Ukraine-KriegJunge Frauen flüchten nach Zülpich und müssen ihre Familien zurücklassen

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Marina Masun (M.), Olena Radchuk (r.) und  Karolina Kosjuha möchten schnell einen Job in Deutschland finden.

Zülpich – Etwa eineinhalb Tage seien sie mit dem Auto gefahren, um nach Deutschland zu kommen: Olena Radchuk und Marina Masun sind aus der Ukraine geflüchtet, allein. Nur zwei Stunden Pause hätten sie auf einem Rastplatz zum Schlafen gemacht, weil sie schnell das Land verlassen wollten. Ihre Ehemänner und Familien mussten die zwei jungen Frauen im Kriegsgebiet zurücklassen.

„Meine Familie will unsere Wohnung nicht unbeaufsichtigt lassen. Die Soldaten kommen und nehmen alles mit, Möbel, Wertsachen, Elektronik, wenn keiner auf die Wohnung aufpasst“, erklärt Masun, 25 Jahre alt. Jeden Tag habe sie Angst um die Menschen, die sie in der Heimat zurücklassen musste. Jeden Tag schaue sie die Nachrichten, suche die sozialen Netzwerke nach Neuigkeiten aus der Ukraine ab und telefoniere mit ihren Eltern.

Hoffen fällt schwer

Noch gehe es ihrer und Radchuks Familie verhältnismäßig gut, sagt Masun. Beide kommen aus dem Westen des Landes, dort gebe es im Gegensatz zur östlichen Ukraine weniger Kriegshandlungen. Masun hat eigenen Aussagen nach aber auch Verwandte in der Nähe von Kiew, die stärker betroffen sind.

Deshalb sagt sie: „Gerade ist es schwierig, Hoffnung zu haben.“ Sobald sie gute Laune habe, erinnere sie sich daran, dass ihre Familie und Freunde in der Ukraine jederzeit sterben könnten. „Zum Beispiel wollte ich letztens etwas auf Instagram posten. Aber ich konnte nicht. Ich dachte: Was denkt meine Familie, wenn sie das sieht? In der Ukraine haben manche nicht mal Wasser – und ich poste ein Bild von meinem Kaffee.“

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Sie ist aus der Ukraine geflohen: Marina Masun. Die 25-Jährige hofft, dass der Krieg bald endet und sie zurück in die Heimat reisen kann.

Trotz ihrer Sorgen wollen Masun und Radchuk schnell in Deutschland arbeiten: „Wir warten auf unsere Arbeitserlaubnis. Die bekommen wir nächste Woche“, sagt Radchuk, 24 Jahre alt. Die Frauen haben im Gegensatz zu vielen anderen Geflüchteten einen Vorteil: Sie sprechen Deutsch. „Wir haben beide Literatur in der Ukraine studiert, Englisch und Deutsch“, erzählt Radchuk.

Ehemaliger Arbeitgeber hilft

Nach Zülpich seien sie gekommen, weil Masun hier Bekannte habe. Sie habe im Rahmen ihres Studiums ein dreimonatiges Praktikum in Deutschland gemacht. Ihr ehemaliger Chef komme aus Zülpich und habe den Frauen eine Wohnung besorgt. Lebensmittel erhalten sie von der Zülpicher Tafel.

Auch Radchuks Cousine Karolina Kosjuha, die ebenfalls nach Deutschland geflohen ist, begleitet die beiden. Sie spricht zwar kein Deutsch, habe aber auch feste Ziele vor Augen und wolle Fitnesstrainerin werden, übersetzt Radchuk. Sie und Masun wollen in Deutschland in der Gastronomie arbeiten. In der Ukraine haben beide als Lehrerinnen gearbeitet, das habe ihnen aber nicht gefallen. „Ich möchte noch einmal studieren, und zwar IT“, sagt Radchuk. Masuns Traum ist es, sich als Konditorin selbstständig zu machen. „Ich backe sehr gerne“, sagt sie.

Frauen wollen zurück

In Deutschland bleiben wollen die jungen Frauen nicht. „Wir hoffen, dass der Krieg schnell vorbei ist, damit wir zurück in die Ukraine kommen“, so Radchuk. Zurück zu der Familie und in ein normales Leben, das sei alles, woran sie gerade denken könnten. Das, und die Sorge und Verständnislosigkeit wegen des Kriegs.

„Putin erzählt, dass es keinen Krieg gibt. Und wir uns selbst angreifen, also Ukrainer töten andere Ukrainer, das behauptet er“, sagt Radchuk: „Er verbietet Facebook, Instagram, sodass die Leute sich keine Meinung mehr von außen bilden können.“

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Vor kurzem habe sie gelesen, dass ein Großteil der Menschen in Russland sich für Putins Handlungen ausspreche. „Ich denke, die Leute in Russland wollen nicht sehen, wie es wirklich in der Ukraine ist“, vermutet Masun. Ihr zufolge propagieren die russischen Medien die Kriegshandlungen als „normale“ Auseinandersetzungen. „Aber daran ist nichts normal. So viele Menschen sterben“, sagt Masun.

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