Rettungsmedaille erhaltenBesondere Ehrung für Helden der Flut aus dem Kreis Euskirchen

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Wolf-Christian Lorenz, Carsten Bönsch, Hubert Schilles und Ministerpräsident Hendrik Wüst stehen in der Staatskanzlei vor einem den Flaggen von der Europäischen Union, Deutschland und Nordrhein-Westfalen. Sie werden von einem sitzenden Publikum beklatscht.

Retteten vielen Menschen das Leben: Wolf-Christian Lorenz (v.l.), Carsten Bönsch und Hubert Schilles mit Ministerpräsident Hendrik Wüst.

In der Flutkatastrophe sind viele Menschen über sich hinausgewachsen. Sieben besondere Heldentaten aus dem Kreis Euskirchen wurden nun geehrt.

So ganz genau wissen Wolf-Christian Lorenz und Hubert Schilles an diesem Abend nicht, wie sie sich fühlen sollen. Mit Carsten Bönsch und ihren Familien stehen sie im obersten Stock der Staatskanzlei in Düsseldorf und warten. Ihnen und 15 weiteren Menschen aus Nordrhein-Westfalen wird eine besondere Ehre zu Teil: Sie erhalten die Rettungsmedaille des Landes.

„Es gibt keinen Orden, den wir so selten vergeben“, sagt Ministerpräsident Hendrik Wüst später in seiner Ansprache. Die Rettungsmedaille werde an Menschen verliehen, die ihr Leben in Gefahr bringen, um das anderer zu retten.

Einsatz unter Lebensgefahr an der Steinbachtalsperre 

Genau das haben Hubert Schilles aus Mechernich, Wolf-Christian Lorenz aus Bad Münstereifel und Carsten Bönsch aus Zülpich getan.

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Als der Damm der Steinbachtalsperre während der Flutkatastrophe 2021 zu brechen droht, setzt sich Schilles in seinen Bagger und schaufelt den zugespülten Abfluss wieder frei. Bricht der Damm oder kippt der Bagger, Schilles hätte kaum eine Überlebenschance.

Doch auch nach seiner Heldentat ist die Gefahr am Damm noch nicht gebannt. Die elektrischen Schieber für den Abfluss funktionieren nicht. Lorenz und Bönsch steigen daher in den Kontrollgang im Damm, um sie manuell zu betätigen. Doch der Kontrollgang steht zu diesem Zeitpunkt schon brusthoch unter Wasser. Jederzeit könnte der Damm brechen.

„Es musste halt gemacht werden“, sagt Lorenz zwei Jahre danach. Dass er dafür jetzt eine solche Auszeichnung erhalte, sei „fast schon übertrieben“. Auch Schilles will seine Tat nicht so hoch hängen, es sei doch selbstverständlich gewesen.

Ministerpräsident Hendrik Wüst betont Vorbildfunktion

Wüst hingegen sieht das anders. „Sie haben gehandelt, als man nicht handeln musste“, betont der Ministerpräsident in seiner Rede. Sein Leben zu riskieren, um andere zu retten, das könne niemand von einem erwarten.

Er erlebe es häufig bei Ehrungen, dass die Geehrten nicht so gerne im Rampenlicht stünden: „Lassen Sie es einfach wie eine warme Dusche über sich ergehen.“ Die Auszeichnung sei ohnehin nur zum Teil ein Dankeschön, so Wüst: „Es geht auch darum, Ihr Vorbild herauszustellen.“ Es könne andere Menschen ermutigen, ebenfalls so selbstlos zu handeln.

Darum ermutigt Wüst die Geehrten auch, die Medaille nicht irgendwo hinzustellen, sondern sie im Alltag zu tragen. „Das werde ich nicht machen“, sagt Tobias Engels nach der Verleihung jedoch ziemlich bestimmt. „Es soll nicht so aussehen, als würden wir uns mit der Medaille brüsten.“

Sascha Sha, Niklas Roggendorf, Tobias Engels und Alexander Schmidt stehen nebeneinander und halten ihre Rettungsmedaillen in die Kamera.

Freuten sich über die Auszeichnung: Sascha Shah (v.l.), Niklas Roggendorf, Tobias Engels und Alexander Schmidt.

Der Zülpicher wurde gemeinsam mit Sascha Shah aus Zülpich sowie Niklas Roggendorf und Alexander Schmidt aus Euskirchen mit der Rettungsmedaille ausgezeichnet für das, was sie am 14. Juli geleistet haben.

Am Abend dieses denkwürdigen Tages bleibt ein Bus in der Unterführung der L 194 in Euskirchen in Höhe der Zuckerfabrik in den Wassermassen stecken, schwimmt auf und droht umzukippen. Erst durch das Öffnen der Türen kann der Bus stabilisiert werden. Doch dadurch dringt Wasser hinein. Es steigt immer weiter.

Euskirchener und Zülpicher retten Menschen aus Bus

Sascha Shah und Tobias Engels kommen zufällig vorbei, Niklas Roggendorf und Alexander Schmidt wohnen in der Nähe. Alle vier zögern keine Sekunde. Sie müssen Teile des Weges zum Bus schwimmen. Dann retten sie die Menschen einen nach dem anderen aus dem Gefährt.

Kurz darauf fährt ein Pick-up in die Unterführung und schwimmt ebenfalls auf. Die Insassen retten sich aufs Dach, kommen von dort aber nicht weg. Die Männer retten auch diese Menschen.

„Einem Ertrinkenden muss man helfen, selbst wenn man nicht schwimmen kann“, sagt Alexander Schmidt. Ihr Handeln sei eine Selbstverständlichkeit, finden die vier Männer. „Wichtig ist, dass die Leute am Leben sind“, fasst Schmidt zusammen.

49 Menschen haben ihr Leben in NRW während der Flutkatastrophe 2021 verloren, 26 davon kamen aus dem Kreis Euskirchen. Hätten Alexander Schmidt, Carsten Bönsch, Wolf-Christian Lorenz, Hubert Schilles, Niklas Roggendorf, Sascha Shah, Tobias Engels und die weiteren Geehrten damals nicht ihr Herz in die Hand genommen, wären es noch mehr gewesen.


Hilfszentrum sucht Spenden

Auch nach der Flut haben Sascha Shah und Tobias Engels weitergeholfen. Sie gründeten das Hilfszentrum NRW in Zülpich. Von hier aus versorgten sie Flutbetroffene mit Lebensmitteln und Sachspenden. Das Hilfszentrum gibt es auch heute noch, inzwischen ist es nach Mechernich gezogen. „Der Bedarf ist noch sehr hoch“, sagt Shah. Die Zahl der Spenden sinke aber. Gebraucht werden könne alles: von Lebensmitteln über Hygieneartikel bis hin zu kleineren Mengen Baustoffe. (jre)

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