Zustellgebiet KehrDie Grenzgängerinnen von der Post

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Seit mittlerweile 33 Jahren ist Alice Hardy als Zustellerin in Kehr, Oberhausen und Losheim unterwegs.

Seit mittlerweile 33 Jahren ist Alice Hardy als Zustellerin in Kehr, Oberhausen und Losheim unterwegs.

Hellenthal-Kehr – Streng genommen existiert der Ort Kehr gleich zweimal – einmal in Deutschland, einmal in Belgien. Mittendurch läuft die Bundesstraße zwischen Hellenthal und Prüm, die über weite Strecken die Grenze markiert. Dort ist das Revier von Alice Hardy. Als Josie ist sie an der Grenze bekannt, doch eigentlich nennen ihre Freunde sie Ellie.

Dass ihr Zustellgebiet ein wenig anders ist, sieht Alice Hardy jeden Tag, wenn sie über die Grenze geht, um in einem Autohaus die Post abzuliefern und gleich die neue mitzunehmen. „Dann muss man schon ein wenig aufpassen: Da liegt ein Häufchen, bei dem belgische Briefmarken auf den Briefen sind und bei dem anderen Häufchen sind es deutsche“, erzählt sie lachend. Auch Marina Krämer kennt die Situation gut – sie nimmt den Stapel mit den belgischen Briefmarken mit.

Beide Frauen seit über 30 Jahren im Dienst

Beide Frauen sind bei der Post unterwegs, Krämer bei der belgischen, wo sie für Kehr und Hergersberg zuständig ist, und Hardy bei der deutschen. Ihr Bereich ist Kehr, Losheim, Losheimergraben, Ramscheid und Oberhausen. Seit 33 Jahren ist sie in ihrem Revier unterwegs und kennt die Gegend aus dem Effeff. Auch Krämer ist eine alte Häsin, seit gut 31 Jahren liefert sie die Post aus, auch wenn ihr Berufsleben in Raeren begann.

„Eigentlich kenne ich mich hier besser aus als in meinem Wohnort Dreiborn“, gibt Hardy zu. Viele Freundschaften seien in den Jahren entstanden. Oft klingelt ihr Telefon und einer ihrer Kunden bittet sie, Briefmarken mitzubringen – oder mal ein Fläschchen Schnaps. „Man hat seine Stellen, wo man täglich Kaffee trinkt“, verrät sie. Als sie über zwei Jahre nach einem Arbeitsunfall krankgeschrieben worden war, habe sie viele Anrufe ihrer Kehrer Kundschaft bekommen.

Auch Hochzeiten wurden bereits gestiftet. So habe ein Pärchen sich auf ihrer Geburtstagsfeier verlobt: „Da war ich auch auf der Hochzeit.“ Doch auch die Schattenseiten des Lebens bleiben nicht vor ihr verborgen. So fand sie eines Tages bei ihrer Tour einen Mann leblos auf dem Boden seiner Küche. Obwohl sie sofort mit Wiederbelebungsmaßnahmen begonnen habe, sei der Mann gestorben.

„Ich war die erste Frau, die in Hellenthal Zustellung gemacht hat“, erzählt Hardy. Eigentlich sei sie gelernte Fernmeldetechnikerin, doch der Weg zu ihrer Arbeitsstelle in Köln sei ihr wegen ihres Kindes zu weit gewesen. Die Zustellung mache ihr immer noch Spaß: „Das freie Arbeiten ist toll, man ist sein eigener Chef.“

Unterschiede finden sich viele

Auch wenn die Tätigkeit der Zusteller auf den beiden Seiten der Grenze ähnlich ist, finden Krämer und Hardy Unterschiede. So muss Krämer ihren Kunden bis 7.30 Uhr die Zeitung ausliefern. Außerdem zahlen die Zusteller in Belgien vielen Menschen monatlich die Rente aus.

Das Gebäude in St. Vith, in dem die Postboten ihre Post sortieren, ist riesig, 120 Menschen arbeiten dort. Das Zustellzentrum Schleiden, 25 Kilometer von Kehr entfernt, ist dagegen kleiner. 35 Menschen sind hier tätig.

Dass die Briefpost zurückgegangen ist, merken beide. „Früher kamen viele Kataloge, das waren dicke Dinger“, erinnert sich Krämer. Weniger Werbung sei es, stellt Hardy fest. Auch sie hat die Tageszeitung im Gepäck und viele Pakete. 193 Stück hat Hardy heute in ihrem Auto: „In der Spitze können das auch über 300 Stück sein.“

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Bei der täglichen Arbeit treffen sich die beiden Frauen selten. „Früher haben die Kollegen in der Gaststätte Schröder in Losheimergraben gemeinsam Mittag gemacht“, erzählt Hardy. Auch bei Balter in Losheim habe man sich getroffen. Doch mittlerweile sei die Gaststätte geschlossen. Damit sei auch ihr Pausenkaffee weggefallen, denn sie dort regelmäßig trank.

Hardy liebt ihre Arbeit, auch wenn im Winter Schnee liegt. „Ich fahre gerne Auto und auch Motorrad“, sagt sie. So gern ist sie an der Grenze tätig, dass sie sich nach ihrem Arbeitsunfall wieder auf den Posten zurückkämpfte. Doch eine rote Linie ist für sie klar: „Wenn keine Zeit mehr ist, einen Kaffee zu trinken, bin ich raus.“

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