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Mit dem ÖPNV zur AusbildungKreis Euskirchen lehnt Streckenführerschein für Derkumer ab

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Das Bild zeigt eine Bushaltestelle in Kirchheim.

Mit einem Führerschein wäre vieles einfacher. So muss der 17-jährige Luis Lövy mit dem Bus von Derkum nach Kirchheim und von dort zu Fuß zu seiner Ausbildungsstelle im Kloster Schweinheim gehen.

Jeden Morgen fährt Luis Lövy mit der Bahn und dem Bus von Derkum zum Kloster Schweinheim. Die Pendelei hält der Kreis für zumutbar.

Autofahren ohne Begleitung mit 17? Das geht nur in ganz besonderen Fällen. Der sogenannte Streckenführerschein erlaubt Jugendlichen, auf festgelegten Wegen zwischen Wohnort und Ausbildungs- oder Arbeitsstätte allein unterwegs zu sein. Einen Antrag auf eine solche Ausnahmegenehmigung hat Heidi Lövy für ihren Sohn Luis Noel gestellt.

Der hat eine Ausbildung im Kloster Schweinheim begonnen und wird im Januar 18. Bis dahin muss der 17-Jährige aktuell jeden Morgen mit Bahn und Bus von Derkum nach Schweinheim oder wahlweise nach Kirchheim fahren. Länger als eine Stunde pro Strecke ist der Azubi unterwegs – wenn es gut läuft. Für den Kreis Euskirchen ist das zumutbar. Entsprechend hat er – zum Unverständnis von Heidi Lövy – den Antrag abgelehnt.

Mein Sohn muss nun im Winter über nicht beleuchtete Wirtschaftswege bei Wind und Wetter zu seiner Arbeitsstelle gehen.
Heidi Lövy, Mutter

„Das kann ich nicht verstehen. Mein Sohn muss nun im Winter über nicht beleuchtete Wirtschaftswege bei Wind und Wetter zu seiner Arbeitsstelle gehen“, so die Derkumerin. Wenn ihr Sohn krank werden sollte, habe das für ihn Nachteile während der Ausbildung. „Und es kommt immer wieder vor, dass die Bahn nicht fährt oder zu spät kommt. Dann verpasst mein Sohn den Bus nach Schweinheim. Die Entscheidung des Kreises ist nicht förderlich und auch nicht nachvollziehbar“, sagte die Derkumerin der Redaktion.

Und als Mutter sagt sie: „Wenn der Zug nicht kommt oder Luis einen Bus verpasst, dann wartet er eine halbe Stunde am Euskirchener Bahnhof. Und das ist ein Umfeld, wo man sich als Mutter Gedanken macht.“ Die Derkumerin sagt auch, dass der Kreis Euskirchen bei den Streckenangaben falsch gerechnet habe. Die Strecke, die ihr Sohn zur Ausbildungsstrecke zurückzulegen habe, sei deutlich länger.

Ausnahme vom gesetzlichen Mindestalter für den Autoführerschein

Doch was ist ein Streckenführerschein überhaupt? Ein solcher Streckenführerschein ist eine Ausnahme vom gesetzlichen Mindestalter für den Autoführerschein. Er gilt nur für bestimmte Strecken und Zeiten, meist bis zum 18. Geburtstag. Doch die Voraussetzungen sind streng: „Das ist eine Ermessensentscheidung, die nur in echten Härtefällen getroffen wird“, betont die Kreisverwaltung. Grundlage sei ein Erlass des NRW-Verkehrsministeriums von 2008. Der Hintergrund: Junge Fahranfänger zwischen 18 und 24 Jahren haben statistisch das höchste Unfallrisiko – und das mehrfach höhere Risiko schwerer Unfälle.

Ein Härtefall liegt laut Erlass nur dann vor, wenn der Ausbildungs- oder Arbeitsplatz nicht auf anderem Weg erreichbar ist. Zumutbar seien laut Ministerium und einem Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen Pendelzeiten von bis zu eineinhalb Stunden pro Strecke mit Bus und Bahn – also drei Stunden täglich. Auch das Fahren mit einem Roller oder Leichtkraftrad bis 125 Kubikzentimeter (Klasse AM oder A1) gilt als zumutbar. Schlechte Wetterbedingungen oder Schienenersatzverkehr zählen laut Kreis dagegen nicht als Härtefall.

Neben Verwaltungsgebühren müssen Antragsteller auch die Kosten einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) tragen, in der die persönliche Reife überprüft wird.
Wolfgang Andres, Pressesprecher des Kreises Euskirchen

In diesem Jahr hat die Führerscheinstelle des Kreises Euskirchen laut Wolfgang Andres, Pressesprecher des Kreises, bisher 28 Streckenführerscheine erteilt und 14 Anträge abgelehnt. „Neben Verwaltungsgebühren müssen Antragsteller auch die Kosten einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) tragen, in der die persönliche Reife überprüft wird. Diese Untersuchung wird allerdings erst fällig, wenn alle anderen Voraussetzungen erfüllt sind“, so Andres.

Kreisverwaltung sah keine Möglichkeit für eine Ausnahme

Ein Beispiel für eine bewilligte Ausnahme: Eine Jugendliche aus einem kleinen Ort bei Hellenthal absolviert eine Ausbildung in Kerpen – rund 70 Kilometer entfernt. Mit Bus und Bahn würde die Fahrt länger als zwei Stunden dauern. Mit Roller oder Fahrrad ist die Strecke nicht zu bewältigen. In diesem Fall wurde der Antrag genehmigt. Im Fall von Heidi und Luis Noel Lövy sah die Kreisverwaltung dagegen keine Möglichkeit für eine Ausnahme.

„Der Antrag ist aus Sicht der Familie nachvollziehbar, aber die gesetzlichen Vorgaben sind eindeutig“, heißt es aus der Führerscheinstelle. Der Arbeitsort des Sohnes sei mit Bahn und Bus erreichbar, die Pendelzeit liege deutlich unter eineinhalb Stunden. Damit fehle die Grundlage für eine Ausnahmegenehmigung. Zudem sei die Nutzung eines Rollers (Klasse AM) zumutbar.