa“-Technik nach der „7 Step-Methode“ angewendet werden sollte.

Was genau bedeutet Alfa-Technik?

Die Nordic „Alfa“-Technik entstand über die Jahre in internationaler Zusammenarbeit, basierend auf wissenschaftlich fundierten Grundlagen. Alfa steht dabei für: A = Aufrechte Köperposition Ziel ist eine natürliche Aufrichtung der Wirbelsäule für ein funktionelles und rückenfreundliches Gehen. Wie? „Indem Sie eine stolze Haltung einnehmen, bei der das Brustbein Richtung Himmel zeigt“, sagt Morat. Beim Nordic Walking als Ganzkörpertraining sollte der Fokus auf verschiedene Schlüsselpunkte gelegt werden – beginnend beim Fuß, über ein funktionell stabilisiertes Knie und eine aufgerichtete Beckenposition, weiter über die Lenden- und die Brustwirbelsäule bis hin zu den Halswirbeln. L = Langer Arm Gemeint ist hiermit ein leicht gebeugter, nicht komplett durchgestreckter Arm, damit das Ellbogengelenk muskulär stabilisiert werden kann. „Stellen Sie sich vor, sie wollen einem kleinen Kind die Hand schütteln. Dabei müssen sie den fast gestreckten Arm leicht nach vorne unten bewegen. Würden Sie den Arm um 90 Grad anwinkeln, würden Sie dem Kind auf den Kopf fassen“, veranschaulicht Morat. F= Flacher Stock Erst der im etwa 60 Grad-Winkel flach eingesetzte Stock sorgt laut Morat für eine störungsfreie Schub- und Schwungphase. „Der Winkel in Kombination mit der richtigen Stocklänge ist die Grundlage für eine gute Technik, die mit einem steil eingesetzten Stock nie erreicht werden kann“. Faustregel: Wenn man den Stock aufrecht vor sich auf den Boden stellt, sollte die Befestigung der Handschlaufe am Stock auf Höhe des Bauchnabels sein. Für ein effektives Ganzkörpertraining spielt außerdem das korrekte Öffnen und Schließen der Hände, beziehungsweise das Greifen und Loslassen der Stöcke, eine wichtige Rolle. Beim nach hinten Führen des Stocks wird die Hand auf Hüfthöhe geöffnet, und der weitere Druck auf den Stock „nur“ noch über die Handschlaufe übertragen. Am hintersten Punkt wird die Hand wieder geschlossen, der Stock gegriffen und flach über dem Boden nach vorne geholt, ohne auf dem Boden zu schleifen. Wichtig: „Die Arme und Beine werden dabei immer diagonal zueinander bewegt, also linker Arm und rechtes Bein vorne, rechter Arm und linkes Bein vorne“, sagt Morat. A = Angepasste Schrittlänge Ziel ist die Anpassung der Schrittlänge an die jeweilige Situation. Sie ist abhängig von der Walkinggeschwindigkeit, vom Gelände, beziehungsweise dem Untergrund und letztendlich auch von der körperlichen Konstitution. Ideal ist, wenn die Schrittlänge der Stocklänge gleicht. Wobei die Schrittlänge immer von Ferse zu Ferse, beziehungsweise von Fußspitze zu Fußspitze gemessen wird.

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