Frau Ferrari hielt die Totenwache

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Ein tödlicher Unfall beendete am 10. September 1961 die Motorsport-Karriere von Wolfgang Graf Berghe von Trips. Auch 40 Jahre nach seinem Tod ist der Horremer Graf ein weltweit bekanntes Sportidol.

Kerpen-Horrem - „Dem konnte keiner was abschlagen oder ihm böse sein, weil er immer alles gut gelaunt mitgemacht hat.“ Elfriede Floßdorf kramt in den Bildern und zeigt den „Grafen Wolfgang“, wie er im Schlossweiher steht - das Wasser bis an den Hals, um dort gemeinsam mit seinen Angestellten von der gräflichen Gutsverwaltung irgendeine grüne Grütze zu entfernen.

Ja, auf ihren früheren Chef lässt die 74-jährige Horremerin nichts kommen, die heute noch unweit der Burg Hemmersbach in der Parkstraße wohnt. Als Privatsekretärin von Wolfgang Graf Berghe von Trips hat sie die ganze Tragödie um den letzten Horremer Abkömmling der Familie von Trips hautnah mit erlebt. Sie überbrachte der Gräfin Thessa die Botschaft vom Tode des einzigen Kindes, nachdem sie sich erste, ungläubig vernommene Radio-Meldungen noch einmal telefonisch vom Sport-Informations-Dienst in Düsseldorf hatte bestätigen lassen: Monza. 10. September 1961. 16.20 Uhr. Der Ferrari von Wolfgang Graf Berghe von Trips ist in der zweiten Runde des Großen Preises von Italien bei Tempo 240 mit dem Wagen von Jim Clark kollidiert und hat sich überschlagen. Von Trips wird herausgeschleudert und erliegt sofort einem Genickbruch. Sein Wagen landet im Fangzaun, hinter dem dichtgedrängt die Zuschauer stehen. Neun von ihnen sterben sofort, sechs weitere erliegen später ihren Verletzungen.

Die Nachricht spricht sich in Horrem und in der Umgebung wie ein Lauffeuer herum. „Die Menschen kamen aus allen Richtungen zur Burg angerannt und fragten »Stimmt, das. Stimmt, das?«“, erinnert sich Elfriede Floßdorf. Gegen 18 Uhr müssen die Burgtore wegen des Andranges verstörter, weinender und verzweifelter Menschen geschlossen werden.

Es hatte also ein schlimmes Ende genommen mit dem ersten deutschen Ferrari-Helden, der damals kurz vor dem Gewinn der Weltmeisterschaft in der Formel 1 stand und dessen Leben auch ohne den tödlichen Unfall genug Stoff für eine Legende geboten hätte: Aufgewachsen in der Burg Hemmersbach findet der 1928 geborene weltgewandte Graf über Zweiräder den Einstieg in den Motorsport. Anfangs verheimlicht er seine Leidenschaft für schnelle Motorräder und Autos noch den Eltern, die ihrem Sohn eine Karriere in der gräflichen Landwirtschaft zugedacht haben und sich schließlich eher widerwillig mit dem Ambitionen Wolfgangs abfinden. Der steigt auf Porsche um, wird Europameister und landet schließlich beim Team von Enzo Ferrari, der damals die Formel 1 dominierte. Von Trips soll wie ein Sohn für den italienischen Rennstallbesitzer gewesen sein.

Der gut aussehende Graf, der anlässlich eines geplanten Hollywood-Streifens sogar von Robert Redford gedoubelt werden sollte, war der Star der deutschen Motorsport-Szene der 50er-Jahre: Ein Frauenschwarm, den die Amerikaner „Count Crash“ nannten, weil er zu Beginn seiner Karriere reihenweise spektakuläre Unfälle erlitt und auf Rennstrecken in aller Welt wertvolle Autos zu Bruch fuhr. Die adelige Herkunft verbunden mit Todesmut machten ihn in den Augen der Öffentlichkeit zum „letzten Ritter“, der anscheinend nur Freunde hatte - auch unter seinen Kollegen. Abends, wenn auf dem Nürburgring oder in Spa gefahren worden war, habe Wolfgang seine Konkurrenten regelmäßig auf die Burg eingeladen, erzählt Elfriede Floßdorf. „Die Freundschaft außerhalb der Piste, die gibt es ja heute so nicht mehr.“ Und mit der Welt eines Michael und Ralf Schumacher habe das damals ohnehin wenig zu tun gehabt. „Alles war viel persönlicher“, so Floßdorf. Freude am Fahren, Fairness und Kameradschaft sollen damals wichtiger als Siege gewesen sein. Der noble Graf, der auch schon mal ein Rennen unterbrach, um einen Kameraden aus dem brennenden Wagen zu ziehen, holte seinerzeit das erste Rennkart aus Amerika nach Deutschland. Auf ihn ist auch die Kartbahn zurückzuführen, auf der die beiden Schumis ihre ersten Runden drehten.

Rennfahrerkollegen und Freunde aus aller Welt trugen von Trips in Horrem auch zu Grabe. Zuvor war sein Leichnam in der Burg für die Öffentlichkeit aufgebahrt gewesen, wo auch Laura Ferrari, die Frau des Teamchefs, die Totenwache hielt. „Es war so ein Andrang, dass wir die Leute nur in Gruppen zu 50 Mann hereinlassen konnten.“ Als der letzte Spross der Reichsgrafen zu Horrem in der Familiengruft beigesetzt wird, regnet es in Strömen.

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