Trude HerrSchauspielerin war „ein Brecher“

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Trude Herr 1987 mit (v. l.) Wolfgang Niedecken, Ingolf Lück und Tommy Engel bei der Uraufführung des Songs „Niemals geht man so ganz“ in der WDR-Sendung „So isses“. (Bild: Balfer)

Trude Herr 1987 mit (v. l.) Wolfgang Niedecken, Ingolf Lück und Tommy Engel bei der Uraufführung des Songs „Niemals geht man so ganz“ in der WDR-Sendung „So isses“. (Bild: Balfer)

Es war eine jener Stunden, in denen sich die Kölner feiern und weinend in den Armen liegen – großes Panoramabild vor Dom mit Stars von Gerd Köster bis zu den Höhnern. Es war die Revue zu Ehren von Trude Herr im Jahr 1995 mit jenem Lied, das für immer mit ihr in Verbindung gebracht werden wird: „Niemals geht man so ganz“. Trude Herr war damals schon vier Jahre tot, doch es schien für einen Moment, als schwebe ihr Geist mit auf der Bühne.

Am heutigen Mittwoch jährt sich der Todestag der Schauspielerin und Sängerin zum 20. Mal – und die Erinnerung ist ein wenig verblasst. „Niemals geht man so ganz“ ist eines der am meisten gespielten Lieder bei Beerdigungen, und die kölschen Künstler haben es weiter im Repertoire. Aber sonst ist die Spurensuche eher mühsam.

Hilde Schmitz, die wackere Vorsitzende des Trude-Herr-Fanclubs, macht sich Sorgen. Ihr Verein hat erreicht, dass vor einigen Jahren ein Denkmal in der Südstadt aufgestellt wurde. Die Stahlplatten, die Herrs Silhouette zeigen, sind inzwischen verrostet. Das sollten sie auch. Jetzt müssten sie aber dringend glasiert werden, um den Prozess zu stoppen. Doch dafür fehlt das Geld.

Sorge um das Grab

Sorgen macht sich der Fanclub auch um das Grab von Trude Herr auf dem Nordfriedhof. „Wir möchten gerne, dass Trude Herr zur Ehrenbürgerin ernannt wird, dann würde die Stadt die Grabpflege übernehmen.“ Bisher hat sie noch keine Unterstützung bekommen. Und blickt etwas bang in die Zukunft: „Viele Jüngere kennen Trude Herr einfach nicht mehr.“

Auch Trude Herrs Nichte Gigi, die zum Ensemble von Walter Bockmayer gehört und viel Ähnlichkeit mit Trude hat, bedauert, dass ihre Tante ein wenig in Vergessenheit geraten ist. „Vielleicht liegt es daran, dass sie sich nie in den Vordergrund gespielt hat, nie Klinken putzen gegangen ist.“ Und: Es sei ja kein Geheimnis, dass Trude eine recht schwierige Person war und nicht so ganz in die schulterklopfende Köln-Seligkeit passte. „Ein Besen, aber ein netter“, sagt Gigi Herr, die mit ihrer nur 16 Jahre älteren Tante oft in den Urlaub gefahren ist. Sie war launisch, eigenwillig. „Aber sie war eine begnadete Schreiberin und Schauspielerin.“

Noch immer beeindruckt

Auch ihre Musikerkollegen, die 1987 mit ihr die letzte Platte mit ihrem Hit „Niemals geht man so ganz“ aufgenommen hatten, sind heute noch von ihrer Persönlichkeit beeindruckt. Wolfgang Niedecken erzählt: „Da läuft ein kleiner Film ab, wenn ich daran denke, wie Tommy Engel und ich zu Trude Herr ins Krankenhaus gingen. Sie saß da mit ihrem operierten Bein auf dem Krankenbett – und da gab es einen Lachanfall, einen Raucherhusten, eine Story nach der anderen. Wir haben uns gesagt: Wir müssen jetzt sofort gehen, sonst kriegt die noch einen Herzkasper. Wunderbar. Sie war ja im positiven Sinne ein Brecher. Sie hat ihr Ding unbeirrbar durchgezogen. Und sie hat Raubbau betrieben.“

Musiker und Produzent Jürgen Fritz, der die Melodie zu „Niemals geht man so ganz“ geschrieben hat, erinnert sich: „Sie war oft fatal unterwegs.“ Bei den Aufnahmen kippte sie auf einmal am Mikrofon um. „Sie hat uns einen Riesenschrecken eingejagt. Wir wollten den Notarzt rufen, wir wussten ja, dass sie große Probleme mit den Beinen hatte.“ Trude Herr aber lag auf dem Boden, hielt ihre Zigarette fest und fragte: „Haste mal Feuer, Liebchen?“ Eine Szene, wie sie auch in einem ihrer Theaterstücke hätte vorkommen können. Irgendwann waren wohl Rolle und Wirklichkeit eins geworden.

Im Odeon-Kino in der Severinstraße, in dessen Räumlichkeiten einst Trude Herrs Theater war, gibt es keine Erinnerung an sie. Hier hat sie gekämpft, ohne Subventionen zu bekommen, gegen die Stadt und die etablierte Millowitsch-Konkurrenz gezetert und schließlich aufgegeben. „Wir wollten immer mal eine Plakette aufhängen“, sagt Kinoleiter Jürgen Lütz.

Heute wird der Fanclub um Hilde Schmitz zu Trude Herrs Grab gehen, Kerzen anzünden, vielleicht etwas singen. Beim letzten Mal blieben sie zu lange und wurden abends eingeschlossen. Erst nachdem sie Steinchen auf ein Nachbarhaus warfen, wurden sie befreit. Das hätte Trude gefallen, sagt Hilde Schmitz. „Wenn die Besuch hatte, hätt die eine auch nie jon losse.“

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