Von Bergisch Gladbach nach Los Angeles

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Im kalifornischen Santa Monica hat sich Jessica de Rooij ein eigenes Studio eingerichtet. Hier komponiert sie die Filmmusik, die sie dann mit Orchestern oder Bands aufnimmt.

Im kalifornischen Santa Monica hat sich Jessica de Rooij ein eigenes Studio eingerichtet. Hier komponiert sie die Filmmusik, die sie dann mit Orchestern oder Bands aufnimmt.

Bergisch Gladbach/Los Angeles - Die Geschichte klingt ganz nach Hollywood: Eine junge Frau aus Deutschland hat sich das Ziel gesetzt, Filmkomponistin zu werden. Sie studiert in den Niederlanden, lernt bei einer Gastvorlesung einen amerikanischen Filmemacher kennen und fragt ihn, ob sie bei ihm ein Praktikum absolvieren kann. Er sagt ja, und die junge Frau reist nach Los Angeles, arbeitet an einer Fernseh-Serie mit, schreibt die Musik zu Film-Trailern - und legt so den Grundstein für ihre Karriere. Sie baut im nahen Santa Monica ihr eigenes Tonstudio auf, reist für Orchester-Aufnahmen rund um die Welt, arbeitet mit bekannten Regisseuren und Komponisten zusammen.

Was sich wie die Zusammenfassung eines amerikanischen Drehbuchs liest, ist eine wahre Geschichte: die von Jessica de Rooij. In nur drei Jahren hat es die heute 26-Jährige aus Bergisch Gladbach geschafft, in der amerikanischen Filmindustrie Fuß zu fassen.

Jessica de Rooij, die heute zwischen L. A. und Bergisch Gladbach pendelt, sagt: „Mein Traum war es immer, große Filme zu machen.“ Schon als Kind wollte sie mit einem großen Orchester arbeiten. Daheim drehte sich (fast) alles um Musik: Ihr Vater Hilmar Wolf-de Rooij war Komponist und Arrangeur, Mutter Jeanne de Rooij ist Sängerin, und auch der zwei Jahre jüngere Bruder ist in der Musikbranche tätig. Bereits als Vierjährige nahm Jessica Klavierunterricht, mit neun schrieb sie ihre ersten eigenen Stücke und als 15-Jährige wurde sie von Musikmanager Thomas Stein entdeckt: Sie nahm ihre erste Klavier-CD auf, zusammen mit dem Tenor James Wagner. Mit 18 Jahren folgte ein Solo-Album mit überwiegend eigenen Kompositionen. Sie trat im Fernsehen und bei Musik-Festivals auf, arbeitete mit bekannten Komponisten wie Harold Faltermeyer und Curt Cress zusammen. „Ich habe dadurch viel gelernt“, sagt die junge Frau heute über den ersten Teil ihrer Karriere.

Nach dem Abitur ging sie in die Niederlande, studierte an der „Utrecht School of the Arts“ Musiktechnology und Komposition. 2004 reiste sie zunächst für ein Praktikum nach Los Angeles, wo sie bei anderen Komponisten assistierte. Sie war unter anderem dabei, als 85 Musiker Stücke ihres „großen Vorbilds“ John Powell („Ice Age 2“, „Das Bourne Ultimatum“) aufnahmen.

Nachdem de Rooij ihr Studium abgeschlossen hatte, fuhr sie wieder in die USA, knüpfte Kontakte, bot ihre Arbeit an. „Dann lernte ich den Regisseur Uwe Boll kennen.“ Sie schrieb ein paar Minuten Musik für seinen Film „Blood Rayne“ und alle Stücke für das dazugehörige „Making of“; die „Schwerter des Königs“ (siehe Kasten) seien dann „eine Riesen-Chance“ für sie gewesen.

Jede Produktion ist eine enorme Herausforderung: „Man möchte ja immer einen Score (Musik zum Film, d. Red.) erstellen, der originell ist und den Film um einiges intensiver macht“, sagt die junge Frau. Zudem müsse man „unter extremem Zeitdruck sehr kreativ sein“.

Manchmal bekommt Jessica de Rooij vor Beginn der Dreharbeiten das Skript. In der Regel beginnt sie erst zu komponieren, wenn ein grober Filmschnitt vorliegt. „Sobald ich alle Stücke in meinem digitalen Musikstudio komponiert und orchestriert habe, werden die Noten dafür gedruckt“, erzählt Jessica de Rooij, die bereits mehrere Filme mit Orchester aufgenommen hat. Dafür sind manchmal auch weite Reisen nötig, zum Beispiel nach Bratislava, wo sie mit dem Slowakischen Symphonieorchester arbeitete. Vielfach sind de Rooijs Kompositionen klassisch orchestral, aber sie hat auch schon Aufnahmen mit Bands und Blaskapellen gemacht. „Und ich mag auch das Elektronische.“

Regelmäßig stehen Besprechungen mit Regisseuren, Produzenten oder Toningenieuren in ihrem Terminkalender. „Hier in L. A. ist viel los: viele Premieren, Stars und Parties. Immer ist irgendwo Action angesagt.“ Die Befürchtung, in dieser Szene „abzuheben“, hat sie jedoch nicht. Sie sagt: „Ich sehe das alles ganz nüchtern.“ Zudem kann sie gut abschalten. „Ich lasse mich gerne von der Natur inspirieren.“ Trotz ihrer wenigen Freizeit versuche sie, „täglich eine Stunde an den Strand zu gehen. Und wenn ich die Fenster öffne, kommt der Wind direkt vom Ozean in mein Studio.“ Wenn Zeit ist, geht sie gerne ins Kino: in Fantasy-Filme wie „Herr der Ringe“, aber auch in Dramen und „Filme wie »Forrest Gump«“.

Was nach einer Traumkarriere klingt, ist nicht zuletzt harter Arbeit und einer Portion Durchhaltevermögen zu verdanken. „Gerade als junge Frau muss man sich natürlich erstmal beweisen und durchsetzen“, sagt die 26-Jährige. „Das erste Mal bei Orchesteraufnahmen im Studio wurde ich schon angeguckt, weil ich noch so jung war.“ Doch inzwischen hätten Kollegen und Musiker sie akzeptiert. „Man muss immer an sich glauben, auch wenn manchmal Zweifel aufkommen - und dann klappt es irgendwie.“

Unterstützung erfährt Jessica de Rooij durch ihren Bruder Jacques, der ebenfalls komponiert und zu ei nigen der Filme schon Songs beige steuert hat, von ihrer Familie in den Niederlanden und natürlich von ih rer Mutter in Bergisch Gladbach: Jeanne de Rooij hilft viel bei organi satorischen Fragen.

Und wie sieht es mit ihren weiteren Zielen aus? Jessica de Rooij: „Ich möchte bald mal für ein schönes romantisches Drama den Score schreiben, da ich schon fast alle anderen Genres gemacht habe."

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