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GewerbesteuerDarum werden Firmen im Kreis Euskirchen vergleichsweise stark zur Kasse gebeten

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7 min
Das Luftbild zeigt den Industriepark am Silberberg in Euskirchen.

Die Gewerbegebiete im Kreis, hier der Industriepark am Silberberg in Euskirchen, sind gut gefüllt – und das trotz hoher Gewerbesteuersätze.

Die Gewerbesteuern in NRW sind laut IHK Aachen bundesweit Spitze. Im Kreis Euskirchen sind sie noch höher. Doch ein genauer Blick lohnt sich.

Die Unternehmen im Kreis Euskirchen müssen vergleichsweise hohe Gewerbesteuern zahlen. Bis auf Nettersheim lagen 2024 alle Kreiskommunen über dem Landesschnitt von Nordrhein-Westfalen. Und der ist ohnehin schon Bundesspitze, wie die Industrie- und Handelskammer Aachen (IHK) feststellt.

Demnach mussten die Betriebe an Rhein und Ruhr im Vorjahr im Schnitt mit einem Hebesteuersatz in Höhe von 472 Prozent kalkulieren. Bundesweit lag der Durchschnitt bei 437 Prozent. Im Kreis Euskirchen sortierten sich die Sätze zwischen 445 (Nettersheim) und 561 Prozent (Dahlem) ein. Nettersheim blieb als einzige Kommune unter dem Landesschnitt.

Gewerbesteuern: Nur Nettersheim bleibt im Kreis Euskirchen unter dem NRW-Schnitt

Die elf Städte und Gemeinden befinden sich da zwar nicht in guter, aber in großer Gesellschaft: 237 Kommunen in NRW liegen laut IHK über dem Bundesschnitt. Zu den Spitzenreitern bei den Hebesätzen gehöre die Gemeinde Inden im Kreis Düren mit einem Hebesatz von 700 Prozent.

Was aber bedeutet das für die Unternehmen? Die IHK rechnet vor: Bei einem Hebesatz von 400 Prozent (das war 2024 der Durchschnitt in Baden-Württemberg) müssten die Unternehmen effektiv 14 Prozent auf den Gewerbeertrag an den Staat entrichten. Bei einem Hebesatz von 500 Prozent seien es schon 17,5 Prozent. „Diese Entwicklung ist ein Alarmsignal für den Wirtschaftsstandort NRW“, betont Michael F. Bayer, Hauptgeschäftsführer der IHK Aachen, mit Blick auf die Hebesätze.

Wir sehen gerade in einigen Städten, dass eine geringere Gewerbesteuer zwar Betriebe anziehen kann, diese Betriebe dann aber keine oder zu wenig Gewerbesteuer zahlen müssen.
Jan Lembach, Bürgermeister von Dahlem

Die Gewerbesteuer wird von den Räten der Städte und Gemeinden im Rahmen der jährlichen Haushalte festgelegt. Neben der Grundsteuern A (Landwirtschaft) und B (Immobilien) ist sie der einzige Hebel, mit dem die Kommunen ihre finanzielle Lage beeinflussen können. Aber auch das hat Grenzen: Schließlich will man Unternehmen mit zu hohen Steuern nicht verschrecken. Denn was nutzt schließlich der höchste Satz, wenn niemand ihn zahlt?

Es ist das ewige Balancieren in der Steuerpolitik: Die Einnahmen der Kommunen müssen stimmen, um die Aufgaben für die Bürgerinnen und Bürger erfüllen zu können. Die Steuern dürfen aber nicht zu hoch sein, dass die Firmen die Flucht ergreifen.

Je nach Situation der Kommunen wirkt sich die Steuerpolitik anders aus

Der Dahlemer Bürgermeister Jan Lembach (CDU) bringt noch einen weiteren Aspekt ins Spiel. „Wir sehen gerade in einigen Städten, dass eine geringere Gewerbesteuer zwar Betriebe anziehen kann, diese Betriebe dann aber keine oder zu wenig Gewerbesteuer zahlen müssen“, so Lembach: „Darüber geht die Stadt Leverkusen gerade wirtschaftlich bankrott.“ Insofern sei es keineswegs immer zielführend, sich auf einen unkontrollierten Wettbewerb um den niedrigsten Gewerbesteuersatz einzulassen.

Es kommt halt auch auf die Lage der jeweiligen Kommune an, die wirtschaftliche wie auch die geografische. So habe Dahlem die geringste Fläche für Gewerbe im Kreis, weitere Gebiete seien planungsrechtlich schwierig zu realisieren, erläutert Lembach.

Dahlemer Bürgermeister Jan Lembach warnt vor „Dumping-Hebesätzen“

„Insofern gibt es für die Gemeinde keinen Grund, mit ,Dumping-Hebesätzen' Unternehmen anzulocken, die dann je nach Unternehmenslage mal mehr oder wie derzeit deutlich weniger Gewerbesteuer zahlen.“ Die Wirtschaft in der kleinen Gemeinde, so Lembach, sei geprägt von soliden mittelständischen, regionalen und lokalen Unternehmen und nicht von Großunternehmen, für die die Steuersätze von größerer Bedeutung seien.

Darüber hinaus setzt Dahlem auf die Erzeugung grüner Energie. „Bei der Ansiedlung von Energieprojekten gelten andere Standortfaktoren als die Höhe der Gewerbesteuer“, so Lembach – etwa die Topografie, das Flächenvorkommen oder der Wind. „Auch vor diesem Hintergrund wollen wir die Standorte und unsere Flächen nicht unter Wert verkaufen“, stellt der Bürgermeister klar.

Die Zukunft sieht in diesem Bereich leider düster aus.
Norbert Crump, Bürgermeister von Nettersheim, über die künftige finanzielle Lage

In Nettersheim sieht das schon anders aus. Dort freut sich Bürgermeister Norbert Crump (CDU) darüber, dass man mit dem kreisweit niedrigsten Hebesatz Betriebe hat begeistern können, sich in Nettersheim niederzulassen. Es seien auch schon Firmen aus anderen Kommunen in die Gemeinde gekommen – nicht nur, aber auch wegen der günstigen Gewerbesteuer.

Und wenn dann auch das Land so günstig sei wie im Gewerbegebiet Zingsheim, komme das bei den Unternehmensleitungen gut an, sagt Crump: „Wir haben mittlerweile gar keine Flächen mehr im Gewerbegebiet.“ Rund 100 Arbeitsplätze seien in den vergangenen Jahren geschaffen worden. Eine Erweiterung sei zwar angedacht, aber so etwas dauere seine Zeit angesichts der Bürokratie.

Durch die Grundsteuer B nehme die Gemeinde etwa 1,4 Millionen Euro im Jahr ein, erläutert Crump. Die Gewerbesteuer bringe aber mehr als vier Millionen. „Wir haben über Jahrzehnte hinweg gut gewirtschaftet“, nennt Crump den Grund für den niedrigen Satz.

Auch Nettersheim kommt an Steuererhöhungen nicht vorbei

Doch schon für den 2025er-Haushalt wurde der Satz um 20 Punkte moderat angehoben. Und das ist wohl noch nicht das Ende. Die allgemein schlechte Finanzlage der Kommunen mache auch vor den Toren Nettersheims nicht halt, sagt Crump: „Die Zukunft sieht in diesem Bereich leider düster aus.“ Das Leben in der Gemeinde werde teurer.

„Im nächsten Jahr bekommen wir 1,3 Millionen Euro an Schlüsselzuweisungen weniger als in diesem“, erläutert der Bürgermeister. Statt 1,8 Millionen werde das Land nur 500.000 Euro überweisen. Diese Zahlung des Landes aus dem Steuertopf richtet sich übrigens nach der Steuerkraft der Kommunen.

Die jüngsten Jahresabschlüsse hätten der Gemeinde bereits rote Zahlen beschert – und besser werde es voraussichtlich nicht, obwohl Verwaltung und Politik weiterhin gut wirtschafteten. „Aber es kommen von außen immer mehr Dinge auf uns zu, die unterfinanziert sind“, so Crump: „Das bringt den Haushalt in die Schieflage.“ Daher seien weitere Anpassungen bei der Gewerbesteuer kaum zu vermeiden.

Haushaltssicherungskonzept lässt Bad Münstereifel gar keine Wahl

Zahlen will Verwaltungschef Crump noch nicht nennen, das entscheide ohnehin der Rat. „Aber den Ehrgeiz, weiterhin Schlusslicht im Kreis zu bleiben, haben wir“, stellt der Bürgermeister dann doch klar.

Zu den aktuellen Hebesätzen von Bad Münstereifel und Weilerswist (beide 530 Prozent) wird Nettersheim sicher noch Abstand halten. Auch hier spielt die jeweilige Situation eine wichtige Rolle. Der Gewerbesteuersatz, so heißt es etwa aus dem Bad Münstereifeler Rathaus, resultiere aus der sehr schwierigen finanziellen Lage der Stadt.

Die Kurstadt befindet sich im Haushaltssicherungskonzept (HSK), was den Einfluss auf die Steuersätze einschränkt. Für 2026 sei keine Erhöhung der Gewerbesteuer vorgesehen, teilt die Verwaltung auf Anfrage mit. Für 2027 stehe aber ein Anstieg um zehn Punkte auf 540 Prozent an, was 100.000 Euro einbringen soll.

Trotz hoher Steuern: Weilerswister Gewerbeflächen sind „ausverkauft“

Für 2028 sieht das HSK einen Hebesatz von 560 Prozent beziehungsweise Mehreinnahmen von 200.000 Euro vor. „Eine weitere Erhöhung auf einen Hebesatz in Höhe von 575 Prozent soll gemäß HSK im Jahr 2033 erfolgen.“

Eine ähnliche Entwicklung kennt man auch in Weilerswist gut. Auch diese Gemeinde musste im Rahmen eines Haushaltsicherungskonzepts die Steuern regelmäßig erhöhen – „wenn auch moderat“, wie Kämmerer Alexander Eskes betont. Zuletzt war das 2023, weitere Erhöhungen seien auch für das kommende Jahr nicht vorgesehen.

Geschadet hätten die Erhöhungen nicht so sehr. Die Nähe zu den Städten Köln und Bonn und die verkehrliche Anbindung der Gemeinde lässt die Unternehmensleitungen offenkundig über das eine oder andere Hebesatzprozent gnädig hinwegsehen. Weilerswist ist derzeit ausverkauft. „Wir haben zurzeit keine Gewerbeflächen mehr zur Verfügung“, sagt Eskes.

Auch wenn die Verantwortlichen je nach Situation ihrer Kommune die Höhe der Gewerbesteuern im Detail unterschiedlich kommentieren: Einig sind sich alle darin, dass die Städte und Gemeinden von Bund und Land besser ausgestattet werden müssten.

„Landes- und bundesseitige finanzielle Entlastungen der Kommunen sind notwendig, um in den meisten Städten und Gemeinden erst wieder wirtschafts- und standortfördernde Hebesätze bei der Gewerbesteuer zu ermöglichen“, fordert denn auch Industrie- und Handelskammer Aachen.


So wird die Gewerbesteuer für die Unternehmen berechnet

Die Gewerbesteuer errechnet sich aus dem Gewerbeertrag minus Freibetrag. Davon werden 3,5 Prozent (Steuermessbetrag) mit dem Hebesatz der Kommune multipliziert.

Bei einem Grundlagenbetrag von beispielsweise 100.000 Euro blieben also 3500 Euro (3,5 Prozent Steuermessbetrag) als Steuergrundlagenbetrag. In Dahlem mit einem Hebesatz von 561 Prozent würden sie mit 5,61 multipliziert, was 19.635 Euro bedeutet. In der Gemeinde Nettersheim mit dem aktuellen Hebesatz von 465 Prozent käme ein Steuerbetrag in Höhe von 16.275 Euro heraus (3500 mal 4,65).  


Das sind die Gewerbesteuersätze der Kommunen im Kreis Euskirchen

Blankenheim, Nettersheim und Schleiden haben 2025 die Gewerbesteuersätze anheben müssen. Hier die Hebesätze-Prozente der Städte und Gemeinden in den Jahren 2024/2025:

Bad Münstereifel 530/530

Blankenheim 450/475

Dahlem 561/561

Euskirchen 475/475

Hellenthal 490/490

Kall 515/515

Mechernich 498/498

Nettersheim 445/465

Schleiden 490/515

Weilerswist 530/530

Zülpich 475/475