Borkenkäfer fliegen wieder"Vielleicht wird es diesmal nicht ganz so schlimm"

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Borkenkäfer II

Die Fraßgänge von Borkenkäfern hinter der Rinde  sind hier ebenso sichtbar wie die weißen Larven.

Köln/Münster – Wenn Förster, Waldbesitzer oder romantische Fichtenfreunde in diesen Tagen aufs Wetter schauen, dann tun sie das mit anderen Wünschen als andere Menschen: Kalt wäre gut, nass wäre gut – und das bitte je länger, desto besser. „Ab 16,5 Grad fliegen die Borkenkäfer los – egal ob März, Mai oder Juli“, sagt Michael Blaschke vom Landesbetrieb Wald und Holz NRW, „wenn die Temperatur steigt, machen sich die Käfer auf den Weg.“ Sie fliegen also wieder.

Für den Wald ist das keine gute Nachricht – in Folge der letzten drei Dürre- und Hitzejahre hatten die ausgetrockneten Fichten den Attacken der Borkenkäfer in den letzten Sommern nichts entgegenzusetzen. Alleine 2020 wurden in NRW 12,9 Millionen Kubikmeter Schadholz gemeldet – eine Menge, die die Wälder und die Holzwirtschaft gleichermaßen aus der Balance geworfen hat. Und die Prognosen bleiben düster: NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser geht auch für 2021 von immer noch sieben bis acht Millionen Kubikmeter Käferholz aus.

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Der Borkenkäfer hat in den letzten Jahren die Fichtenwälder nicht nur im  Rheinland zerstört. Ursache war die anhaltende Trockenheit. 

Doch es gibt ein Aber: „Entwarnung kann nicht gegeben werden“, sagt Blaschke, „es wird sicher nicht auf Null gehen. Aber vielleicht haben wir Glück und es kommt nicht ganz so schlimm.“ Glück bedeutet in diesem Zusammenhang vor allem: schlechtes Wetter. Michael Blaschke schwärmt fast ein bisschen: „Wir hatten einen sehr guten Start ins Jahr.“ Das heißt: starken Frost im Winter, einen kühlen und vor allem feuchten Frühling und ein paar nasskühle Wochen bis tief in den Mai hinein – alles das ist nicht bevorzugtes Käferwetter.

Frostiger Winter, nasser Frühling

So haben jene Larven des Käfers, die im Winter in den Rinden der Fichten überwintern, den teils extremen Frost nicht überlebt. „Die sind einfach erfroren“, sagt Blaschke. Die erwachsenen Käfer allerdings, die zum Überwintern in den Boden kriechen, haben die Tiefkühlphase besser überstanden als erhofft. Manche Experten hatten erwartet, dass die Tiere die extremen Temperatursprünge des Winters – teils von minus 15 auf plus 20 Grad – nicht überstehen; man rechnete damit, dass die Käfer beim Versuch, sich den wechselnden Umgebungstemperaturen anzupassen, einfach verpilzen. Das hat so nicht stattgefunden: „Es haben irrsinnig viele Käfer überlebt“, sagt Blaschke.

Und doch gibt es weitere, eher gute Nachrichten. Schon 2020 verlief die Borkenkäferentwicklung witterungsbedingt etwas langsamer als in den Vorjahren. Eine dritte Generation konnte sich vor allem in den Hochlagen von NRW nicht entwickeln, so dass die Käfer im Frühjahr 2021 in geringerer Anzahl ausschwärmen. Und mit Blick auf den Kalender sagt Blaschke: „Weil es jetzt ja schon recht spät im Jahr ist, haben wir, wenn wir Glück haben, eine weitere Generation bereits übersprungen.“ In den Vorjahren waren die Käfer, je nach Region, bereits Ende März/Anfang April unterwegs.

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Weil die ersten Monate des Jahres kühl und feucht waren, sind die Böden nach Einschätzung von Wald und Holz NRW inzwischen wieder „ganz gut“ mit Wasser versorgt. „Das heißt“, sagt Blaschke, „die Fichten können sich wehren gegen erste Attacken von Käfern.“ Gesunde Fichten werden mit bis zu 200 Käfern pro Baum leicht fertig – wenn die Wasserversorgung gesichert ist, produzieren die Bäume Harz und ertränken die Angreifer. Bei größeren Mengen von Käfern und/oder weniger Wasser im Boden funktioniert dieses Mechanismus nicht mehr.

Haben die Regenmengen bislang ausgereicht? „Eigentlich kann man zufrieden sein“, sagt Blaschke, „es war zum Beispiel gut, dass der Niederschlag zeitlich und räumlich lange gut verteilt war.“ Auch die Regenfälle der letzten Tage – wenn sie nicht gerade als Platzregen niedergingen – haben die Wasserspeicher in den Böden weiter gefüllt.

Der Borkenkäfer zerstört Fichtenwälder wie nie zuvor. Das Überangebot von Holz macht das Fällen toter Bäume unwirtschaftlich.

Der Borkenkäfer zerstört Fichtenwälder wie nie zuvor. Das Überangebot von Holz macht das Fällen toter Bäume unwirtschaftlich.

Und noch eine gute Nachricht: Im vergangenen Jahr gab es Meldungen darüber, dass Borkenkäfer inzwischen auch andere Bäume angreifen. Entsprechende Beobachtungen aus dem Münsterland etwa sorgten für erhebliche Unruhe. Da geben die Fachleute inzwischen eine gewisse Entwarnung. „Ja“, sagt Blaschke, „wenn Borkenkäfer keine Fichten mehr vorfinden, attackieren sie ähnliche Bäume. Dann bohren sie auch Douglasien und Kiefern an; und sie schaffen es auch, einzelne Bäume zu schädigen. Aber ein systematisches Überspringen auf andere Nadelbäume konnte nicht festgestellt werden.“

Weitere Schädlinge

Was aber festgestellt wird, ist ein vermehrtes Auftreten weiterer Schädlinge und Krankheiten in den Wäldern. Die Buchenkomplexkrankheit ist ein Konglomerat von vielen zusammen wirkenden Ursachen – im Ergebnis handelt es sich um einen Pilz, den es, so Blaschke, „schon immer“ gegeben hat, der aber jetzt unter dem Einfluss des sich änderenden Klimas beträchtliche Schäden anrichtet. Die Rußrindenkrankheit befällt Ahornbäume und wird vermehrt festgestellt, sie kann durch Pilzsporen die Gesundheit von Waldbesuchern beeinträchtigen.

Auch der Eichenprozessionsspinner steht vor allem deshalb im Fokus, weil seine Brennhaare Menschen krank machen können. Für die Bäume ist er lästig, in der Folge aber nicht zu vergleichen mit dem Wirken des Borkenkäfers. „Der große Unterschied ist“, sagt Blaschke, „anders als die Fichte stirbt die Eiche bei Befall nicht. Sie bringt einen zweiten Trieb hervor – den sogenannten Johannistrieb.“

Im Umgang mit dem Borkenkäfer setzen die Forstleute auf intensives Monitoring unter Zuhilfenahme von Satellitenbildern. So sollen neu entstehende Befallsherde rasch entdeckt und schnellstens ausgeräumt werden – um eine Ausbreitung der Borkenkäfer in verbliebene, noch vitale Fichtenkomplexe nach Möglichkeit zu verhindern. Es bleibt zudem der bange Blick nach oben: Kalt wäre gut. Und nass. Und das, sagt Blaschke: „Je länger desto besser.“

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