Woelki-RückkehrBischof Georg Bätzing fordert Ehrlichkeit in Aschermittwochs-Beitrag

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Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz

  • Ein Gastbeitrag.

Köln – Wo heute Asche ist, da muss vorher eine Gestalt gewesen sein; etwas Ansehnliches, ein Gegenstand oder gar Lebendiges, das sich behauptet hat, aus sich heraus wachsen konnte, atmen, blühen, reifen und vergehen. Und Feuer muss gewesen sein mit verzehrender Kraft, mit Licht und Wärme. Ausgebrannt liegt jetzt nur noch Staub da, gestaltlos ohne Inspiration.

Die Asche von heute, die in den Gottesdiensten des Aschermittwoch zum Zeichen für Umkehr und Buße werden soll – das waren die grünen Buchsbaumzweige, die wir am Palmsonntag des vorigen Jahres gesegnet und in den Händen getragen haben, um – so wie vor langer Zeit die Menschen in Jerusalem – Jesus zu preisen

„Wie schnell erlahmen Enthusiasmus und Euphorie!“

Wir haben den Buchsbaum an die Kreuze in unseren Kirchen und Wohnungen gesteckt. Aus Frömmigkeit, als Ehrenzeichen und Ausdruck einer persönlichen Verbindung zu dem, der am Kreuz hängt, der, wie wir glauben, für uns sein Leben gegeben hat. Mit der Zeit wurden die Zweige blass, verloren in der Hitze des Sommers die Farbe, wurden spröde, brüchig und taugten am Ende nur mehr fürs Feuer.

Sie werden zum Bild: Wie schnell erlahmen Enthusiasmus und Euphorie! Wie rasch verlieren sich Saft und Kraft! Jesus bringt es einmal auf den Punkt: „Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht… Wer nicht in mir bleibt, wird wie die Rebe (am Weinstock) weggeworfen und er verdorrt. Man sammelt die Reben, wirft sie ins Feuer und sie verbrennen“ (Johannes-Evangelium 15,5f).

Wenn es in Beziehungen bergab geht

Wenn die Verbindung gekappt wird, geht es meistens bergab. Das gilt für Beziehungen, die einmal auf Zuneigung und Liebe gegründet waren, sich dann aber irgendwann im Einerlei des Alltags verflüchtigt oder in Konflikten verausgabt haben. Das gilt für den Kontakt zur Welt, zum Schönen, Reizvollen, zum Gestalten, zu Aufgaben und Herausforderungen, die einmal erfüllend waren und mich wachsen ließen, irgendwann aber in purer Anstrengung oder in der Langeweile der Routine unerträglich belastend geworden sind.

Das gilt auch für den Glauben und die Gottesbeziehung: Sie können erlahmen, wenn ich den Eindruck habe, da tut sich nichts mehr; da findet sich kein Spirit, der mir hilft, mein Leben anzupacken, es zu deuten mit allen Höhen und Tiefen. Wenn die Verbindung gekappt wird, geht es meistens bergab.

Die innere Stimme des Gewissens

Das gilt auch für das Gewissen, die innere Stimme, die mir zwischen Gut und Böse unterscheiden hilft. Es lässt sich übertönen, verschütten unter Anpassung und Gewohnheit. Die Stimme meldet sich, aber sie dringt nicht mehr durch zu mir. Und statt sensibel zu bleiben für Fehler und Schuld, wird vieles einfach egal.

„Burnout“ kann in unterschiedlichsten Bereichen auftreten. Was bleibt, wenn wichtige Lebensadern und Lebenskräfte aufgebraucht, ausgeglüht und erkaltet sind, ist Asche. Man kann nichts damit anfangen. Die rituelle Zeichenhandlung, der der Aschermittwoch seinen Namen verdankt, besagt: Es gibt tote Punkte – in jedem Leben, auch in meinem Leben.

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Zeit der Umkehr

Aber es muss nicht dabei bleiben. Im Vertrauen auf Gott kann Erneuerung beginnen, eine Zeit der Umkehr und Buße: Erholung, Aufatmen, zu Kräften kommen, Quellen erschließen, wieder Lebendigkeit spüren. Heute beginnt die alljährliche Re-Kreation, eine Zeit, zu Menschen zu werden – wie neu geschaffen.

Unter den „Gedankenblitzen eines Gottsuchers“ im Buch „Alcide, der kleine Mönch“ der französischen Sozialarbeiterin und Mystikerin Madeleine Delbrêl (1904 bis 1964) finde ich einen hilfreichen Eintrag zur Orientierung für die kommende Zeit: „Von der Demut. Schau lieber von dir weg, anstatt deine Fehler zu beklagen. Als der Gottsucher Geschmack an der Gewissenserforschung fand“. Das trifft nicht nur psychologisch ins Schwarze, es ist geistlicher Zuspruch im besten Sinn. Umkehr, Buße und Erneuerung wollen nicht gelingen, wenn ich angesichts der Asche erstarre.

Sich ehrlich machen, ist bitter nötig

Mich ehrlich machen, bekennen und um Vergebung bitten; das ist bitter nötig. Aber dann den Blick wieder heben, den weiten Horizont suchen und losgehen mit einer neuen Chance. So will Buße christlich verstanden sein. Wir brauchen uns nicht auf unsere Fehler zu fixieren. Gott nagelt uns nicht darauf fest.

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Wenn wir loslassen, von uns absehen und anderem und anderen Aufmerksamkeit schenken, dann finden wir auch wieder zu uns selbst. Nicht nur im gläubigen Leben ist der scheinbare Umweg oft genug der schnellste Zugang.

Darum empfiehlt Jesus im Evangelium drei bewährte Übungen: Anderen Gutes tun, das Gespräch mit Gott suchen und ausprobieren, was ich wirklich brauche, um lebendig zu sein – und auf was ich getrost verzichten kann. Drei Übungen – nicht dem Schein nach, sondern ernsthaft praktiziert – öffnen die eigenen Lebensadern wieder. Sie stärken Beziehungen. Und sie gründen mich tiefer im Gottvertrauen. Heute also das Zeichen der Asche – und dann auf zu neuen Horizonten in Gottes Namen.

Georg Bätzing ist Vorsitzender der katholischen Deutschen Bischofskonferenz. Seit 2016 steht der 60-Jährige an der Spitze des Bistums Limburg. (jf)

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