Das Kammermusikfestival Spannungen im Heimbacher Kraftwerk hat begonnen und vermittelt ein besonderes Gefühl.
Spannungen-FestivalDas Kraftwerk in Heimbach ist für eine Woche ein Konzertsaal

Mozart zum Finale: Das Streichquintett in g-Moll bildete den Abschluss des Abends.
Copyright: Stephan Everling
Da konnte das Publikum kaum genug applaudieren: Mit stehenden Ovationen feierten die Zuschauer im Jugendstilkraftwerk in Heimbach den Pianisten Leif Ove Andsnes für seine Interpretation der „24 Preludes“ von Frédéric Chopin. Mit virtuoser Fingerfertigkeit und musikalischer Brillanz meisterte der Norweger souverän die musikalischen und technischen Klippen des anspruchsvollen Stückes, so dass sich Konzentration und Spannung der Zuhörer in einem Beifallssturm entluden.
Das Kammermusikfestival Spannungen ist gestartet und findet nun im 27. Jahr in dem außergewöhnlichen Konzertsaal an der Rur satt. Das Muster ist dabei denkbar einfach: Turbinenlärm raus, klassische Musik rein. Dass dabei ohne großartige Umbauten eine Akustik herauskommt, die mit jeder Philharmonie mithalten kann, sollte den Konstrukteuren von Konzertsälen durchaus zu denken geben. Die monumentalen Maschinen und Instrumente mit ihren altertümlichen Zeigern erzeugen ein nostalgisches Flair, das sein Übriges zu der Wohlfühlatmosphäre in dem Kraftwerk dazutut.
Das Festival in Heimbach startet mit einem deutlichen Statement
Da verwundert es nicht, dass das Publikum einmal im Jahr dankbar die Möglichkeit annimmt, sich an diesem Ort zu tummeln, der so wirkt, als seien die Maschinen nur Dekoration und als würde hier nie etwas anderes als hochklassige Musik produziert – erst recht nicht Strom. Einzig das dezente Aroma von technischen Schmierstoffen erinnert bisweilen an den eigentlichen Zweck des RWE-Vorzeigegebäudes.
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Nur wenige der 550 Sitzplätze waren an diesem Abend frei geblieben, als Festivalleiter Christian Tetzlaff mit Jan Larsen an der Bratsche und Cellist Krzysztof Michalski und dem Streichtrio von Gideon Klein die Reihe von insgesamt zehn Konzerten eröffnete. Durchaus programmatisch, denn Tetzlaff, der das Amt des künstlerischen Leiters nach dem Tod des Festivalgründers Lars Vogt übernommen hat, hat den diesjährigen Spannungen das Motto „Echo der Zeit“ vorangestellt.

Begeistert und mit stehenden Ovationen wurde der Pianist Leif Ove Andsnes für seine Chopin-Preludes gefeiert.
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Mehrfach zu hören war Festivalleiter Christian Tetzlaff.
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Premiere: Ihre ersten Spannungen erlebten Josefa und Simon Oberem.
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In Zeiten, in denen Populismus, Faschismus und Krieg die Schlagzeilen beherrschen, war deshalb der Auftakt mit einem Werk Kleins ein deutliches Statement. Der tschechische Komponist war 1941 im Alter von 20 Jahren nach Theresienstadt deportiert worden. Seine Arbeiten führte er dort fort. Das Streichtrio vollendete er 1944 – neun Tage bevor er nach Auschwitz gebracht wurde, wo er kurz vor Kriegsende starb.
Es ist ein Werk, das deutlich den expressionistischen Geist der Kompositionen aus dieser Periode atmet, aber mit der Verwendung mährischer Volkslieder und der Allgegenwart von Unterdrückung, Misshandlung und Tod eine ganz eigene, tiefgehende Kraft ausstrahlt.
Die Spannungen erzeugen ein ganz besonderes Gefühl
Ihm folgten die Chopin-Preludes, fast schon ein versöhnlicher Gegensatz angesichts der Vielzahl bekannter Melodien aus diesem vielschichtigen Werk, bevor es für die mehr als 500 Besucher in die Pause ging. Mit dem Streichquintett in g-Moll von Wolfgang Amadeus Mozart wurde das Konzert beschlossen.
Begeistert zeigte sich Dr. Stefan Cuypers, Vorsitzender des Kunstfördervereins Düren, vom Festivalbeginn. „Von der ersten Sekunde war das Spannungsgefühl da“, sagte er. Die Vorfreude sei groß gewesen, die vielen Menschen wiederzusehen, die in der Spannungsfamilie zusammenkommen. „Es war gigantisch, auf welche besondere Art und Weise sich die Musik auf das Publikum übertragen hat“, schilderte er seine Wahrnehmung der Performance des Pianisten Andsnes. Selten habe er ein Publikum erlebt, das so wenig gehustet habe und eine solch hohe Konzentration gezeigt habe. Da sei es nur folgerichtig gewesen, dass am Ende die Begeisterung aus den Zuhörern regelrecht herausgeplatzt sei.
Auch junge Leute begeistern sich für die klassischen Werke
Ebenfalls begeistert zeigten sich Sibylle und Benno Jacobs aus Aachen. „Der Chopin war Weltklasse“, sagte sie. Bis vor drei Jahren seien sie regelmäßig zu den Spannungen in die Eifel gekommen, doch dann sei ihnen die späte Rückfahrt zu anstrengend geworden. Nun hat das Paar eine andere Lösung gefunden. „Jetzt haben wir uns ein Hotel in Heimbach genommen und bleiben die ganze Woche hier“, sagte sie. Das ganze Hotel sei belegt mit Musikfans, die ebenfalls die Festivalwoche hier verbringen: „Dafür haben wir auf einen anderen Urlaub verzichtet.“ Wenn es möglich sei, wollen sie auch vormittags die öffentlichen Proben besuchen, die im Festivalprogramm angeboten werden.
Ebenfalls aus Aachen waren Josefa und Simon Oberem gekommen. Sie erlebten zum ersten Mal ein Konzert bei dem Kammermusikfestival. Dass sie den Altersdurchschnitt im Publikum deutlich senkten, war ihnen bewusst. Vergleichsweise häufig besuchten sie derartige Konzerte – und da seien in der Regel wenige junge Leute. Die Liebe zur klassischen Musik hat sie zusammengeführt – im Uni-Orchester in Bonn haben sie sich kennengelernt. Aktuell spielen sie im Aachener Kammerorchester.
Von den Spannungen sind sie sehr angetan. „Die Atmosphäre ist toll, der Rursee schafft eine Ruhe“, sagt Simon Oberem, der die hohe Aufmerksamkeit des Publikums schätzt. Und seine Frau ergänzt: „Ich finde es schön, wie die Musiker Spaß miteinander haben, das hat etwas Familiäres.“