HistorieHotel Joisten war erstes Haus am Platz

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Das Hotel Joisten in seiner ganzen Pracht. Es stand viele Jahrzehnte im Zentrum des Euskirchener Gesellschaftslebens.

Das Hotel Joisten in seiner ganzen Pracht. Es stand viele Jahrzehnte im Zentrum des Euskirchener Gesellschaftslebens.

Euskirchen – Für viele alte Euskirchener ist es noch immer ein Begriff: das Hotel Joisten am Alten Markt. Viele Jahre lang gehörte das Hotel zu den Zentren des gesellschaftlichen Lebens in Euskirchen. Bälle und Feste fanden dort statt, der Kreistag kehrte nach der Sitzung auf einen Absacker ein, und nach dem Theater traf sich der Euskirchener Landadel zum Essen. „Unsere Küche war toll. Daran erinnern sich noch viele Euskirchener“, erzählte Inge Moll.

100 Gäste fanden Platz in Restaurant und Weinstube. Gemeinsam mit ihrem Ehemann leitete Inge Moll das Hotel Joisten von 1963 bis zum Abriss zehn Jahre später. In ihrem Wohnzimmer erinnern ein paar Stühle und der Spiegel an die Vergangenheit. „Die stammen noch aus dem Hotel“, sagte die 79-Jährige dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Ansonsten ist nicht viel geblieben vom ersten Haus am Platz. Nur die Erinnerung an die Goldenen Zeiten. Inge Moll kann viel erzählen vom Alltag im Hotel Joisten: von den Besuchen der Eifelmaler, die sich mit Filzstift auf der Tischdecke verewigten, über die Bälle im großen Saal bis hin zum Rummel auf der Freitreppe vor dem Haus, die zu den Tummelplätzen der Euskirchener Kinder gehörte.

Bei Joisten traf sich der Landadel

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Doch sie hat nicht nur das Hotel Joisten erlebt. Ihre Familie leitete zuvor das Hotel „Zur Post“ – ein Gegenstück zu Joisten, das sich dort befand, wo heute das Park-Hotel steht. Jedes Hotel hatte dabei seine eigene Klientel. „Im Joisten traf sich der Landadel, ins Hotel »Zur Post« kamen die Fabrikanten“, so Inge Moll. Nachdem Bomben das Haus am Bahnhof zerstört hatten, stand Molls Familie vor den Trümmern ihres Betriebes. „Damals musste ganz Euskirchen erst einmal wieder gangbar gemacht werden“, erinnerte sie sich an die Nachkriegszeit. 1963 pachtete sie mit ihrem Mann das Hotel Joisten von der Gründerfamilie, die die Gastronomie selber nicht mehr weiterführen wollte.

In diesen Jahren tickten die Uhren noch anders in der Euskirchener Innenstadt. Es gab noch keine Anbindung an die A1, und mitten durch die Innenstadt führte die B56. „Wenn am Nürburgring Rennen stattfanden, tanzte für die Euskirchener Gastronomen der Bär“, berichtete Inge Moll. Die Nachfrage nach Zimmern war so groß, dass man im Hotel Joisten sogar Liegestühle im Speicher vermietete. Dazu wurde im Akkord gekocht.

Das Niveau des Hauses war hoch für die Ansprüche einer Kleinstadt. „Viele Euskirchener waren wahrscheinlich nie im Hotel Joisten“, vermutete Inge Moll. Vergleicht man die Preise, die man im Joisten für ein Zimmer bezahlte, mit dem, was heute verlangt wird, kann man sich nur wundern. Ganz genau weiß Inge Moll nicht mehr, wie viel die Nacht kostete, aber so viel kann sie sagen: „Wenn es acht Mark waren, dann wäre das schon viel.“

Als die Innenstadt nicht mehr befahren werden konnte, wurden die Zeiten für die Gastronomen schwerer. „Jedes Gasthaus hatte damals ein paar Fremdenzimmer“, erzählte Moll. Viele davon wurden nicht mehr nachgefragt, weil es für die Gäste keine Parkplätze mehr vor der Tür gab. Trotzdem hielt sich das Hotel Joisten. Doch der Fortschritt machte auch vor dem Hotelgewerbe nicht halt. Neue Häuser boten mehr Komfort und bessere sanitäre Anlagen.

„Im Joisten gab es ein Badezimmer auf der ersten Etage für alle Gäste“, so Inge Moll. Toiletten existierten auf der ersten und zweiten Etage. Sanitäranlagen auf den Zimmern gab es nicht. Auch ansonsten war der Zustand nicht mehr ideal. „Mit dem Haus ist nicht pfleglich umgegangen worden“, sagte Moll. Eigentlich hätte es nach dem Krieg besser restauriert werden müssen. Aber das geschah nicht, und später war der Umbau zu teuer. Das Hotel auf Vordermann zu bringen und jedes Zimmer mit Sanitäranlagen auszustatten, war undenkbar. „Das hätten weder Joistens noch wir bezahlen können“, sagte Inge Moll.

Das Ende des geschichtsträchtigen Hauses kam schließlich an einem Freitag, am 13. Juli 1973. „Es gab damals eine Modernisierungswelle in der Stadt“, erinnerte sich Moll. Die restlichen Häuser, die auf derselben Marktseite wie das Hotel Joisten standen, waren abbruchreif. Direkt neben dem Hotel befand sich eine Leerfläche. „Durch diese Konstellation wurde der Abriss herausgefordert“, vermutete Inge Moll.

"Gebäude ist zu verwinkelt"

„Das Haus ist außen und innen zu verwinkelt, um heute noch rationell genutzt werden zu können“, hieß es damals in den Plänen zur Stadtentwicklung. Nachdem mehrere Varianten untersucht wurden, entstand schließlich der Plan für den Zeigerbau, der heute noch die Seite des Marktplatzes dominiert. Sieben Jahre später wäre es durch das Denkmalschutzgesetz unmöglich gewesen, ein Haus wie das Hotel Joisten abzureißen. Alte Häuser dieser Art werden heute aufwendig saniert und weiter genutzt. Man denke nur an die alte Malzfabrik auf der Kölner Straße.

Damals aber wurden die Bauwerke aus der Gründerzeit wenig geschätzt, es dominierte der Wunsch nach Neuerungen. Auch im „Kölner Stadt-Anzeiger“ sah man die Entwicklung seinerzeit positiv. Der verantwortliche Redakteur nannte den Alten Markt ein „typisches Beispiel für die Bausünden der letzten Jahrhunderte“ und begrüßte den Wandel. Eine Meinung, die in Euskirchen heute kaum noch jemand teilt.

Das Nachfolgehaus am Alten Markt, der markante Zeigerbau, ist zu sehr Produkt seiner Zeit, um die Erinnerung an das Hotel Joisten langfristig zu verdrängen. Heute wirkt das schnörkellose und sachliche Bürogebäude wie ein Fremdkörper zwischen den historischen Häusern. Und obwohl der Abriss nun 40 Jahre her ist, lebt die Erinnerung an das alte Hotel am Marktplatz durch die Geschichten der alten Euskirchener weiter, an die Bälle und Feste und an die wunderschöne Fassade, die einst die Kulisse auf dem Marktplatz beherrschte.

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