Ein Komiker aus der Roten Armee - Interview mit Andrej Jigalov

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Publikumsliebling Andrej Jigalov

Publikumsliebling Andrej Jigalov

Bei den letzten Roncalli-Gastspielen war Andrej Jigalov (37) stets der Liebling des Publikums. Norbert Ramme sprach mit dem russischen Clown, der in Köln erstmals auch sein Solo-Programm vorstellt - für die Zeit nach dem Zirkus.

KÖLNER STADT-ANZEIGER: Ist die letzte Runde bei Roncalli eingeläutet vor dem Absprung in eine Solo-Karriere?

ANDREJ JIGALOV: Das kann man so nicht sehen. Man trifft sich doch im Leben immer mehrmals. Aber es ist richtig, nach dem Kölner Gastspiel ist erst einmal Schluss mit Roncalli. In den nachfolgenden Städten übernimmt dann Peter Shub meinen Part. Der steht derzeit noch mit den Höhnern in Düsseldorf in der Manege.

Wird das dann ein Abschied vom Zirkus?

JIGALOV: Erst einmal ja. Aber wohl nicht für immer. Wir sind ja in den vergangenen Jahren irgendwie zu einer richtigen Familie zusammengewachsen. Wenn man sich braucht, ist man da. Doch jetzt will ich halt mal was Neues machen. Nach ein paar Kurz-Gastspielen im Herbst in Amsterdam, Berlin und Düsseldorf soll es dann im nächsten Jahr richtig rundgehen.

So etwas Ähnliches hatte doch auch Fumagalli geplant, als dieser sich vor zwei Jahren von Roncalli verabschiedete.

JIGALOV: Ne ne. Das kann man nicht vergleichen. Der war Zirkusclown und wollte Direktor sein. Ich mache das, was ich kann, nur ausführlicher. Jonglage und Akrobatik, Pantomime, Tanz und Schauspielerei hab' ich ja studiert. Ich will doch kein eigenes Zirkusunternehmen.

Was ist denn aus dem Ex-Kollegen Fumagalli geworden?

JIGALOV: Er hat einen eigenen Zirkus aufgemacht und ist damit Pleite gegangen. Heute kopiert er mit seinem Bruder bei einem dänischen Zirkus die „Bienchen, Bienchen“-Nummer.

Darf man denn nicht andere Clowns kopieren?

JIGALOV: Ich glaube schon. Aber wenn man jemanden kopiert, muss man verdammt gut sein. Eigentlich noch besser als das Original.

Und wen kopiert Jigalov?

JIGALOV: Keinen so wirklich. Ich hab' mir nur bei ein, zwei Leuten was abgeguckt und auf meinen Stil umgearbeitet. Man muss schon seinen eigenen Typen suchen. Ich hab' auch einige Zeit gebraucht, ehe ich in der weiten Hose und dem engen Jäckchen zum liebenswerten „Loser“ geworden bin.

Also nicht schon als Clown geboren?

JIGALOV: Überhaupt nicht. Ich hab' als Kind schon Musik gemacht, Gitarre gespielt und eigene Lieder geschrieben. Erst während meiner Dienstzeit in der Roten Armee machte ich viele Witze und entwickelte das komische Talent. Die Kameraden nannten mich „Clown“, und irgendwann hab' ich gedacht, warum eigentlich nicht.

Rote Pappnase aufgesetzt und angefangen?

JIGALOV: Geschminkt hab' ich mich doch nie. Als der Berufswunsch klar war, hab' ich mich bei der staatlichen Zirkusschule in Moskau beworben. Damals wurden von mehr als 600 Kandidaten drei angenommen. Da fühlte ich mich, als hätte ich eine Goldmedaille gewonnen.

Die kamen dann doch auch, aber erst später.

JIGALOV: Stimmt. 1992 beim Nachwuchsfestival in Paris und in diesem Jahr beim Circus-Festival in Monte Carlo. Das wird am 29. Mai ab 20.15 Uhr in der ARD gezeigt.

Vom Manegenstar zum Fernsehstar? Wie wär es mit Popstar? So was wird in Deutschland doch auch immer wieder gesucht.

JIGALOV: Da hätte ich auch nichts gegen. Ich singe und komponiere doch auch. In Russland hab' ich sogar mal die Titelmelodie für einen Spielfilm geschrieben. Musikalisch liege ich so zwischen Rock 'n' Roll und Frank-Sinatra-Schnulzen. Vor kurzem hab' ich einen neuen Song fertig gestellt. Der ist supercool und lustig: „I drive to Paderborn“.

Paderborn? Da will doch eigentlich keiner hin.

JIGALOV: Doch, ich. Da wohne ich doch seit 1997. Da lebt meine Frau mit unseren beiden Töchtern. Für mich ist das die richtige Stadt. Da Roncalli dort noch nie war, bin ich dort nur mittelmäßig bekannt und hab' meine Ruhe. Die brauche ich auch, um meine Nummern zu üben.

Sind die denn nicht einmal fertig?

JIGALOV: Klar sind die auch mal fertig. Aber dann werden sie weiterentwickelt. 80 Prozent der Sachen, die ich mit meinem Partner Csaba Szégö - der war bisher neun Jahre Musiker im Zirkusorchester - in Köln zeige, sind ganz neu.

Aber die Wasser-Nummer, bei der Sie zunächst einen Kollegen überschütten wollen und schließlich selbst zum Opfer werden, ist doch wohl dabei.

JIGALOV: Natürlich. Das will das Publikum doch sehen. Aber ich habe die ganze Darbietung noch mal frisch aufpoliert.

Der Gag hat doch das Zeug zum Manegen-Evergreen.

JIGALOV: Das weiß ich. Solange die Leute lachen, kann man die Nummer spielen. Aber wenn das Publikum ruhig bleibt, muss man überlegen. Dann hat man als Clown ein Problem.

Clown Jigalov bittet am 7. und 21. Juni (jeweils 24 Uhr) zur Mitternachtsshow ins Roncalli-Zirkuszelt

- mit Partnern und kleinem Orchester. Eintrittskarten (19 Euro) gibt's an der Zirkuskasse, bei Karstadt oder unter Telefon 01805 / 224522.

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