Lachende KölnarenaDer Wallfahrtsort für Pittermännchen

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Zur Lachenden Kölnarena pilgern an zwölf Abenden mehr als 120.000 Jecke nach Deutz. (Alle Bilder: Stefan Worring)

Zur Lachenden Kölnarena pilgern an zwölf Abenden mehr als 120.000 Jecke nach Deutz. (Alle Bilder: Stefan Worring)

Deutz – Attila kann einpacken. Mag der Anführer der Hunnenhorde auf einer Sänfte durch die Arena getragen werden. Mag sein Gefolge während des Mini-Rosenmontagszugs in der Halle imposanter sein. Mögen sich Husaren, Ihrefelder Chinese und sogar Kölns große Tollitäten des Dreigestirns eingereiht haben zum traditionellen Rundlauf bei der Eröffnung der Lachenden Kölnarena. All das beeindruckt Andreas Moser kaum.

„Ich bin der Prinz aus der Vorstadt“, ruft der Koblenzer ungeachtet der jecken Prominenz – und tut das, was Prinz Marcus II. noch nicht darf: Kamelle werfen. „Das liegt mir einfach im Blut.“ In Porz geboren, vor 13 Jahren nach Koblenz ausgewandert, ist er mit 20 Kunden und Mitarbeitern hier zu „einer Art Betriebsausflug“ und schmeißt Süßigkeiten unter sein Volk. Was er beruflich macht? „Zahntechniker.“ So ergibt alles einen Sinn.

Auf den Stühlen rund um ihn richten sich Menschen häuslich ein und breiten die Inhalte ihrer Kühltaschen, Beutel und Rucksäcke aus. Hier hat niemand vor zu sitzen. Männer werden losgeschickt, die Pittermännchen aus dem Foyer zu holen, zu schultern und vor die Bühne zu bringen. Als wären die 15-Liter-Fässchen erlegtes Wild kehren sie stolz zurück. Nur ab und zu schnellen reflexartig ihre noch freien Arme zum Alaaf in die Höhe, wenn wieder ein neuer Karnevalsverein begrüßt wird. Moderator Wolfgang Nagel begrüßt „zur geilsten Karnevalsparty der Welt“. Auf der Bühne angekommen, singt das Dreigestirn „Heidewitzka“. Für das Publikum könnte es genauso gut jeder andere singen.

Konfetti säckeweise

Ein Tapetenverkäufer aus Gummersbach im Block nebenan verteilt Konfetti säckeweise bis auf den letzten Kölschglasboden. Geschmacksrichtung: Rauhfaser. Und auf dem Unterrang bringt sich der Stammtisch Die Gürteltiere in Position. Nach einer schlechten Erfahrung im Vorjahr haben die sechs Freundinnen aus dem Sauerland dieses Mal nicht schon im Zug angefangen, anzustoßen, sondern erst zum Einlass zwei Stunden vor Programmbeginn. Reine Selbstbeherrschung.

Auch der Schnaps blieb dieses Mal zu Hause, versichert Gürteltier Anne Plett. „Das Durcheinander mit dem Wein letztes Jahr, das war nix.“ Nur der Rosé ist wieder im Gepäck („Für jede drei Flaschen. Dann läuft das.“), Bier mit Caipirinha-Aroma und die Klassiker – Frikadellen und Käsewürfel. Gar gefüllte Blätterteig-Häppchen haben die Bankerinnen im Angebot. „Alles selbst gemacht und mitgebracht. Das ist ja das Schöne hier“, meint Elke Greve. Selbst wer hier kauft, kommt günstig davon. Die Flasche Sekt gibt es für 4,44, zehn Liter Kölsch für 35,90 Euro.

„Das Pittermännchen am Platz gehört einfach dazu“, meint Tanja Paas, die mit elf Freunden der KG Wilde Jecken Övver Ohnder aus Oberodenthal angereist ist. „Wir gehen bei uns im Zoch mit, wir helfen beim Auf- und Abbau von Karnevalssitzungen. Da muss man das hier auch mal mitnehmen.“ Sie tauschen Kümmerling gegen Kleinen Feigling. Scharfe Knacker gibt’s für Käsewürfel. Keine Krise weit und breit beim Bier-Beilagen-Handel. Dann kommt der Hammer, kündigt die 41-jährige Bankkauffrau an: „Unsere eingelegten Bismarckheringe. Mit denen sind wir schon letztes Jahr aufgefallen.“ Kopf in den Nacken, Mund auf und schlucken. „Das hilft“, schwört die Wilde Jecke auf die Heilkraft der sauren Lappen.

Selbstverpflegung erlaubt

Die Lachende Kölnarena, zu der 120.000 Jecke an zwölf Abenden pilgern werden, ist die einzige Veranstaltung in der Halle im Jahr, bei der das Mitbringen eigener Getränke und Speisen erlaubt ist. Eine Ausnahmegenehmigung, um deren Fortbestand Veranstalter Eberhard Bauer-Hofner mit dem Umzug von der Sporthalle in die Arena 1999 und dem damit verbundenen Betreiberwechsel nur kurz bangte. „Arena-Chef war ja Bernd Assenmacher.“

Der ehemalige Festkomitee-Präsident habe in den Verhandlungen schnell klargemacht, „dass wir das den Menschen nicht nehmen dürfen“, erinnert sich der Chef der Gastspieldirektion Otto Hofner in seinem „Beichtstuhl“ neben der Bühne. Ein kleiner Verschlag mit Vorhängen, in dem die Künstler auf ihren Auftritt warten.

Marc Metzger bringt die Verrückten in der „kleinsten Turnhalle Kölns“ nicht nur zum Zuhören, sondern sogar zu Jubelstürmen im Stehen – obwohl er nicht singt – und im Publikum versucht eine subversive Abordnung den Kölner Karneval mit westfälischem Witz zu unterwandern.

„Kölle, Kölle, Kölle“

In Rietberg, der Emsstadt, sei Karneval noch bessere Stimmung als in Köln, behauptet ein gewisser Bernd („Das muss reichen“). Während Namensvetter Bernd Stelter unbeirrt „Kölle, Kölle, Kölle“ à la Wolfgang Petry singt – und die Arena mit ihm wie ein Mann. Wenn auch einem mit Mallorca-Vorliebe.

Der Hardcore-Westfale ahnt ja nicht: Das Kölner Erfolgs-Format feierte 1965 in Dortmunds Westfalenhalle Premiere unter der Präsidentschaft des Bundes Westfälischer Karneval. Zu einer Zeit, als Otto Hofner noch bunte Programme mit Zarah Leander und Marika Rökk veranstaltete, sagte er sich: „Was schon in Dortmund funktioniert, funktioniert in Köln erst recht.“ Mit Willy Millowitsch, Jupp Schmitz und dem Eilemann-Trio. Wer in der Närrischen Hitparade gewann, durfte ran.

So kamen 1971 Marie-Luise Nikuta („Mir losse uns nit lumpe“) und 1972 die Bläck Fööss („Drink doch ene met“) dazu. Dezibel-technisch geht die musikalische Reise längst woanders hin. Brings räumen laut ab und als sie damit fertig sind, reicht die Schlange vor der Damentoilette vom Keller bis ins Erdgeschoss. Die Höhner lassen Ballons regnen. Die Tapeten-Konfetti nebenan sind immer noch nicht alle. Der Vorstadt-Prinz trägt jetzt blonde Zöpfe. Und den Bläck Fööss gebührt – wie immer – das Finale um viertel vor eins.

Sie sind mit Nikuta inzwischen die Dienstältesten hier. Doch die „Lachende“ gehört einfach mit dazu. Dann ist es vollbracht. Die Gürteltiere gönnen sich zwei Taxen ins Hotel. Für einen Absacker reicht die Kraft nicht mehr. Und in der S-Bahn Richtung Bergisch Gladbach schläft um zwei Uhr nachts erschöpft eine Wilde Jecke ein. Der Hering wird’s schon richten.

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