Polizei im Kreis EuskirchenWeniger Straftaten, mehr Begegnung

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Auch der Alltag der Polizisten hat sich in der Corona-Zeit verändert, wie Roger Kath (l.) und Lothar Willems berichten.

Auch der Alltag der Polizisten hat sich in der Corona-Zeit verändert, wie Roger Kath (l.) und Lothar Willems berichten.

Kreis Euskirchen – Auf die Ereignisse rund um Corona schaut jeder mit eigenem Blickwinkel. Die einen sind dankbar für das Handeln der Regierung, andere sehen die Maßnahmen kritisch. Wie blickt man auf diese Zeit, wenn man zwischen Regierung und Bürgern steht? Lothar Willems, Pressesprecher der Polizei im Kreis Euskirchen, und Roger Kath, Kontaktbeamter für muslimische Institutionen, berichten von den vergangenen Wochen.

Willems war wochenlang nicht in der Polizeiwache in Euskirchen. Auch er hat im Home-Office gearbeitet. Das war, so schildert er, für alle Polizisten höchst gewöhnungsbedürftig. Normalerweise sei das Leben auf den Wachen von Begegnungen, Austausch und herzlichem Händeschütteln geprägt. Corona sorgt für Distanz. „Wir haben untereinander eine hohe Kollegialität. Wer zur Polizei kommt, muss ein Teamplayer sein. Jetzt müssen wir uns an mehr Abstand gewöhnen und die leeren Flure.“

Verstöße

123 Vorgänge liegen der Polizei bislang im Zusammenhang mit Corona vor. Unter anderem geht es dabei um Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz sowie im Zusammenhang mit Fake-Websites zum Thema „Corona-Soforthilfe“. Nicht darin enthalten sind Verstöße gegen die Schutzverordnung, die durch die kommunalen Ordnungsämter geahndet wurden. (fkn)

Den Dienst hat die Polizei logischerweise so gestaltet, dass die Funktionstüchtigkeit erhalten bleibt. Wer zur Gruppe der gefährdeten Personen zählt oder leicht von zu Hause aus arbeiten kann, ist ins Home-Office gegangen. Aus- und Fortbildungen wurden eingestellt, Praktika für angehende Polizisten fielen aus. „Nachwuchs ist ohnehin ein ständiges Thema. Das nötige Minimum an Auszubildenden wurde erreicht, aber es wäre noch viel Platz für weitere Bewerber,“ sagt Willems.

Kath setzt sich für muslimische Gruppen ein

Der Polizeiberuf biete viele Facetten und Möglichkeiten. Roger Kath hat seine Passion gefunden. Er ist im Bezirksdienst aktiv – man spricht auch vom Kontaktbeamten –, sein Schwerpunkt liegt darin, in Verbindung zu den muslimischen Verbänden zu stehen. Corona schränkt die Begegnungen deutlich ein. „Die muslimischen Gruppen sind viel sensibilisierter für das Ansteckungsthema gewesen als andere Bevölkerungsgruppen“, berichtet er: „Schon ganz früh, als Herr Laschet die ersten Einschränkungen verkündete, hatten die Muslime beschlossen, die Freitagsgebete abzubrechen und die Zusammenkünfte einzuschränken. Der Gesundheitsaspekt ist im muslimischen Bereich sehr wichtig. Darum waren sie sehr kooperativ und brachten eigene Maßnahmen ohne große Vorgaben auf den Weg.“ Engagiert setzt sich Kath dafür ein, muslimische Gruppen nicht einseitig negativ zu sehen.

Die Stelle von Kath wurde ursprünglich 2003 von der Landesregierung eingerichtet, um präventiv der Gefahr durch Anschläge radikaler islamistischer Gruppierungen zu begegnen. Inzwischen ist deutlich geworden, wie wichtig die Nähe zwischen Sicherheitsbehörden und muslimischen Gruppen grundsätzlich ist. Kath, der seit 2019 in dieser Funktion arbeitet, bewegen dabei mehrere Ziele. „Wir möchten mit den muslimischen Organisationen arbeiten, um dran zu sein. Ich möchte die Polizei näher heranführen an den muslimischen Glauben, um Verständnis zu bewirken und ein differenziertes Bild von Migranten zu ermöglichen. Ich möchte aber auch die Anliegen des Staates an die Muslime heranbringen.“ Es geht um gegenseitiges Verständnis. Das Bild der Polizei ist in vielen Ländern angstbesetzt. „Polizisten betrachtet man in manchen Ländern als Spitzel. Darum ist es mir wichtig, Akzeptanz als Polizist zu erhalten und das Bild des Polizisten in Deutschland zu vermitteln.“

„Lest die Corona-Schutzverordnung. Dann seid ihr richtig informiert“

Willems und Kath machten in den vergangenen Wochen einige erfreuliche Beobachtungen. Kath: „Die Bürger waren bei der Begegnung mit Polizisten sehr entspannt. Auch Geschäftsleute und Kneipenwirte reagierten gelassen, trotz ihrer Sorgen. Seit die Lockerungen laufen, besteht aber vermehrte Rechtsunsicherheit. Was ist erlaubt und was nicht? Da kommt es schon mal zu übermotiviertem Verhalten von Einzelnen, die meinen, Polizisten auf vermeintliches Fehlverhalten von Mitbürgern aufmerksam machen zu müssen.“ Willems ergänzt, dass er sich wünsche, alle Bürger würden sich an der richtigen Stelle informieren. Wahllos Behauptungen in Social-Media-Foren aufzugreifen, sei eine schlechte Art, sich zu informieren. „Hört auf uns. Lest die Corona-Schutzverordnung. Dann seid ihr richtig informiert“, so Willems. Was den Polizeidienst unter Corona-Bedingungen erleichtert habe, seien der Rückgang angezeigter Straftaten und der verminderte Straßenverkehr. Erfreulicherweise sei im Kreis weder eine Zunahme an häuslicher Gewalt noch an Suiziden festgestellt worden.

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Willems wünschte sich, die Polizei könnte ihre Schwerpunkte mehr verlagern. „Viele denken, wenn sie Polizisten sehen: Die wollen meinen Führerschein oder mein Geld.“ Er sehe sie mehr als Sozialarbeiter: „Wir sind oft die Einzigen, die einem hilflosen Menschen auf der Straße zur Hilfe kommen. Und es macht Freude, einem Menschen beizustehen. Natürlich haben wir einen Strafverfolgungszwang per Gesetz. Aber ich wünschte mir viel mehr Zeit, um mit Leuten zu reden und intensiven Kontakt zu Mitmenschen zu pflegen. Wie es früher mal beim Dorfpolizisten war.“ Der Dienst gebe diese Zeit heute meist nicht mehr her. Doch in der Corona-Zeit gab es mehr Raum für Präsenzstreifen. Ginge es nach Willems und Kath, würde dieser Nebeneffekt der Pandemie zum Normalzustand. Aber dazu müssten deutlich mehr Polizisten eingestellt werden.

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