Nach der FlutDer Malzirkus in Gemünd bietet seit zwei Jahren den Kinderseelen Hilfe

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Zwei Zirkuswagen stehen auf einer Wiese in Gemünd. Darin wird der Malzirkus für Kinder aus von der Flutkatastrophe betroffenen Familien angeboten.

In zwei ausrangierten und liebevoll hergerichteten Zirkuswagen bietet der Malzirkus auf einer Wiese an der Grundschule in Gemünd Kunsttherapie für Kinder an.

Mit Kunsttherapie und individuellen Angeboten hilft der Malzirkus in Gemünd Kindern und Jugendlichen aus von der Flut betroffenen Familien.

Esmeralda und Bommel, die beiden ausrangierten Zirkuswagen, stehen in schöner Eintracht auf der Wiese an der Grundschule im Müsgesauel. Blumen sind als erste Frühlingsboten frisch in den leuchtend gelben Setzkästen gepflanzt. Esmeralda ist dabei der alte Hase der beiden: Seit April 2022 bietet der Verein „Fortuna hilft“ darin in Gemünd den Malzirkus für Kinder aus von der Flut betroffenen Familien an.

Der Ansatz ist vielfältig: „In kleinen Gruppen Gefühle und Gedanken kreativ ausdrücken“ – so ist die Idee der Kunsttherapie im liebevoll hergerichteten Wagen allgemein überschreiben. Doch der geschützte Raum bietet deutlich mehr Möglichkeiten: Es geht um das Öffnen, das Entdecken von Ressourcen, um Selbstheilungskräfte – und auch um Lachen, Toben, Spaß haben, Kind sein.

Die Angebote im Malzirkus in Gemünd sind für die Familien kostenlos

Die Angebote sind für die Familien kostenlos, finanziert werden sie aus Fluthilfe-Mitteln und Spenden. Der erste Standort war am Hilfszentrum an der Kölner Straße. In den Sommerferien ist die Einrichtung zur Grundschule umgezogen. In den Herbstferien ist der zweite Wagen dazugekommen, den eine mit der Vereinsvorsitzenden Klaudia Skodnik bekannte Schaustellerfamilie ausrangiert und für den Malzirkus zur Verfügung gestellt hat. Inzwischen ist die Abstimmung über den Namen beendet, Bommel hat das Rennen gemacht.

Drei Frauen, Kerstin Berners, Gaby Hammer und Rebecca Müller, stehen an einer Treppe, die zum Malzirkus führt.

Eine enge Zusammenarbeit mit der Grundschule um Leiterin Kerstin Berners (l.) haben Rebecca Müller (r.) und Gaby Hammer vom Malzirkus etabliert.

In diesem Wagen ist zum einen ein kleines Büro eingerichtet, in dem die sechs Mitarbeiter des Malzirkus Verwaltungsarbeit erledigen und Gespräche führen können. Vor allem aber bietet er einen Raum für individuelle Therapiemöglichkeiten. Etwa für die Kurse, die die psychologische Familienberaterin Gaby Hammer entwickelt hat und nun anbietet.

Zunächst zwei Kurse mit jeweils vier Kinder hat der Paritätische Wohlfahrtsverband aus Flut-Spenden der Aktion „Deutschland hilft“ finanziert. Konzentrationsschwierigkeiten, eine geringe Anstrengungsbereitschaft und hohe Frustration nennt Hammer als Stichworte, die in der Arbeit mit den Kindern im Malzirkus oder in der Schule aufgefallen sind. Daher sei das Ziel gewesen, dem besonderen Bedarf dieser Kinder mit einem möglichst individuellen Angebot zu begegnen.

Der Bedarf ist mehr als zweieinhalb Jahre nach der Flut ungebrochen

Grundsätzlich ist der Bedarf nach Hilfe und Unterstützung auch mehr als zweieinhalb Jahre nach der Flut ungebrochen. „Vieles bekommt jetzt erst Raum und Zeit“, sagt Rebecca Müller. Die Wunden, die die Flutkatastrophe in die Seelen der Kinder geschlagen hat, sind längst nicht sofort und schon gar nicht offensichtlich erkennbar zutage getreten.

Traumata brauchen lange, bis sie überhaupt anpackbar werden. Dann fängt es erst an, dass man Stück für Stück daran arbeiten kann.
Gaby Hammer

„Nach der Flut war jeder froh um jedes Stück Normalität.“ So formuliert es Kerstin Berners, die Leiterin der Grundschule, mit der das Malzirkus-Team nicht nur wegen der räumlichen Nähe gut und eng zusammenarbeitet. „Ein gutes Jahr später fing es an. Da spürte man: Da ist etwas“, beschreibt Berners ihre Beobachtungen. Gaby Hammer nickt zustimmend: „Traumata brauchen lange, bis sie überhaupt anpackbar werden. Dann fängt es erst an, dass man Stück für Stück daran arbeiten kann.“

Da unterscheiden sich die Reaktionen der Kinder nicht wesentlich von denen der Erwachsenen. Wie auch? Ihre Umstände sind schließlich dieselben. Die drei Frauen wissen von Familien, deren Haus immer noch ein Rohbau ist, wo die Entscheidung über Abriss oder Wiederaufbau aussteht. Sie wissen von Familien, deren Wiederaufbau zwar abgeschlossen, das Haus schick und neu ist – aber noch nicht wieder die sichere Burg, die das Zuhause vor der Flut gewesen ist. Und sie wissen von äußeren Einflüssen, dem Wetter etwa, die Flashbacks, Panik, Angst und Sorgen auslösen können.

Der Wunsch ist, den Malzirkus als dauerhaftes Angebot zu etablieren

Von „gespenstischen Szenen“ berichtet Müller, als vor wenigen Wochen die Pegel der Flüsse gestiegen sind: „Die Leute hatten Panik, fingen an, Möbel zu rücken oder hatten die Notfalltaschen gepackt.“ Da das Malzirkus-Team aus der Fluthilfe kommt und auch da weiterhin im Einsatz ist, hat es quasi keinen Feierabend. Müller: „Wenn man uns braucht, sind wir erreichbar und versuchen, ein kleines bisschen Sicherheit zu schaffen.“

Die Themen werden auch in Jahren noch da sein, wenn die Flut keine Rolle mehr spielt.
Rebecca Müller

„Die Ängste der Eltern übertragen sich“, sagt Hammer: „Die Kinder haben dafür ganz feine Antennen.“ Daher sei in ihrer Arbeit auch das Zusammenspiel mit den Eltern so wichtig. Denn auch die müssen zuweilen lernen, dass es wichtig ist, Ängste zu zeigen und zuzulassen. Die Übungen, die sie mit den Kindern mache, sind laut Hammer für Erwachsene genauso geeignet.

Wann die Arbeit für sie endet? „Die Themen werden auch in Jahren noch da sein, wenn die Flut keine Rolle mehr spielt“, sagt Müller. Die Probleme, mit denen sie sich im Malzirkus beschäftigen, seien meist grundsätzlicher Natur und betreffen längst nicht nur von der Katastrophe betroffene Kinder. Bei einigen seien sie durch die Flut eher zutage getreten, als das sonst der Fall gewesen wäre.

Daher ist es der Wunsch, den seit zwei Jahren etablierten Malzirkus als geschützten Raum für die Kinder als dauerhaftes Angebot zu installieren. Als ersten Schritt auf diesem Weg habe der Verein „Fortuna hilft“ daher die anerkannte Trägerschaft in der Kinder- und Jugendhilfe beantragt.


Unterstützt werden kann der Malzirkus durch Spenden oder Patenschaften. Infos dazu, zu den Sonderaktionen und zu den Anmeldemodalitäten sowie Kontaktnummern gibt es online.


Der Malzirkus ist montags bis freitags täglich geöffnet

Geöffnet ist der Malzirkus weiterhin montags bis freitags von 15 bis 18 Uhr. „Etwa 80 Kinder und Jugendliche besuchen den Malzirkus regelmäßig. Manche kommen ein bis zwei Mal pro Woche, andere alle paar Wochen“, erklärt Rebecca Müller.

Um die 20 Kinder kommen zu den Aktionen, die samstags ein- bis zweimal im Monat angeboten werden. Bei den Ferienaktionen sind es 80 Kinder pro Woche. Diese werden dank der Unterstützung zahlreicher ehrenamtlicher Helfer gestemmt – und sind regelmäßig ausgebucht: Die Osterferien im Land der Feen und Kobolde sind längst ausgebucht, auch fürs mittelalterliche Sommercamp ist die Hälfte der Plätze schon vergeben. Die Ferienaktionen sind ein Beispiel für die funktionierende Zusammenarbeit des Malzirkus-Teams mit der Grundschule. In den Sommerferien wird in der ersten Hälfte ein Angebot durch die Offene Ganztagsschule geschaffen, in der zweiten Hälfte eins durch den Malzirkus.

Die jüngsten Malzirkus-Besucher sind laut Müller im Vorschulalter, die ältesten 15 Jahre alt. 80 Prozent kommen aus dem Schleidener Tal und dem Raum Kall. Doch die Arbeit des Gemünder Teams hat sich herumgesprochen – inzwischen kommen auch Kinder aus Erftstadt, Ahrhütte oder Konzen.

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