„Das Leben ist ein Geben und Nehmen“

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Peter Geishecker

Peter Geishecker

Ein Bär von Mann. Mutter- und Geschäftssprache: Kölsch. Hände groß wie Schaufeln. Sein Beruf: Chef eines Kommunikations- und Hightech-Unternehmens, ein „Global Player“ in Sachen Sportberichterstattung und ein Nobody im öffentlichen Bewusstsein. Nichts passt hier zusammen, und doch fügt es sich zu einem Bild in der Person von Peter Geishecker, dem Vorstandsvorsitzenden der Frechener „Wige Media AG“.

Fernsehbilder von den deutschen Formel-1-Rennen, von Bundesligaspielen und Champions-League-Gekicke, Motor- und Reitsport, Leichtathletik und Boxen, TV-Grafiken und Zeitmessungen für Olympische Spiele und Weltmeisterschaften, die Abseitslinie auf dem Bildschirm - alles und noch mehr made in Frechen. Hier wird produziert, was von ARD und ZDF, RTL und DSF und anderen ausgestrahlt wird. Die Wige beliefert weltweit 1000 Sender mit Bildern und Ergebnisdaten von 1200 Sportveranstaltungen. Jährlich. Das ist Peter Geisheckers Welt.

Es ist Peter Geisheckers zweite Welt. Die erste lag in Köln-Ehrenfeld und Köln-Raderberg. In Ehrenfeld besaß die Familie Geishecker ein Einzel- und Großhandelsgeschäft für Lebensmittel; in Raderberg wurde eingekauft. Peter Geishecker wuchs in der Markthalle auf. Da hat er viel gelernt: handeln und schnell sein. Lektion 1: „Junge, Du musst immer Bargeld in der Tasche haben und sofort bezahlen. Dann kriegst du auch immer Ware; selbst wenn sie mal knapp ist.“ Lektion 2: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. „Ich bin so manches Mal schon vor der Öffnungszeit um zwei Uhr nachts über die Mauer geklettert, um der Erste im Großmarkt zu sein.“

Peter Geishecker grinst, die Erinnerung gefällt ihm. So etwas nennt man schlitzohrig. Der 64-jährige Wige-Chef kneift hinter seiner Goldrandbrille die Augen ein wenig zusammen: „Ich, ein Schlitzohr? Na gut. Aber ein ehrliches.“ Und dann erzählt er, wie er in Griechenland über einen Auftrag für die Wige verhandelte und seine Geschäftspartner im Unklaren darüber ließ, dass er des Griechischen durchaus mächtig war und alles verstand, was am Tisch gesprochen wurde. „Als ich den Auftrag hatte, habe ich mich formvollendet auf Griechisch bedankt. Da waren die platt!“

Auch diese Erinnerung gefällt ihm sehr und führt ihn zurück zur Markthalle: „Hier habe ich Griechisch, Italienisch und Spanisch gelernt. Das war nicht schlecht fürs Berufsleben.“

Das war mit 40 erst mal beendet. Peter Geishecker setzte sich zur Ruhe und verkaufte das Geschäft. Sein Vater war gestorben, die Mutter krank. Und Geishecker wollte, nachdem er zwanzig Jahre lang tagein, tagaus die Nächte auf dem Großmarkt verbracht hatte, etwas anderes machen. Er machte nichts. Zwei Jahre lang. „Dat war ganz nett, aber auch langweilig.“ Finanzielle Sorgen hatte er nicht. Er lebte von den Mieteinnahmen mehrerer Häuser: „Ich war immer sparsam, da kam man schon mit rum.“

Sparsamkeit - auch dieses Wort löst bei Peter Geishecker Erinnerungen aus; an die Zeit im Krieg, als seine Mutter für die Mädchen im Dorf aus Fallschirmseide Kommunionkleider nähte; an die Zeit, in der er als junger Mann noch Auto-Rallyes fuhr: „Ich habe damit aufgehört, weil mir das Geld zu schade war. Es ging ja immer etwas kaputt. Da hattsde denn zwei Mille am Bein und da drei; und wenn ich dann nachts zur Markthalle gefahren bin, habe ich gedacht: »Besde denn bekloppt; jetzt söks du he widder die Jrosche.«“

Und doch - ohne die Rennfahrerei wäre aus Peter Geishecker nicht das geworden, was er heute ist. Er organisierte und veranstaltete Rennen, war Rennleiter am Nürburgring und Vorsitzender eines Auto-Clubs. Und in dem lernte er den Inhaber der damals noch kleinen Firma „Wige“ kennen. Das Unternehmen schrieb Softwareprogramme, und Geishecker hatte die Idee für ein neues Produkt: Programme für Zeitmessungen im Motorsport. Dem folgten Programme für Leichtathletik und Skirennen, für die Vier-Schanzen-Tournee . . .

Peter Geishecker trat in die Firma ein, besorgte bei den Banken Geld und beschreibt die nun folgende Karriere des Unternehmens in bedächtigem Kölsch ganz schnell: „Da wurde dat Fernsehen aufmerksam; ja, und dann kam eins zum anderen. Erst ein Ü-Wagen, dann der zweite . . .“

Und immer neue Ideen. Wie die mit den Kameras, die den Blick in und aus fahrenden Rennwagen ermöglichen. Bastelstunde im Hause Wige: Man nehme eine Videokamera, setze sie auf ein Stativ und versehe das Ganze mit einer Steuerung aus einem - Modellauto. Soweit der technische Part. Der finanzielle wurde mit Geisheckers Geschäftssinn gelöst: Er ließ den Namen des Kameraproduzenten im Blickfeld der Kamera aufkleben - und bezahlte so für die technische Ausrüstung keinen Pfennig. „Das Leben“, sagt der Wige-Chef, „ist ein Geben und Nehmen.“ Und mit dieser Weisheit fährt er gut. Heute schätzt Geishecker, der sich vor Jahren schon in einem schmerzhaften Prozess vom Firmengründer trennte, den Wert des Wige-Equipments auf einhundert Millionen Mark.

„Doch das eigentliche Kapital“, sagt Geishecker, „sind meine Leute.“ Es sind 400 an der Zahl. Und Geishecker ist der Patriarch. Einer, der Leistung einklagt, Loyalität fordert und „sehr impulsiv reagieren kann“, wenn Mitarbeiter seinem Anforderungsprofil nicht entsprechen: „Von denen kann ich mich sehr schnell trennen.“ - Geishecker erinnert sich an einen Dialog, den er vor einigen Jahren in der Chefetage führte: Ein Mitarbeiter, der getadelt wurde: „Dann müssen Sie mir eben kündigen.“ Ein persönlich enttäuschter Geishecker: „Ist gerade geschehen.“ Solche Situationen gehen, wie Peter Geishecker freimütig einräumt, nicht „spurlos an mir vorüber. Ich kann nicht mit Krach leben.“ Und dann lacht er wieder: „Meine Frau Gott sei dank auch nicht. Bei uns dauert das höchstens dreieinhalb Minuten.“

So ist denn Peter Geishecker ein Mensch, der „Harmonie sucht“ und zufrieden ist, wenn er bei seinen Mitarbeitern gleichermaßen „Leistungsvermögen und Anständigkeit“ ortet: „Wer bereit ist, für die Firma alles zu geben und menschlich in Ordnung ist, der soll auch den Kopf frei haben für die Firma. Der darf keine finanziellen Sorgen haben.“ Und ganz Patriarch, der er ist, schaut Geishecker auch auf das Privatleben seiner Spitzenkräfte: „Natürlich besuch ich die mal zu Hause, um zu sehen, wie sie mit Frau und Kindern umgehen.“

Peter Geishecker hat selbst keine Kinder; die Wige ist sein Kind. Und natürlich macht er sich schon heute Gedanken darüber, was aus diesem Unternehmen werden soll, wenn er es einmal nicht mehr leitet. Der Erfolg, das weiß er ganz genau, ist mit seiner Person verknüpft: „Ich bin die Schnittstelle von Mannschaft, Veranstalter, TV-Sender und Sponsor.“ Das hat er schriftlich. Denn vor dem Börsengang befanden die Analysten, dass das Wachstum der Wige untrennbar mit Geisheckers exzellenten Beziehungen zu den Geschäftspartnern verbunden ist. Der Wige-Boss trägt dem Rechnung und schickt seine Top-Leute zunehmend an die Verhandlungsfront.

So etwas nennt man vertrauensbildende Maßnahmen. Wer sich hier bewährt, der wird möglicherweise zu den Erben Peter Geisheckers gehören. „Ich will, dass die Wige bei meinen Mitarbeitern bleibt.“

Die Serie „Chefetage - Die Macher am Rhein“ wird im November in der „DuMont Edition Stadt-Anzeiger“ als Buch erscheinen.

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